Die Frau, die Frankenstein erschuf
Mary Shelley hat wohl das bekannteste Monster der Literaturgeschichte erfunden. Durch "Frankenstein" wurde sie weltberühmt. Doch vom Leben der Autorin war bislang wenig bekannt. In "Mary Shelley. Leben und Werk" von Alexander Pechmann wird deutlich, dass Frankenstein auch das Produkt eines wechselvollen und von Schicksalsschlägen bestimmten Lebens war.
Eines der schrecklichsten Monstren der Kulturgeschichte wurde von einer zarten, jungen Frau erfunden. An einem der vielen verregneten Sommerabende des Jahres 1816 saß sie am Kamin einer Schweizer Villa und unterhielt einen Kreis höchst anspruchsvoller Zuhörer mit einer nachts zuvor erfundenen Erzählung. Mary Wollstonecraft Shelley war gerade 19 Jahre alt, als sie jene Geschichte zum ersten Mal erzählte, die sie als Autorin bis heute berühmt macht: "Frankenstein oder Der moderne Prometheus", wie die ausgearbeitete Romanversion des Stoffes dann hieß.
In unzähligen Übersetzungen, Bühnenadaptionen, Verfilmungen und nie abreißenden Umarbeitungen ist der schreckliche Held von Shelleys Schauerroman noch bis in unsere Gegenwart lebendig geblieben. Jeder kennt den Namen Frankenstein, auch wenn viele irrtümlicherweise meinen, das aus Leichenteilen zusammengefügte und in einem grausigen Experiment durch eine mysteriöse Apparatur zum Leben erweckte Monster hieße so. In Wahrheit ist Viktor Frankenstein natürlich der Name jenes Genfer Naturforschers, der von der Idee besessen war, das Elixier des Lebens zu finden. Das Monster, das er in einem frevelhaften Schöpfungsakt in die Welt entlässt, bleibt bei Mary Shelley namenlos.
Der Roman "Frankenstein" erschien 1818 zum ersten Mal, und zwar anonym. 1831 wurde die endgültige Fassung aufgelegt - zu jenem Zeitpunkt war die Autorin längst in England und auf dem europäischen Kontinent nicht nur namentlich bekannt, sondern hochberühmt.
Ihre Lebensgeschichte erzählt jetzt bei Artemis und Winkler mit Alexander Pechmann ein junger Literaturwissenschaftler, der parallel dazu eine Übersetzung der Urfassung von "Frankenstein" vorgelegt und auch in den Jahren zuvor bereits einzelne Übertragungen von Werken Mary Shelleys ins Deutsche besorgt hat. Sein 300 Seiten zählendes, mit Abbildungen, Literaturhinweisen, Bibliographie und Register versehenes Buch liest sich etwa bis zur Mitte selbst wie ein Roman. Und das ist auch der Ansatz des Biografen - Mary Shelleys Leben sei literarischer als ihre Romane, Erzählungen und Reiseberichte.
Ihr Leben als ihr größtes Werk? Angesichts des großen Unglücks, das Mary Shelley als junger Ehefrau und Mutter widerfuhr, möchte man diese These übertrieben romantisch nennen. Zwei von drei Kindern verlor sie früh. Ständig waren sie und ihr Mann auf der Flucht vor Schulden und Verwandten. Schon als sie Victor Frankenstein erfand, kann sie nicht ganz glücklich gewesen sein, obwohl sie sich an der Seite ihres Geliebten, des englischen Romantikers Percy Bysshe Shelley befand. Gemeinsam war das Paar in jenem Sommer 1816 mit anderen Dichtern aus den literarischen Kreisen Londons zu Gast in Lord Byrons Villa am Comer See. Man flüchtete vor den wechselhaften, häufig kühlen englischen Sommern und erschloss sich auf diesen ausgedehnten Reisen die reiche Kulturgeschichte des Südens.
Pechmanns Bericht von Marys wechselvollem Leben liest sich anfangs aufregend. Erst mit fortschreitender Erzählung fällt das Stereotype des Buchs mehr und mehr ins Auge. Fast scheint es, als hetze der Autor, je älter sein Objekt wird, umso schneller mit der Feder über die Seiten. Das Lektorat hat ihn dabei kaum gebremst und hätte manchmal auch sprachlich eingreifen dürfen. Auf dem Rückumschlag ist sogar - und das ist nun wirklich unverzeihlich - von Frankenstein als dem Monster die Rede. Dennoch: Von Mary Shelley wussten wir bis dahin nur wenig mehr als dass sie die Erfinderin der berühmtesten Gruselgeschichte aller Zeiten ist. Es ist das Verdienst dieser Biografie - nach Muriel Sparks "Kind des Lichts" von 1951 die zweite auf Deutsch erschienene - zu zeigen, unter welchen widrigen Umständen eine junge Frau in einem Zeitalter, das außerhalb seiner Literatur und Kunst wenig romantisch war, sich als Erfolgsschriftstellerin behauptete.
