Die ganze Unerklärbarkeit des Lebens
Bjarte Breiteig, geboren 1974 im südnorwegischen Kristiansand, schreibt spröde, realistische Kurzgeschichten über seine eigene Generation, die nicht weiß, was sie antreibt, und nichts hat, woran sie sich festhalten kann.
Breiteigs souveräner und selbstbewusster Erzählband "Von nun an" (norwegisch 2006) ist seine erste Veröffentlichung auf Deutsch, aber debütiert hat er schon 1998 mit "Phantomschmerzen", zwei Jahre später folgte "Surrogate".
Schon diese Titel zeigen, wie er die Welt beschreibt, nämlich wortkarg, und was diese Welt bestimmt, nämlich eingebildete Gefühle und Ersatzstoffe, das Scheinbare, Unechte, Simulierte beherrscht die Wirklichkeit.
Ein Mann trifft im Zug auf einen ehemaligen Klassenkameraden, den er aber nicht erkennt und der plötzlich verschwunden ist. Ein junges Paar verbringt ein paar Tage in einem englischen Badeort; während das Mädchen zum Kiosk geht, ruft ein Fremder an, der sie gut zu kennen scheint, aber einfach auflegt. Und in der Geschichte "Jörgen" taucht ein Jörgen gar nicht auf.
Aber was geschieht wirklich? War der angebliche Klassenkamerad überhaupt im Zug? Hat dieser Fremde tatsächlich angerufen? Und ist dieser Jörgen jener Abwesende, der offenbar Selbstmord begangen hat? Hier wird nichts erklärt, man weiß nicht, was die Figuren antreibt, sie haben nichts, woran sie sich festhalten können, keinen Menschen und keine Idee.
Mehrmals wird der Glaube genannt, aber auch er scheint nicht der Fels zu sein, auf dem man bauen könnte. Breiteigs ernste Geschichten handeln von Isoliertheit und Krankheit, von der Sinnlosigkeit, der Bodenlosigkeit, der ganzen Unerklärbarkeit des Lebens. Unsicherheit und Unbehagen nehmen von Satz zu Satz zu, sodass man nachdenklich, unruhig, vielleicht gar unerlöst zurückbleibt.
Die Übersetzung lässt sich vollkommen auf das Original ein (stellenweise zu sehr, zu nah). Was Wunder, Bernhard Strobel ist ja selbst Autor ("Sackgasse", 2007) und schreibt in einem ganz verwandten karg-realistischen Ton, mit Leerstellen, Aussparungen und Ellipsen.
Es ist ein Stil, den man beim Nouveau Roman antrifft, bei Nossack – denkt man nicht hier an dessen Wort "Wer spricht denn von Heimkehr? Ich spreche von Scheitern"? –, bei Raymond Carver und besonders beim norwegischen Altmeister der Lakonik, dem 80-jährigen Kjell Askildsen.
Besprochen von Peter Urban-Halle
Bjarte Breiteig: Von nun an
Aus dem Norwegischen von Bernhard Strobel
Luftschacht Verlag, Wien 2010
109 Seiten, 15 Euro
Schon diese Titel zeigen, wie er die Welt beschreibt, nämlich wortkarg, und was diese Welt bestimmt, nämlich eingebildete Gefühle und Ersatzstoffe, das Scheinbare, Unechte, Simulierte beherrscht die Wirklichkeit.
Ein Mann trifft im Zug auf einen ehemaligen Klassenkameraden, den er aber nicht erkennt und der plötzlich verschwunden ist. Ein junges Paar verbringt ein paar Tage in einem englischen Badeort; während das Mädchen zum Kiosk geht, ruft ein Fremder an, der sie gut zu kennen scheint, aber einfach auflegt. Und in der Geschichte "Jörgen" taucht ein Jörgen gar nicht auf.
Aber was geschieht wirklich? War der angebliche Klassenkamerad überhaupt im Zug? Hat dieser Fremde tatsächlich angerufen? Und ist dieser Jörgen jener Abwesende, der offenbar Selbstmord begangen hat? Hier wird nichts erklärt, man weiß nicht, was die Figuren antreibt, sie haben nichts, woran sie sich festhalten können, keinen Menschen und keine Idee.
Mehrmals wird der Glaube genannt, aber auch er scheint nicht der Fels zu sein, auf dem man bauen könnte. Breiteigs ernste Geschichten handeln von Isoliertheit und Krankheit, von der Sinnlosigkeit, der Bodenlosigkeit, der ganzen Unerklärbarkeit des Lebens. Unsicherheit und Unbehagen nehmen von Satz zu Satz zu, sodass man nachdenklich, unruhig, vielleicht gar unerlöst zurückbleibt.
Die Übersetzung lässt sich vollkommen auf das Original ein (stellenweise zu sehr, zu nah). Was Wunder, Bernhard Strobel ist ja selbst Autor ("Sackgasse", 2007) und schreibt in einem ganz verwandten karg-realistischen Ton, mit Leerstellen, Aussparungen und Ellipsen.
Es ist ein Stil, den man beim Nouveau Roman antrifft, bei Nossack – denkt man nicht hier an dessen Wort "Wer spricht denn von Heimkehr? Ich spreche von Scheitern"? –, bei Raymond Carver und besonders beim norwegischen Altmeister der Lakonik, dem 80-jährigen Kjell Askildsen.
Besprochen von Peter Urban-Halle
Bjarte Breiteig: Von nun an
Aus dem Norwegischen von Bernhard Strobel
Luftschacht Verlag, Wien 2010
109 Seiten, 15 Euro