"Die Gemeinsamkeit ist weg"
Seit mit dem politischen Boykott der Fußball-EM in der Ukraine gedroht wird, herrsche in Polen eine gewisse Verunsicherung über die Beziehungen zum zweiten Gastgeberland, sagt der Publizist Janusz Tycner. Dass es mit der Ukraine nur noch wenige Gemeinsamkeiten gibt, liege aber auch an der polnischen Ostpolitik.
Liane von Billerbeck: Eine Fußball-Europameisterschaft, die nicht nur ein sportlicher Höhepunkt, sondern auch ein politisches Projekt sein sollte - das war die Idee, als man sie an Polen und die Ukraine vergab. Doch von dem Projekt ist wenig übrig: Die einstige ukrainische Ministerpräsidentin Timoschenko ist wegen mutmaßlicher Misshandlungen in einen Hungerstreik getreten, es hat in der Ukraine Anschläge auf Gasleitungen gegeben, deutsche Politiker und Politiker der europäischen Union erwägen einen Boykott der Spiele – zumindest der, die in der Ukraine stattfinden.
Wie blickt man nun im Nachbarland Polen auf das, was da gerade passiert mit der Ukraine und mit der Reputation des EM-Turniers. Darüber habe ich kurz vor unserer Sendung mit dem bekannten polnischen Publizisten Janusz Tycner gesprochen. Schönen guten Morgen!
Janusz Tycner: Guten Morgen!
von Billerbeck: Eine ehemalige Ministerpräsidentin, Julija Timoschenko, im Hungerstreik – wie wird denn die Lage in der Ukraine im Nachbarland Polen diskutiert?
Tycner: Na, in Polen herrscht, würde ich sagen, zunehmend eine gewisse Verunsicherung und Orientierungslosigkeit. Wir hatten ja am Wochenende eine ganze Reihe von Aufrufen italienischer Politiker – was Sie erwähnt haben – zum Boykott der Spiele, zum Nichterscheinen der führenden Politiker, vielleicht zur Verlegung auch des ukrainischen Teils in ein anderes Land, vielleicht Polen, vielleicht woanders. Es fehlt auch gewiss ein Machtwort seitens des Fußball-Verbandes UEFA, das steht noch aus, und deswegen fragt man sich, wie wird es weitergehen. Ja, ich kann nur sagen, eine gewisse Verunsicherung macht sich bemerkbar.
von Billerbeck: Macht das die Polen wütend, was da gerade läuft, also auf die Ukraine oder auf diejenigen, die da mit Boykott drohen?
Tycner: Na, ich glaube, es ist geteilt. Erst mal, man ist etwas sprachlos und überrascht, denn das Ganze kam plötzlich hoch und die ganze Entwicklung der Situation in der Ukraine ist ja nicht neu, denn Frau Timoschenko ist ja schon im Oktober letzten Jahres verurteilt worden. Übrigens muss man sagen, sie wird natürlich hochstilisiert, fast schon in der, vor allem in der deutschen Presse zu einer – ja ...
von Billerbeck: Ikone?
Tycner: ... zu einer gewissen Ikone, zu einem – fast schon wie die birmanische Friedensnobelpreisträgerin, die da um die Freiheit ihres Landes kämpft ... so ist das nicht, ich mag nicht im Detail einschätzen, wie weit sich Frau Timoschenko schuldig gemacht hat, aber natürlich, es ist eine Politikerin, die selbst mit harten Bandagen gekämpft hat, die selbst diese Bräuche, die in der Ukraine nun mal üblich sind, angewendet hat, die ein riesiges Vermögen angehäuft hat in ihrer Zeit als Ministerpräsidentin. Das alles ist eine etwas zwielichtige Geschichte.
Dennoch, man muss klar sagen, jeder soll vernünftig und anständig im Gefängnis behandelt werden, das steht außer Frage. Nur hier, diese Hochstilisierung von Frau Timoschenko zu einer Friedens- und Demokratie-Vorkämpferin ist vielleicht – wird mit einer gewissen Reserve gesehen, das muss man sagen.
von Billerbeck: Nun reden wir ja immer über Politik, es ging ja eigentlich um Sport, der verbinden sollte zwei Länder: Polen und die Ukraine, die traditionell miteinander verbunden sind. Wie wichtig ist denn dieses Turnier in Polen?
