Was nach seinen Entgleisungen von Heidegger bleibt
Seit Erscheinen der ersten Bände der "Schwarzen Hefte" wird Martin Heideggers Antisemitismus intensiv diskutiert. In "Sein und Streit" gibt Herausgeber Peter Trawny Auskunft darüber, wie er dessen philosophische Entgleisungen versteht. Außerdem geht es um die Frauenquote und Adorno im Theater.
"Ein Antisemitismus, der auch weit ins restliche Werk hineinstrahlt"
Ein neuer Band der nachgelassenen "Schwarzen Hefte" rückt Martin Heideggers Denken auch weit über die nationalsozialistischen Jahre hinaus in ein höchst zweifelhaftes Licht.
Vor einem Jahr wurden die ersten drei Bände der "Schwarzen Hefte", nachgelassene philosophische Schriften von Martin Heidegger, veröffentlicht. Sie lösten eine große Debatte in der Heidegger-Forschung und in der Öffentlichkeit aus, vor allem aufgrund der in ihnen enthaltenen antisemitischen Äußerungen, die weit über das bis dahin bekannte Ressentiment Martin Heideggers gegen Juden hinausgingen.
Die Frage, die seither intensiv diskutiert wird, ist wie weit Heideggers Antisemitismus und sein nationalsozialistisches Engagement auf sein Werk abstrahlt – eines der einflussreichsten der Nachkriegszeit.
Der diese Woche erschienene neuste Band der "Schwarzen Hefte", der Texte aus den Jahren 1942-1948 enthält, lässt diese Frage nicht einfacher erscheinen. Er enthält nicht nur weitere Belege für einen quasi metaphysischen Antisemitismus Martin Heideggers, sondern zeigt auch in aller Deutlichkeit die vollkommene Unwilligkeit des Philosophen, sich mit der deutschen Schuld der Nazi-Zeit auseinanderzusetzen.
In "Sein und Streit" gibt der Herausgeber der "Schwarzen Hefte", Peter Trawny Auskunft darüber, wie er Heideggers philosophische Entgleisungen versteht und in den Rest seines Denkens einordnet – und was am Ende der Auseinandersetzung damit von Heidegger bleibt.
Außerdem in dieser Sendung:
Kleine Leute – große Fragen: Clarisse Cossais hat diese Woche Kinder gefragt: "Können Pflanzen Schmerzen empfinden?"
Frauenquote: Am Freitag hat der Bundestag ein Gesetz zur Frauenquote verabschiedet. Neben 30-Prozent-Quoten für bestimmte Großunternehmen enthält das Gesetz auch Regelungen für den öffentlichen Dienst. Der Vorschlag für diese klang eigentlich fair: Alle Führungsgremien im öffentlichen Dienst sollten in Zukunft zur Hälfte mit Männern und zur Hälfte mit Frauen besetzt werden. Doch dann hat es sich die Große Koalition anders überlegt und diese Passage vor der Abstimmung aus dem Gesetzesentwurf zur Frauenquote gestrichen – auch, weil Experten darauf hingewiesen hatten, dass sie Männer fördere. Was aber wäre daran so verwerflich? Kann es ungerecht sein, wenn Frauen und Männer jeweils den gleichen Anteil an Führungspositionen bekommen? Der philosophische Wochenkommentar von Stephanie Rohde.
Adorno im Theater: Wie bringt man Philosophie auf die Theaterbühne? Ein interessanter Versuch hat heute Abend in Frankfurt Premiere: Christian Franke hat einen Monolog in Szene gesetzt, der sich mit einer der bewegtesten Zeiten an der Frankfurter Universität beschäftigt, den 68ern – und damit, wie sie in Konflikt gerieten mit den akademischen Autoritäten. Auch mit Theodor W. Adorno, dem Großdenker der Frankfurter Schule, dessen Gesellschaftskritik eigentlich eine Inspiration war für die Studentenbewegung. "Wut und Gedanke" heißt das Projekt. Ein Beitrag von Ursula May, die bei den Proben dabei war.
Und schließlich drei Fragen an den Schweizer Schriftsteller Linus Reichlin.