Die Gehörlosenregisseurin
Michaela Caspar inszeniert gerade in Berlin "Medea" - allerdings mit gehörlosen Schauspielern. Für das hörende Publikum werden die Gebärdendialoge untertitelt. Die Regisseurin selbst ist seit einem schweren Hörsturz auf einem Ohr taub.
"Man kann zusammen Theater machen. Hörende und Gehörlose können zusammen spielen. Und wenn sie spielen, wenn sie die Vorstellung spielen. dass sie das mit einer solchen Kraft machen, das finde ich fantastisch."
Michaela Caspar sitzt in der dritten Reihe. In Pullover und bequemer Hose. 15 Jugendliche gehen, schreiten, rennen vor ihr über die quadratische Bühne. Wer seinen Text gesagt oder gebärdet hat, stampft kräftig mit dem Fuß auf den Boden. Ein Ersatz für Stichworte. Die Hälfte der Schauspieler ist gehörlos oder taub. Und Stampfen ist ganz üblich in der Taubenkultur.
"Wenn jemand mit jemandem sprechen möchte und der schaut nicht hin, dann wird gestampft, dann überträgt sich diese Vibration auf dem Fußboden und dann dreht der sich um und dann kann man miteinander gebärden und kommunizieren. Also wir benutzen das rein funktional, aber auch als Mittel. Es ist ein schönes musikalisches Mittel, rhythmisches Mittel."
Stampfen statt Stichwort. Fühlen statt lauschen. Sehen statt hören. Theater mit und für Gehörlose funktioniert anders. Michaela Caspar muss sich in die Wahrnehmung von Tauben hineinversetzen.
"Ich find´s, dass es 'ne bildhafte Arbeit ist, viel visuell, viel mit Bildern, viel Bewegung im Raum, Körper im Raum, hat was damit zu tun, dass ich mir vorstelle, wie Gehörlose rezipieren. Über Bilder."
Für diese Regiearbeit braucht die 52-Jährige ihre ganze Berufserfahrung. Als Fotografin, als Schauspielerin, als Regisseurin. Geboren ist sie in Weil am Rhein, im Dreiländereck zu Frankreich und der Schweiz. Als Kind zieht sie mit den Eltern nach Berlin, sie will Schauspielerin werden.
"Da ich ein sehr wüstes Temperament damals hatte und auch sehr jähzornig war, da hat mein Vater gesagt – da passt du nicht hin, mach doch mal Fotografie und dann guckst du noch mal."
Michael Caspar lernt Fotografie, macht Reportagen in Kolumbien oder produziert Multimediashows. Aber das Theater lockt. Sie macht eine Regie-Hospitanz in München, lernt Schauspiel und spielt auf Bühnen in Regensburg, Salzburg, Frankfurt/ Oder, Cottbus und Berlin. Daneben lernt sie singen.
Sie singt Pop, Avantgarde, Chansons, Musicals, Opern.
"Dann kam improvisierte Musik, Free Jazz und neue Musik."
Und dann passiert es: Im Jahr 2000. Nach einer stressigen Spielzeit am Theater - ein Hörsturz!
"Na, ich habe einen Tinnitus, einen starken gekriegt, und hab auf einmal dieses Wahnsinnsrauschen gehabt. Dann bin ich ins Krankenhaus, dann haben die versucht Medikamente dagegen zu geben. Das ist aber nicht reparabel."
Auf dem rechten Ohr ist sie seitdem stocktaub. Und mit dem halben Gehör kann sie ihre Singstimme nicht mehr ausreichend kontrollieren.
"Ich intoniere dann sehr schlecht und das ist mir dann auch mehrfach gesagt worden, und dann hab ich´s gelassen. Das hat mir schon was ausgemacht."