Tycner: Na, zwei große Projekte wurden damit verbunden: Erstens ein zivilisatorischer Sprung, den Polen machen sollte durch die vielen Investitionen in der Infrastruktur, Straßenbau, Eisenbahnerneuerung, Stadienbau, Hotels und so weiter, und zweitens natürlich dieses internationale Projekt, die Heranziehung der Ukraine an die Europäische Union, an die NATO, durch dieses Projekt. Beides, muss man sagen, ist nicht gelungen. Die Stadien in Polen sind gebaut, aber dieses zivilisatorische Projekt ist so nicht verwirklicht worden, es fehlen eine ganze Reihe von Autobahn-Teilstücken, die Eisenbahn ist in einer nicht guten Verfassung.
Hotels werden wohl genügend da sein, aber die Regierung Donald Tusk hat hier den Mund sehr voll genommen, sehr viel versprochen, und sie wird jetzt von der Opposition festgenagelt, weil vieles nicht verwirklicht worden ist, sondern es hat sich herausgestellt, nur mit gutem Willen und mit guter Propaganda und Public Relations lassen sich Autobahnen eben nicht bauen, was die Regierung Tusk nun sehr schmerzhaft zu spüren bekommt. Dennoch, die Europameisterschaft wird stattfinden in Polen, aber sie wird nicht diesen erhofften Sprung nach vorne bringen, wie das geplant war.
von Billerbeck: Das heißt kurz zusammengefasst, in Polen überwiegt die Ernüchterung?
Tycner: Ich würde sagen ja. Außerdem, sehen Sie, wir haben ja die Spiele der Gruppen, die bei uns stattfinden, finden überwiegend mit Ländern statt, die selbst von der Krise gezeichnet sind, das sind Spanien, das ist Griechenland, das ist teilweise auch Russland, also von dort ist nicht zu erhoffen, dass jetzt die Massen kommen aufgrund eben der wirtschaftlichen Situation.
Ich glaube, wenn man dann einen Kassensturz machen wird, könnte es so aussehen, dass Polen eher draufgezahlt hat als dass es Gewinn gemacht hat, aber das müssen wir erst mal abwarten.
von Billerbeck: Nun war aber die Bewerbung um die EM und auch die Entscheidung für Polen und die Ukraine doch eine Idee, die dem Geist der Gemeinsamkeit zwischen den beiden Ländern entsprungen sein muss. Und wenn man sieht, dass es ja doch enge Verflechtungen historischerseits zwischen Ihnen beiden, zwischen den beiden Ländern gibt, dann hätte das doch eigentlich klappen können. Wie hat sich denn nun die Lage seit der Bewerbung entwickelt zwischen Polen und der Ukraine?
Tycner: Sie hat sich grundlegend geändert: In der Ukraine hatte sich herausgestellt, dass die Demokratisierung, dass die Einführung von vernünftigen demokratischen Standards sehr schwierig ist. Das Land durchlebte eine ganze Reihe von schweren politischen Krisen und Auseinandersetzungen, die ukrainische Politik ist sehr verwirrend und für Außenstehende sehr schwer überblickbar.
Tatsache ist, große, hohe Korruption, Probleme mit der Rechtsstaatlichkeit auf jeden Fall, obwohl die Ukraine auf keinen Fall eine Diktatur ist, vergleichbar mit Weißrussland. Auf der anderen Seite eine völlige Veränderung der polnischen Ostpolitik nach dem Ende der Amtsperiode des Staatspräsidenten Aleksander Kwasniewski und nach dem plötzlichen Tod seines Nachfolgers Lech Kaczynski hat nun die neue Mannschaft – das begann schon mit der Amtsübernahme durch Donald Tusk im Jahre 2007, und dann durch Bronislaw Komorowski, den Staatspräsidenten 2010 – eine völlige Wende der polnischen Ostpolitik stattgefunden, ein eindeutiges Setzen auf Russland und auf Deutschland, eine völlige Zurückziehung aus der Ostpolitik, aus dem Versuch, eine gewisse Position Polens aufzubauen auf der regionalen Zusammenarbeit.
