Die geheimen Botschaften der Bilder
Der Kunsthistoriker Martin Warnke hat den Gerda-Henkel-Preis für Geisteswissenschaften erhalten. Warnke hatte sich für die Rettung des Aby-Warburg-Hauses in Hamburg stark gemacht. Anknüpfend an die Ideen Aby Warburgs betreibt Warnke in seinen Schriften Kunstgeschichte als politische Ikonographie und Sozialgeschichte.
Martin Warnke hat eigentlich zwei Wissenschaftler-Leben vorzuweisen. Der Kunsthistoriker erzeugt allein schon durch seine Bücher Wirkung, die, so Festrednerin Christina Weiss, ehemals Kulturstaatsministerin, nicht nur im deutschsprachigen Raum Spuren hinterlassen haben.
Daneben besteht Warnkes Lebensleistung auch in einer Rettungstat für eine eigentlich schon verloren gegangene Bibliothek, die Aby-Warburg-Sammlung. Beides, seine kunsthistorische Forschung und seine Beharrlichkeit im Kampf für das Aby Warburg-Haus in Hamburg, hat die Jury des Gerda-Henkel-Preises am Abend mit - für eine geisteswissenschaftliche Auszeichnung - bemerkenswerten 100.000 Euro prämiert.
Lord Ralph Dahrendorf, Vorsitzender der Jury, sieht in der Kombination von Forscher und Sammler das Besondere des Preisträgers:
"Im akademischen Leben die Werke, in der nachhaltigen Wirkung ist das Warburg-Haus gar nicht hoch genug einzuschätzen. Das eben ist auch das besondere an diesem Mann, das es uns leicht gemacht hat, eine Entscheidung zu treffen."
Warnkes Hauptwerk, Haupttat hat eine Adresse. Heilwigstrasse 116 in Hamburg-Eimsbüttel. Hier hat der Kunsthistoriker ab 1979, dem Jahr seines Rufes an die Universität Hamburg, einen Großteil seiner Energien investiert. Er hat ausdauernd um und für dieses Haus gekämpft, urteilt Christina Weiss. Heute ist der 68-jährige Forscher sozusagen Hausherr dieses einzigartigen Domizils. Er ist Direktor der Aby Warburg-Stiftung.
Aby Warburg, Sohn einer jüdischen Bankiersfamilie, hatte 1879 mit seinem jüngeren Bruder einen Handel vereinbart. Das Recht, das Bankhaus weiterzuführen, ging von Aby auf Max über, dafür aber sollte der so zum Bankdirektor aufgestiegene Bruder dem feinsinnigen Aby eine Bibliothek finanzieren.
Als Aby Warburg 1929 starb, umfasste seine Sammlung 60.000 Bücher. Ein brisanter geistiger Besitz für einen Juden. Die Zeiten waren gefährlich. Seine Familie konnte gerade noch rechtzeitig den Schatz vor den Nazis nach London retten. Dort blieben sie als "Warburg Institute" der University of London verwahrt. Martin Warnke hat später das Haus und die Idee - nämlich eine kunstwissenschaftliche Bibliothek zu erschaffen - buchstäblich wieder zum Leben erweckt.
Warnke: "Es ist nur die Hülse sozusagen gerettet, also das Haus, in dem diese 60.000 Bände gewesen sind in Hamburg. Die sind gleich '33 nach London transferiert worden."
Martin Warnke lebte die ersten 17 Jahre seines Lebens in Brasilien. Bücher waren in seinem Elternhaus eher Mangelware. Die wenigen deutschen Ausgaben waren völlig zerlesen, erzählte er später. Um nicht vom brasilianischen Militär eingezogen zu werden, schickten ihn die Eltern nach Deutschland. In Darmstadt machte er sein Abitur. Später studierte er bei Hans Sedlmayer, dem Kunsthistoriker, in München. Er wechselte schon nach drei Semestern nach Berlin an die Freie Universität und promovierte dort 1963 über Rubens-Briefe und Kommentare. Und Rubens blieb sein akademischer Lebensbegleiter.
"Mich hat an Rubens zunächst seine politische Aktivität interessiert", so Warnke. "Er war Diplomat. Ich fragte mich sofort: Geht dies auch seine Kunst an?" Die entscheidende Frage im Forscherleben des Martin Warnke. Anders ausgedrückt: Warnke untersuchte seitdem Bilder nach ihren versteckten politischen, sozialen, gesellschaftlichen Aussagen. Durch gestalterische Details und mythologische Anspielungen haben Künstler Wertungen ins Bild gesetzt, fand Warnke heraus. Und Rubens konnte sich darauf verlassen, dass seine Zeitgenossen verstanden, was indirekt vom Maler als Botschaft auf die Leinwand gesetzt wurde. Warnkes Lieblingsbeispiel: Die Besichtigung des Medici-Zyklus durch Ludwig XIII.