Nach wie vor arbeitet sie als Schauspielerin. Auf der Bühne oder vor der Kamera, wie zuletzt für einen Tatort. Die Kollegen nehmen Rücksicht, wenn sie mal ein Stichwort verpasst. Dass sie nun mit Gehörlosen Theaterstücke inszeniert, war Zufall, sagt Michaela Caspar:
"Ich wollte gerne was Multikulturelles machen, auch mit mehreren Sprachen, und dann ist das mit dazugekommen. Und dann war der direkte Bezug für mich auch da. Zu sagen, was ist, wenn dem zweiten Ohr auch noch was passiert. Wo kann man dann arbeiten. Was gibt’s da eigentlich, wie sieht diese Welt aus?"
Bei den Proben ist ständig eine Dolmetscherin dabei. Michaela Caspar sagt ihr eine Regieanweisung, die Dolmetscherin gebärdet für die Gehörlosen. Nach Wedekinds "Frühlingserwachen!" ist die antike Tragödie "Medea" jetzt die zweite Inszenierung. Sprache und Gebärdensprache werden parallel eingesetzt, vermischt, wechseln sich ab. Gebärdenmonologe werden auf einer Videoleinwand untertitelt. Die Stücke werden von Tauben und von Hörenden gemacht und verstanden.
"Das ist für ein Nischenpublikum, das sich für sowas interessiert. Für'n Versuch – zweisprachige Theaterform zu finden. Mit einer Sprache, die im Raum ist, und einer Sprache, die aus dem Körper rauskommt."
Auf der Bühne greifen beide Kulturen ineinander. Genauso innerhalb des Ensembles. Für die Gehörlosen, die meist in Hilfsberufen landen – bietet sich eine andere berufliche Perspektive.
"Im Prinzip könnten wir jetzt ne Seite machen auf unserer Website, mit Portraits von allen und sie sagen an, dass sie sich als Schauspieler anbieten, dass sie vielleicht auch mal irgendwo anders mitspielen, vielleicht auch mal im Fernsehen."
Michaela Caspar hat durch diese Arbeit ein wenig Gebärdensprache gelernt. Aber dass sie einmal darauf angewiesen sein könnte, falls ihr zweites Ohr versagt, daran denkt sie nur ungern.
"Ich bin ja sehr in der hörenden Kultur verwachsen, ich bin Schauspielerin, ich arbeite mit Sprache. Natürlich wäre das für mich ein Horror. Glaube ich."
Michaela Caspar sitzt in der dritten Reihe. In Pullover und bequemer Hose. 15 Jugendliche gehen, schreiten, rennen vor ihr über die quadratische Bühne. Wer seinen Text gesagt oder gebärdet hat, stampft kräftig mit dem Fuß auf den Boden. Ein Ersatz für Stichworte. Die Hälfte der Schauspieler ist gehörlos oder taub. Und Stampfen ist ganz üblich in der Taubenkultur.
"Wenn jemand mit jemandem sprechen möchte und der schaut nicht hin, dann wird gestampft, dann überträgt sich diese Vibration auf dem Fußboden und dann dreht der sich um und dann kann man miteinander gebärden und kommunizieren. Also wir benutzen das rein funktional, aber auch als Mittel. Es ist ein schönes musikalisches Mittel, rhythmisches Mittel."
Stampfen statt Stichwort. Fühlen statt lauschen. Sehen statt hören. Theater mit und für Gehörlose funktioniert anders. Michaela Caspar muss sich in die Wahrnehmung von Tauben hineinversetzen.
"Ich find´s, dass es 'ne bildhafte Arbeit ist, viel visuell, viel mit Bildern, viel Bewegung im Raum, Körper im Raum, hat was damit zu tun, dass ich mir vorstelle, wie Gehörlose rezipieren. Über Bilder."
Für diese Regiearbeit braucht die 52-Jährige ihre ganze Berufserfahrung. Als Fotografin, als Schauspielerin, als Regisseurin. Geboren ist sie in Weil am Rhein, im Dreiländereck zu Frankreich und der Schweiz. Als Kind zieht sie mit den Eltern nach Berlin, sie will Schauspielerin werden.