Das war sehr schwierig, aber doch der Versuch, damit Polen mehr Gewicht im Weimarer Dreieck, in der EU zu verleihen. Polen hat sich völlig zurückgezogen, die Ukraine ist heute ein Nebenschauplatz der polnischen Außenpolitik, und das führt auch dazu, dass wir heute eine Europa-Fußball-Meisterschaft haben in zwei Ländern, die völlig separat das Ganze sehen. Die Gemeinsamkeit ist weg, und das ist auch ein Teil, ich würde sagen, einer verhängnisvollen Wende, die Donald Tusk und der Staatspräsident Komorowski vollzogen haben, einer problemlosen Politik im Fahrwasser der Hauptströmung der EU schwimmend, einfach die Ostpolitik auf Russland eindeutig zu beschränken.
von Billerbeck: Aber das war ja im Jahr 2000 und kurz danach anders: Da ist Präsident Kwasniewski ja quasi alle acht Wochen in Kiew gewesen. Wie werden sich denn die polnisch-ukrainischen Beziehungen jetzt entwickeln auf der Basis der Lage, die Sie eben geschildert haben?
Tycner: Ja, das ist auch – Polen war sehr aktiv, ich darf daran erinnern, sein Nachfolger Lech Kaczynski ist nach Tbilissi mit seinen Kollegen aus den ost- und mitteleuropäischen Ländern geflogen, als Georgien wirklich sich in einer sehr brenzligen Situation befand. Das waren die Höhepunkte der polnischen Ostpolitik, genau so das Wirken Kwasniewskis.
Heute muss man sagen, ja, das ist eine gewisse Beliebigkeit, das ist ein gewisses Nebeneinander. Die polnische Politik hat auch unter Außenminister Sikorski weitgehend kapituliert. Man sagt, die könne ja sowieso nichts, außerdem, unser Hauptpartner ist Russland, und das ist natürlich gefährlich, denn mit diesen Boykottaufrufen, mit auch der Verabschiedung der polnischen Politik aus dem Raum zwischen Russland und Polen, diesem ganzen großen Streifen, wird eine Situation, könnte eine Situation herbeigeführt werden, dass die Ukraine noch mehr Russland überlassen wird und eigentlich alle am Ende einsehen, gut, das ist sowieso ein Zuständigkeitsbereich Putins, was haben wir da zu suchen, alles ist sehr kompliziert, alles unübersichtlich – wozu diese Mühe. Und leider muss man sagen, die polnische Politik hat hier einen verhängnisvollen Beitrag dazu geleistet in den letzten vier bis drei Jahren.
von Billerbeck: Einschätzungen waren das von dem polnischen Publizisten Janusz Tycner. Ganz herzlichen Dank!
Tycner: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Wie blickt man nun im Nachbarland Polen auf das, was da gerade passiert mit der Ukraine und mit der Reputation des EM-Turniers. Darüber habe ich kurz vor unserer Sendung mit dem bekannten polnischen Publizisten Janusz Tycner gesprochen. Schönen guten Morgen!
Janusz Tycner: Guten Morgen!
von Billerbeck: Eine ehemalige Ministerpräsidentin, Julija Timoschenko, im Hungerstreik – wie wird denn die Lage in der Ukraine im Nachbarland Polen diskutiert?
Tycner: Na, in Polen herrscht, würde ich sagen, zunehmend eine gewisse Verunsicherung und Orientierungslosigkeit. Wir hatten ja am Wochenende eine ganze Reihe von Aufrufen italienischer Politiker – was Sie erwähnt haben – zum Boykott der Spiele, zum Nichterscheinen der führenden Politiker, vielleicht zur Verlegung auch des ukrainischen Teils in ein anderes Land, vielleicht Polen, vielleicht woanders. Es fehlt auch gewiss ein Machtwort seitens des Fußball-Verbandes UEFA, das steht noch aus, und deswegen fragt man sich, wie wird es weitergehen. Ja, ich kann nur sagen, eine gewisse Verunsicherung macht sich bemerkbar.
von Billerbeck: Macht das die Polen wütend, was da gerade läuft, also auf die Ukraine oder auf diejenigen, die da mit Boykott drohen?