"Was könnte er da gemeint haben? Es lag doch alles offen zutage. Alles ins Bild gebracht und trotzdem musste dem König etwas verschleiert werden. Eine Verita, eine Wahrheit. Nach der suchen wir noch alle bis heute (lacht). Ich habe es in zwei Büchern zu zeigen versucht oder zu entschlüsseln versucht. Aber die Diskussion dauert an."
Kunst als soziales Gedächtnis einer Gesellschaft in ihrer Zeit, das war einer der Kerngedanken Aby Warburgs. Mit dieser Erkenntnis startete Martin Warnke seine kunsthistorische Laufbahn. Und mit seinen verblüffenden Entdeckungen kann er über seine Bücher und Aufsätze auch die erreichen, die nicht zum Fachpublikum zählen, erinnerte Christina Weiss:
"Martin Warnke schreibt unglaublich fesselnd mit seiner ganz eigenen, zwischen Ernst und augenzwinkernd schwankender Bildhaftigkeit, die das Verständnis fördert, den Geist fordert, aber auch begeistert und beglückt. Seine Argumente polarisieren, werben um den Leser, ziehen ihn von Absatz zu Absatz tiefer in ein Gedankengebäude das ihm sehr bald als sein eigenes erscheinen kann, da es so überzeugend gegründet ist."
In ihrem 30. Jahr des Bestehens rückt die Gerda Henkel Stiftung mit ihrem 100.000-Euro-Preis in die erste Reihe der gewichtigen Wissenschaftsauszeichnungen. Ein Kaliber, das sonst nur im natur- und technikwissenschaftlichen Forschungsmilieu erwartet wird. Bislang wurden in den drei zurückliegenden Dezennien rund 4.000 Forschungsarbeiten mit über 60 Millionen Euro Unterstützung begleitet. Zum Jubiläum hat sich die Jury unter 211 Nominierungen aus 18 Ländern einstimmig für Martin Warnke entschieden, der, so steht es in der Begründung, "durch die Originalität seiner kunstgeschichtlichen Forschungen, die Breite seiner fachlichen Interessen und die Nachhaltigkeit seines Wirkens überzeugt."
Lord Ralph Dahrendorf: "Wir wollten einen Preisträger auf der Höhe der Schaffenskraft. Ein bisschen Schwierigkeiten hatten wir mit der Sprache. Es handelt sich um einen internationalen Preis. Demnach schien uns für dieses Mal die Beschränkung auf einen historischen Geisteswissenschaftler deutscher Sprache angebracht."
Daneben besteht Warnkes Lebensleistung auch in einer Rettungstat für eine eigentlich schon verloren gegangene Bibliothek, die Aby-Warburg-Sammlung. Beides, seine kunsthistorische Forschung und seine Beharrlichkeit im Kampf für das Aby Warburg-Haus in Hamburg, hat die Jury des Gerda-Henkel-Preises am Abend mit - für eine geisteswissenschaftliche Auszeichnung - bemerkenswerten 100.000 Euro prämiert.
Lord Ralph Dahrendorf, Vorsitzender der Jury, sieht in der Kombination von Forscher und Sammler das Besondere des Preisträgers:
"Im akademischen Leben die Werke, in der nachhaltigen Wirkung ist das Warburg-Haus gar nicht hoch genug einzuschätzen. Das eben ist auch das besondere an diesem Mann, das es uns leicht gemacht hat, eine Entscheidung zu treffen."
Warnkes Hauptwerk, Haupttat hat eine Adresse. Heilwigstrasse 116 in Hamburg-Eimsbüttel. Hier hat der Kunsthistoriker ab 1979, dem Jahr seines Rufes an die Universität Hamburg, einen Großteil seiner Energien investiert. Er hat ausdauernd um und für dieses Haus gekämpft, urteilt Christina Weiss. Heute ist der 68-jährige Forscher sozusagen Hausherr dieses einzigartigen Domizils. Er ist Direktor der Aby Warburg-Stiftung.
Aby Warburg, Sohn einer jüdischen Bankiersfamilie, hatte 1879 mit seinem jüngeren Bruder einen Handel vereinbart. Das Recht, das Bankhaus weiterzuführen, ging von Aby auf Max über, dafür aber sollte der so zum Bankdirektor aufgestiegene Bruder dem feinsinnigen Aby eine Bibliothek finanzieren.