Rezensiert von Wiebke Hüster
Alexander Pechmann: Mary Shelley. Leben und Werk
Artemis und Winkler, Düsseldorf 2006
309 Seiten, 24,90 Euro
In unzähligen Übersetzungen, Bühnenadaptionen, Verfilmungen und nie abreißenden Umarbeitungen ist der schreckliche Held von Shelleys Schauerroman noch bis in unsere Gegenwart lebendig geblieben. Jeder kennt den Namen Frankenstein, auch wenn viele irrtümlicherweise meinen, das aus Leichenteilen zusammengefügte und in einem grausigen Experiment durch eine mysteriöse Apparatur zum Leben erweckte Monster hieße so. In Wahrheit ist Viktor Frankenstein natürlich der Name jenes Genfer Naturforschers, der von der Idee besessen war, das Elixier des Lebens zu finden. Das Monster, das er in einem frevelhaften Schöpfungsakt in die Welt entlässt, bleibt bei Mary Shelley namenlos.
Der Roman "Frankenstein" erschien 1818 zum ersten Mal, und zwar anonym. 1831 wurde die endgültige Fassung aufgelegt - zu jenem Zeitpunkt war die Autorin längst in England und auf dem europäischen Kontinent nicht nur namentlich bekannt, sondern hochberühmt.
Ihre Lebensgeschichte erzählt jetzt bei Artemis und Winkler mit Alexander Pechmann ein junger Literaturwissenschaftler, der parallel dazu eine Übersetzung der Urfassung von "Frankenstein" vorgelegt und auch in den Jahren zuvor bereits einzelne Übertragungen von Werken Mary Shelleys ins Deutsche besorgt hat. Sein 300 Seiten zählendes, mit Abbildungen, Literaturhinweisen, Bibliographie und Register versehenes Buch liest sich etwa bis zur Mitte selbst wie ein Roman. Und das ist auch der Ansatz des Biografen - Mary Shelleys Leben sei literarischer als ihre Romane, Erzählungen und Reiseberichte.
Ihr Leben als ihr größtes Werk? Angesichts des großen Unglücks, das Mary Shelley als junger Ehefrau und Mutter widerfuhr, möchte man diese These übertrieben romantisch nennen. Zwei von drei Kindern verlor sie früh. Ständig waren sie und ihr Mann auf der Flucht vor Schulden und Verwandten. Schon als sie Victor Frankenstein erfand, kann sie nicht ganz glücklich gewesen sein, obwohl sie sich an der Seite ihres Geliebten, des englischen Romantikers Percy Bysshe Shelley befand. Gemeinsam war das Paar in jenem Sommer 1816 mit anderen Dichtern aus den literarischen Kreisen Londons zu Gast in Lord Byrons Villa am Comer See. Man flüchtete vor den wechselhaften, häufig kühlen englischen Sommern und erschloss sich auf diesen ausgedehnten Reisen die reiche Kulturgeschichte des Südens.
Pechmanns Bericht von Marys wechselvollem Leben liest sich anfangs aufregend. Erst mit fortschreitender Erzählung fällt das Stereotype des Buchs mehr und mehr ins Auge. Fast scheint es, als hetze der Autor, je älter sein Objekt wird, umso schneller mit der Feder über die Seiten. Das Lektorat hat ihn dabei kaum gebremst und hätte manchmal auch sprachlich eingreifen dürfen. Auf dem Rückumschlag ist sogar - und das ist nun wirklich unverzeihlich - von Frankenstein als dem Monster die Rede. Dennoch: Von Mary Shelley wussten wir bis dahin nur wenig mehr als dass sie die Erfinderin der berühmtesten Gruselgeschichte aller Zeiten ist. Es ist das Verdienst dieser Biografie - nach Muriel Sparks "Kind des Lichts" von 1951 die zweite auf Deutsch erschienene - zu zeigen, unter welchen widrigen Umständen eine junge Frau in einem Zeitalter, das außerhalb seiner Literatur und Kunst wenig romantisch war, sich als Erfolgsschriftstellerin behauptete.
Rezensiert von Wiebke Hüster
Alexander Pechmann: Mary Shelley. Leben und Werk
Artemis und Winkler, Düsseldorf 2006
309 Seiten, 24,90 Euro