Tycner: Na, ich glaube, es ist geteilt. Erst mal, man ist etwas sprachlos und überrascht, denn das Ganze kam plötzlich hoch und die ganze Entwicklung der Situation in der Ukraine ist ja nicht neu, denn Frau Timoschenko ist ja schon im Oktober letzten Jahres verurteilt worden. Übrigens muss man sagen, sie wird natürlich hochstilisiert, fast schon in der, vor allem in der deutschen Presse zu einer – ja ...
von Billerbeck: Ikone?
Tycner: ... zu einer gewissen Ikone, zu einem – fast schon wie die birmanische Friedensnobelpreisträgerin, die da um die Freiheit ihres Landes kämpft ... so ist das nicht, ich mag nicht im Detail einschätzen, wie weit sich Frau Timoschenko schuldig gemacht hat, aber natürlich, es ist eine Politikerin, die selbst mit harten Bandagen gekämpft hat, die selbst diese Bräuche, die in der Ukraine nun mal üblich sind, angewendet hat, die ein riesiges Vermögen angehäuft hat in ihrer Zeit als Ministerpräsidentin. Das alles ist eine etwas zwielichtige Geschichte.
Dennoch, man muss klar sagen, jeder soll vernünftig und anständig im Gefängnis behandelt werden, das steht außer Frage. Nur hier, diese Hochstilisierung von Frau Timoschenko zu einer Friedens- und Demokratie-Vorkämpferin ist vielleicht – wird mit einer gewissen Reserve gesehen, das muss man sagen.
von Billerbeck: Nun reden wir ja immer über Politik, es ging ja eigentlich um Sport, der verbinden sollte zwei Länder: Polen und die Ukraine, die traditionell miteinander verbunden sind. Wie wichtig ist denn dieses Turnier in Polen?
Tycner: Na, zwei große Projekte wurden damit verbunden: Erstens ein zivilisatorischer Sprung, den Polen machen sollte durch die vielen Investitionen in der Infrastruktur, Straßenbau, Eisenbahnerneuerung, Stadienbau, Hotels und so weiter, und zweitens natürlich dieses internationale Projekt, die Heranziehung der Ukraine an die Europäische Union, an die NATO, durch dieses Projekt. Beides, muss man sagen, ist nicht gelungen. Die Stadien in Polen sind gebaut, aber dieses zivilisatorische Projekt ist so nicht verwirklicht worden, es fehlen eine ganze Reihe von Autobahn-Teilstücken, die Eisenbahn ist in einer nicht guten Verfassung.
Hotels werden wohl genügend da sein, aber die Regierung Donald Tusk hat hier den Mund sehr voll genommen, sehr viel versprochen, und sie wird jetzt von der Opposition festgenagelt, weil vieles nicht verwirklicht worden ist, sondern es hat sich herausgestellt, nur mit gutem Willen und mit guter Propaganda und Public Relations lassen sich Autobahnen eben nicht bauen, was die Regierung Tusk nun sehr schmerzhaft zu spüren bekommt. Dennoch, die Europameisterschaft wird stattfinden in Polen, aber sie wird nicht diesen erhofften Sprung nach vorne bringen, wie das geplant war.
von Billerbeck: Das heißt kurz zusammengefasst, in Polen überwiegt die Ernüchterung?
Tycner: Ich würde sagen ja. Außerdem, sehen Sie, wir haben ja die Spiele der Gruppen, die bei uns stattfinden, finden überwiegend mit Ländern statt, die selbst von der Krise gezeichnet sind, das sind Spanien, das ist Griechenland, das ist teilweise auch Russland, also von dort ist nicht zu erhoffen, dass jetzt die Massen kommen aufgrund eben der wirtschaftlichen Situation.
Ich glaube, wenn man dann einen Kassensturz machen wird, könnte es so aussehen, dass Polen eher draufgezahlt hat als dass es Gewinn gemacht hat, aber das müssen wir erst mal abwarten.
von Billerbeck: Nun war aber die Bewerbung um die EM und auch die Entscheidung für Polen und die Ukraine doch eine Idee, die dem Geist der Gemeinsamkeit zwischen den beiden Ländern entsprungen sein muss. Und wenn man sieht, dass es ja doch enge Verflechtungen historischerseits zwischen Ihnen beiden, zwischen den beiden Ländern gibt, dann hätte das doch eigentlich klappen können. Wie hat sich denn nun die Lage seit der Bewerbung entwickelt zwischen Polen und der Ukraine?