Als Aby Warburg 1929 starb, umfasste seine Sammlung 60.000 Bücher. Ein brisanter geistiger Besitz für einen Juden. Die Zeiten waren gefährlich. Seine Familie konnte gerade noch rechtzeitig den Schatz vor den Nazis nach London retten. Dort blieben sie als "Warburg Institute" der University of London verwahrt. Martin Warnke hat später das Haus und die Idee - nämlich eine kunstwissenschaftliche Bibliothek zu erschaffen - buchstäblich wieder zum Leben erweckt.
Warnke: "Es ist nur die Hülse sozusagen gerettet, also das Haus, in dem diese 60.000 Bände gewesen sind in Hamburg. Die sind gleich '33 nach London transferiert worden."
Martin Warnke lebte die ersten 17 Jahre seines Lebens in Brasilien. Bücher waren in seinem Elternhaus eher Mangelware. Die wenigen deutschen Ausgaben waren völlig zerlesen, erzählte er später. Um nicht vom brasilianischen Militär eingezogen zu werden, schickten ihn die Eltern nach Deutschland. In Darmstadt machte er sein Abitur. Später studierte er bei Hans Sedlmayer, dem Kunsthistoriker, in München. Er wechselte schon nach drei Semestern nach Berlin an die Freie Universität und promovierte dort 1963 über Rubens-Briefe und Kommentare. Und Rubens blieb sein akademischer Lebensbegleiter.
"Mich hat an Rubens zunächst seine politische Aktivität interessiert", so Warnke. "Er war Diplomat. Ich fragte mich sofort: Geht dies auch seine Kunst an?" Die entscheidende Frage im Forscherleben des Martin Warnke. Anders ausgedrückt: Warnke untersuchte seitdem Bilder nach ihren versteckten politischen, sozialen, gesellschaftlichen Aussagen. Durch gestalterische Details und mythologische Anspielungen haben Künstler Wertungen ins Bild gesetzt, fand Warnke heraus. Und Rubens konnte sich darauf verlassen, dass seine Zeitgenossen verstanden, was indirekt vom Maler als Botschaft auf die Leinwand gesetzt wurde. Warnkes Lieblingsbeispiel: Die Besichtigung des Medici-Zyklus durch Ludwig XIII.
"Was könnte er da gemeint haben? Es lag doch alles offen zutage. Alles ins Bild gebracht und trotzdem musste dem König etwas verschleiert werden. Eine Verita, eine Wahrheit. Nach der suchen wir noch alle bis heute (lacht). Ich habe es in zwei Büchern zu zeigen versucht oder zu entschlüsseln versucht. Aber die Diskussion dauert an."
Kunst als soziales Gedächtnis einer Gesellschaft in ihrer Zeit, das war einer der Kerngedanken Aby Warburgs. Mit dieser Erkenntnis startete Martin Warnke seine kunsthistorische Laufbahn. Und mit seinen verblüffenden Entdeckungen kann er über seine Bücher und Aufsätze auch die erreichen, die nicht zum Fachpublikum zählen, erinnerte Christina Weiss:
"Martin Warnke schreibt unglaublich fesselnd mit seiner ganz eigenen, zwischen Ernst und augenzwinkernd schwankender Bildhaftigkeit, die das Verständnis fördert, den Geist fordert, aber auch begeistert und beglückt. Seine Argumente polarisieren, werben um den Leser, ziehen ihn von Absatz zu Absatz tiefer in ein Gedankengebäude das ihm sehr bald als sein eigenes erscheinen kann, da es so überzeugend gegründet ist."
In ihrem 30. Jahr des Bestehens rückt die Gerda Henkel Stiftung mit ihrem 100.000-Euro-Preis in die erste Reihe der gewichtigen Wissenschaftsauszeichnungen. Ein Kaliber, das sonst nur im natur- und technikwissenschaftlichen Forschungsmilieu erwartet wird. Bislang wurden in den drei zurückliegenden Dezennien rund 4.000 Forschungsarbeiten mit über 60 Millionen Euro Unterstützung begleitet. Zum Jubiläum hat sich die Jury unter 211 Nominierungen aus 18 Ländern einstimmig für Martin Warnke entschieden, der, so steht es in der Begründung, "durch die Originalität seiner kunstgeschichtlichen Forschungen, die Breite seiner fachlichen Interessen und die Nachhaltigkeit seines Wirkens überzeugt."
Lord Ralph Dahrendorf: "Wir wollten einen Preisträger auf der Höhe der Schaffenskraft. Ein bisschen Schwierigkeiten hatten wir mit der Sprache. Es handelt sich um einen internationalen Preis. Demnach schien uns für dieses Mal die Beschränkung auf einen historischen Geisteswissenschaftler deutscher Sprache angebracht."