"Da ich ein sehr wüstes Temperament damals hatte und auch sehr jähzornig war, da hat mein Vater gesagt – da passt du nicht hin, mach doch mal Fotografie und dann guckst du noch mal."
Michael Caspar lernt Fotografie, macht Reportagen in Kolumbien oder produziert Multimediashows. Aber das Theater lockt. Sie macht eine Regie-Hospitanz in München, lernt Schauspiel und spielt auf Bühnen in Regensburg, Salzburg, Frankfurt/ Oder, Cottbus und Berlin. Daneben lernt sie singen.
Sie singt Pop, Avantgarde, Chansons, Musicals, Opern.
"Dann kam improvisierte Musik, Free Jazz und neue Musik."
Und dann passiert es: Im Jahr 2000. Nach einer stressigen Spielzeit am Theater - ein Hörsturz!
"Na, ich habe einen Tinnitus, einen starken gekriegt, und hab auf einmal dieses Wahnsinnsrauschen gehabt. Dann bin ich ins Krankenhaus, dann haben die versucht Medikamente dagegen zu geben. Das ist aber nicht reparabel."
Auf dem rechten Ohr ist sie seitdem stocktaub. Und mit dem halben Gehör kann sie ihre Singstimme nicht mehr ausreichend kontrollieren.
"Ich intoniere dann sehr schlecht und das ist mir dann auch mehrfach gesagt worden, und dann hab ich´s gelassen. Das hat mir schon was ausgemacht."
Nach wie vor arbeitet sie als Schauspielerin. Auf der Bühne oder vor der Kamera, wie zuletzt für einen Tatort. Die Kollegen nehmen Rücksicht, wenn sie mal ein Stichwort verpasst. Dass sie nun mit Gehörlosen Theaterstücke inszeniert, war Zufall, sagt Michaela Caspar:
"Ich wollte gerne was Multikulturelles machen, auch mit mehreren Sprachen, und dann ist das mit dazugekommen. Und dann war der direkte Bezug für mich auch da. Zu sagen, was ist, wenn dem zweiten Ohr auch noch was passiert. Wo kann man dann arbeiten. Was gibt’s da eigentlich, wie sieht diese Welt aus?"
Bei den Proben ist ständig eine Dolmetscherin dabei. Michaela Caspar sagt ihr eine Regieanweisung, die Dolmetscherin gebärdet für die Gehörlosen. Nach Wedekinds "Frühlingserwachen!" ist die antike Tragödie "Medea" jetzt die zweite Inszenierung. Sprache und Gebärdensprache werden parallel eingesetzt, vermischt, wechseln sich ab. Gebärdenmonologe werden auf einer Videoleinwand untertitelt. Die Stücke werden von Tauben und von Hörenden gemacht und verstanden.
"Das ist für ein Nischenpublikum, das sich für sowas interessiert. Für'n Versuch – zweisprachige Theaterform zu finden. Mit einer Sprache, die im Raum ist, und einer Sprache, die aus dem Körper rauskommt."
Auf der Bühne greifen beide Kulturen ineinander. Genauso innerhalb des Ensembles. Für die Gehörlosen, die meist in Hilfsberufen landen – bietet sich eine andere berufliche Perspektive.
"Im Prinzip könnten wir jetzt ne Seite machen auf unserer Website, mit Portraits von allen und sie sagen an, dass sie sich als Schauspieler anbieten, dass sie vielleicht auch mal irgendwo anders mitspielen, vielleicht auch mal im Fernsehen."
Michaela Caspar hat durch diese Arbeit ein wenig Gebärdensprache gelernt. Aber dass sie einmal darauf angewiesen sein könnte, falls ihr zweites Ohr versagt, daran denkt sie nur ungern.
"Ich bin ja sehr in der hörenden Kultur verwachsen, ich bin Schauspielerin, ich arbeite mit Sprache. Natürlich wäre das für mich ein Horror. Glaube ich."