Die gesamte Staatsgewalt in seiner Hand

Von Peter Hölzle |
Seine Ruhmsucht und seine Machtfülle sind legendär. Aber Ludwig XIV. war es, der das vor seiner Herrschaft mächtige Frankreich herunterwirtschaftete: Heute vor 375 Jahren wurde der Sonnenkönig geboren - und als er starb, warfen die Menschen Steine nach seinem Sarg.
Er tanzte leidenschaftlich gern - auch in Konkurrenz mit Berufstänzern vor großem Publikum. So in Lullys "Nachtballett", in dem er die aufgehende Sonne verkörperte. Daher der Beiname "Sonnenkönig". Ludwig XIV. machte ihm alle Ehre.

Der vor 375 Jahren, am 5. September 1638, geborene Monarch war das Glanzlicht Europas. Kein anderer zeitgenössischer Herrscher übertraf ihn an Prachtentfaltung, Ruhmsucht und raffinierter Selbstdarstellung, keiner an Arbeitswut, Skrupellosigkeit, Machtwillen und Machtfülle. Letztere stellte er früh unter Beweis.

Kaum war Kardinal Mazarin, der fast zwei Jahrzehnte die französische Politik gelenkt hatte, tot, zeigte der knapp 23-jährige Ludwig, der bis dahin vor allem als Schürzenjäger von sich reden gemacht hatte, plötzlich ganz andere Qualitäten. Seinen Ministern erklärte er:

"Meine Herren! Sie werden mich mit Ihrem Rat unterstützen, so oft ich Sie befrage. Ich verbiete Ihnen, das Geringste, selbst einen Pass, ohne meinen Befehl zu unterzeichnen."

Ludwig XIV. regierte von Stund an absolut. In seiner Hand lag die gesamte Staatsgewalt. Er war Gesetzgeber und höchster Richter, griff nach Belieben in Gerichtsverfahren ein, war oberster Kriegsherr eines stehenden Heeres und verwaltete sein Land wie auch dessen Wirtschaft straff zentralistisch. Dabei ließ er keinen Zweifel daran, woher er seine Allmacht bezog.

"Der, welcher den Menschen Könige gab, hat gewollt, dass man sie als seine Stellvertreter achte, indem er sich allein das Recht vorbehielt, ihr Verhalten zu prüfen. Sein Wille ist, dass ein jeder, der als Untertan geboren ist, ihm gehorche ohne Unterscheidung."

Sein Gottesgnadentum entzieht den Herrscher jeglicher irdischer Gerichtsbarkeit und verlangt vom Untertan bedingungslosen Gehorsam. Neben dieser sakralen Herrscherlegitimation pochte Ludwig XIV. aber auch auf eine säkulare.

"Frankreich ist ein monarchischer Staat in der ganzen Tragweite des Wortes; der König stellt innerhalb des Staates die gesamte Nation dar, und der Privatmann stellt nur ein einzelnes Individuum dar."

Das häufig zitierte, aber von Ludwig XIV. nicht verbürgte Wort "L’état c’est moi" findet hier seine Entsprechung. Die solchermaßen begründete absolutistische Staatsdoktrin diente, verbunden mit dem an Größenwahn grenzenden Personenkult des Bourbonen, den Fürsten seiner Zeit als Vorbild. Und da dieses Vorbild im Prunkschloss Versailles symbolischen Ausdruck fand, bauten sich selbst Duodezfürsten ihr eigenes "Versailles" - etwas kleiner zwar, für ihre Verhältnisse aber immer noch viel zu groß. Der Sonnenkönig setzte mit dieser Residenz vor den Toren von Paris ein über ganz Europa strahlendes Zeichen seiner Größe.

Darüber hinaus diente sie ihm aber auch als goldener Käfig, in dem er den Hochadel, der noch in des Königs Jugend gegen das Herrscherhaus revoltiert hatte, "gefangen" hielt. Das Hofleben jedenfalls war so organisiert, dass in Versailles präsent sein musste, wer in des Königs Gunst bleiben wollte. Wie es da zuging, beschreibt die Schwägerin Ludwigs XIV., Liselotte von der Pfalz:

"Zu Versailles hatten wir den ganzen Tag zu tun. Denn morgens bis um 3 (Uhr) nachmittags waren wir auf der Jagd. Danach, wann wir von der Jagd kommen, kleidete man sich anders an und gingen (wir) hinauf zum Spiel. Dort blieb man bis zum 7 (Uhr) abends. Von da ging man in die Komödie, welche um halb 11 aus war. Alsdann ging man zum Nachtessen, vom Nachtessen zum Ball, welcher bis 3 Uhr morgens währte, und dann zu Bett."

Seine Ruhmsucht kam den König freilich ungleich teurer zu stehen als seine höfische Verschwendungssucht. Die Eroberungskriege, die er führte, brach er primär zur Mehrung seiner "gloire" vom Zaun. Sie vor allem ruinierten die Finanzen des bei Ludwigs Regierungsantritt mächtigsten Staates in Europa. Von einem Übergewicht Frankreichs im europäischen Staatensystem konnte am Ende von Ludwigs Herrschaft keine Rede mehr sein.

An seine Stelle war ein Gleichgewicht der Großmächte getreten. Da wundert es nicht, dass bei seinem Tod am 1. September 1715 eine wütende Volksmenge Steine nach dem Sarg des Königs warf, dessen Sonne längst untergegangen war.