Die fünf besten Schwarz-Weiß-Filme

Alte Wege können auch neu sein

Filmszene aus "Das siebente Siegel" von Ingmar Bergman.
Filmszene aus "Das siebente Siegel" von Ingmar Bergman. © Imago / United Archives
Von Hartwig Tegeler |
Schwarz-Weiß-Filme scheinen wieder en vogue zu sein: So veröffentlicht etwa Regisseur James Mangold eine "Noir"-Fassung von "Logan - the Wolverine". Für Filmkritiker Hartwig Tegeler ist dies Anlass, die fünf eindrucksvollsten Schwarz-Weiß-Filme und ihre Wirkung zu präsentieren.

Platz 5

Das siebente Siegel von Ingmar Bergman (1957)
Bergmans Allegorie über den modernen Menschen, der verzweifelt die Frage nach Gott stellt und damit die nach seinen eigenen transzendenten Bezügen, spielt im Mittelalter. Der Ritter, der aus den Kreuzzügen heimkehrt - Max von Sydow -, trifft bei seiner Beichte nicht den Pfarrer, sondern den Tod, mit dem er in Folge Schachspielen wird. Das Gitter des Beichtstuhls wird in dessen Schlagschatten verdoppelt und verdreifacht, wenn es sich an der Wand oder auf dem Gesicht des Ritters spiegelt. Der Mensch, gefangen in seiner existentiellen Krise: Dieser Eindruck erfährt durch die Geometrisierung der schwarz-weißen Bilder eine verstörende Intensität. Als ob sie noch klarer zutage tritt - die Krise.
Ingmar Bergman (l.) mit Kameramann Sven Nykvist
Ingmar Bergman (l.) mit Kameramann Sven Nykvist© AFP / Scanpix Sweden / Arne Carlsson

Platz 4

Iwan, der Schreckliche von Sergei Eisenstein (1944)
Eisensteins zweiteiliges Epos über den russischen Zaren erweckt den Eindruck, dass die Analyse der autoritären Gewalt-Herrschers, der Russland eint, in ihren Schwarz-Weiß-Bildern hinter das Sichtbare zu treten versuchen. Das Dahinter immer mitzudenken und - im Film - eine Ahnung von den Abgründen der politischen Macht entstehen zu lassen. Am Ende des zweiten Teils wird "Iwan, der Schreckliche" auf einmal zum Farbfilm. Das wirkt wie ein Schock, weil es so banal aussieht. Und wirft den Zuschauer aus dem 16. Jahrhundert direkt in die "damalige Jetztzeit", die Sowjetunion unter Stalin im Zweiten Weltkrieg. Erst nach Stalins Tod durfte der "Iwan, der Schreckliche II" in der UdSSR gezeigt werden.
Filmszene aus "Iwan, der Schreckliche" von Sergei Eisenstein.
Filmszene aus "Iwan, der Schreckliche" von Sergei Eisenstein. © Imago / United Archives

Platz 3

Fahrraddiebe von Vittorio de Sica (1948)
Schwarz-Weiß - harte Abgrenzung, keine sanften Übergänge, keine bunte Realität, nur krasse soziale Gegensätze, Armut, Ungerechtigkeit und ein gnadenloses Schicksal, das sich als Zufall ausgibt. De Sicas Meisterwerk des Neorealismus, gedreht an römischen Originalschauplätzen, erzählt von dem Mann, Tagelöhner, der als Plakatkleber unbedingt das Fahrrad braucht, das er verpfändet hat. Seine Frau löst es beim Pfandleiher mit der Bettwäsche wieder aus. Doch bei der Arbeit wird Antonios Fahrrad gestohlen. Und er wird es nicht wiederbekommen. Und trotzdem, trotz der extrem harten - quasi gesellschaftlichen - Schwarz-Weiß-Konturen, erzählt "Fahrraddiebe" von menschlicher Wärme und Liebe, von "dem Hellen", das von "dem Dunklen" nicht verschlungen werden kann.

Filmszene aus dem Film "Fahrraddiebe" von Vittorio de Sica.
Filmszene aus dem Film "Fahrraddiebe" von Vittorio de Sica. © Imago / Cola Images

Platz 2

Der Teufel mit der weißen Weste von Jean-Pierre Melville (1962)
Melvilles Gangsterfilm mit Jean-Paul Belmonde hinterlässt in seiner Stilisierung den Eindruck einer extremen Kälte, der Kälte der zwei Farben Schwarz und Weiß - harte monochrome Konturen, Gnadenlosigkeit, unabwendbarer Lauf des Schicksals, der an griechische Tragödien erinnert. Kälte, Schweigen. Die Geschichte über einen Polizeispitzel und die fatalen Folgen seines Verrats erzählt nicht von Schuld und Sühne, Ethik und Moral in den Kategorien bürgerlicher Normalität, sondern von der Professionalität der Gangster und der Einsamkeit, die sie schicksalhaft in ihrem Tun erfahren. Seine Gangsterfilme sind für ihn, sagte Melville einmal, "Vehikel für ein Abenteuer, für ein […] geträumtes Abenteuer". Sind unsere Träume eigentlich in Farbe oder Schwarz-Weiß?

Jean-Paul Belmondo in dem Film "Der Teufel mit der weissen Weste" von Jean-Pierre Melville.
Jean-Paul Belmondo in dem Film "Der Teufel mit der weissen Weste" von Jean-Pierre Melville. © Imago / United Archives

Platz 1

Out of the Past - Goldenes Gift von Jacques Tourneur (1947)
Als die Welt aus den Angeln gehoben war, in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg, als Farbe und Cinemascope im Kino durchaus schon die Normalität bildeten, "erschien" der film noir auf der Leinwand und gab in seinen Geschichten eine authentische Bild der Desorientierung des Mannes. Schwarz-weiße Schattenspiele, bevölkert von verunsicherten, verzweifelten Männern, die in die Fänge einer femme fatale geraten. In "Out of the Past" ist es Robert Mitchum, der als Privatdetektiv an der Freundin des Gangsterbosses, die er suchen soll, zugrunde geht. Wenn heute - in digitalen Kino-Zeiten - jede Realität visuell umsetzbar ist, scheint in einem film noir wie "Out of the Past" die schwarz-weiß Ästhetik über das Sichtbare hinaus zu gehen, dahinter zu gehen, um das zu finden und zu erforschen, was uns im Kino seit jeher interessiert: die Abgründe des Menschen. An dem Grat, wo Schwarz auf Weiß trifft, scheint der Abstieg dahin, da runter - Jacques Tourneur beweist es -, besonders einfach wie intensiv wie faszinierend wie schockierend möglich.
Kirk Douglas (r) und Robert Mitchum in "Goldenes Gift" von Jaques Tourneur.
Kirk Douglas (r) und Robert Mitchum in "Goldenes Gift" von Jaques Tourneur. © Imago / United Archives
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