Tycner: Sie hat sich grundlegend geändert: In der Ukraine hatte sich herausgestellt, dass die Demokratisierung, dass die Einführung von vernünftigen demokratischen Standards sehr schwierig ist. Das Land durchlebte eine ganze Reihe von schweren politischen Krisen und Auseinandersetzungen, die ukrainische Politik ist sehr verwirrend und für Außenstehende sehr schwer überblickbar.
Tatsache ist, große, hohe Korruption, Probleme mit der Rechtsstaatlichkeit auf jeden Fall, obwohl die Ukraine auf keinen Fall eine Diktatur ist, vergleichbar mit Weißrussland. Auf der anderen Seite eine völlige Veränderung der polnischen Ostpolitik nach dem Ende der Amtsperiode des Staatspräsidenten Aleksander Kwasniewski und nach dem plötzlichen Tod seines Nachfolgers Lech Kaczynski hat nun die neue Mannschaft – das begann schon mit der Amtsübernahme durch Donald Tusk im Jahre 2007, und dann durch Bronislaw Komorowski, den Staatspräsidenten 2010 – eine völlige Wende der polnischen Ostpolitik stattgefunden, ein eindeutiges Setzen auf Russland und auf Deutschland, eine völlige Zurückziehung aus der Ostpolitik, aus dem Versuch, eine gewisse Position Polens aufzubauen auf der regionalen Zusammenarbeit.
Das war sehr schwierig, aber doch der Versuch, damit Polen mehr Gewicht im Weimarer Dreieck, in der EU zu verleihen. Polen hat sich völlig zurückgezogen, die Ukraine ist heute ein Nebenschauplatz der polnischen Außenpolitik, und das führt auch dazu, dass wir heute eine Europa-Fußball-Meisterschaft haben in zwei Ländern, die völlig separat das Ganze sehen. Die Gemeinsamkeit ist weg, und das ist auch ein Teil, ich würde sagen, einer verhängnisvollen Wende, die Donald Tusk und der Staatspräsident Komorowski vollzogen haben, einer problemlosen Politik im Fahrwasser der Hauptströmung der EU schwimmend, einfach die Ostpolitik auf Russland eindeutig zu beschränken.
von Billerbeck: Aber das war ja im Jahr 2000 und kurz danach anders: Da ist Präsident Kwasniewski ja quasi alle acht Wochen in Kiew gewesen. Wie werden sich denn die polnisch-ukrainischen Beziehungen jetzt entwickeln auf der Basis der Lage, die Sie eben geschildert haben?
Tycner: Ja, das ist auch – Polen war sehr aktiv, ich darf daran erinnern, sein Nachfolger Lech Kaczynski ist nach Tbilissi mit seinen Kollegen aus den ost- und mitteleuropäischen Ländern geflogen, als Georgien wirklich sich in einer sehr brenzligen Situation befand. Das waren die Höhepunkte der polnischen Ostpolitik, genau so das Wirken Kwasniewskis.
Heute muss man sagen, ja, das ist eine gewisse Beliebigkeit, das ist ein gewisses Nebeneinander. Die polnische Politik hat auch unter Außenminister Sikorski weitgehend kapituliert. Man sagt, die könne ja sowieso nichts, außerdem, unser Hauptpartner ist Russland, und das ist natürlich gefährlich, denn mit diesen Boykottaufrufen, mit auch der Verabschiedung der polnischen Politik aus dem Raum zwischen Russland und Polen, diesem ganzen großen Streifen, wird eine Situation, könnte eine Situation herbeigeführt werden, dass die Ukraine noch mehr Russland überlassen wird und eigentlich alle am Ende einsehen, gut, das ist sowieso ein Zuständigkeitsbereich Putins, was haben wir da zu suchen, alles ist sehr kompliziert, alles unübersichtlich – wozu diese Mühe. Und leider muss man sagen, die polnische Politik hat hier einen verhängnisvollen Beitrag dazu geleistet in den letzten vier bis drei Jahren.
von Billerbeck: Einschätzungen waren das von dem polnischen Publizisten Janusz Tycner. Ganz herzlichen Dank!
Tycner: Vielen Dank!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.