Buchtipp:
Der Schriftsteller Jurek Becker verfasste unzählige Postkarten, die gerade in einem Sammelband erschienen sind:
Jurek Becker: Am Strand von Bochum ist allerlei los
Suhrkamp Verlag, Berlin 2018
32 Euro
Die SMS des 19. Jahrhunderts
Die Grazer Kuratorin Eva Tropper glaubt an das Überleben der Postkarte. Die Historikerin erinnerte an deren bewegte Geschichte, denn nach ihrer Erfindung 1869 war sie zunächst ein wichtiges Alltagsmedium, auch um sich für den Abend zu verabreden.
Die Postkarte sei 1869 von oben eingeführt worden, sagte die Grazer Historikerin und Kuratorin Eva Tropper im Deutschlandfunk Kultur. Damals habe man eine kürzere Form der Kommunikation benötigt, die neben den Brief treten konnte. Verantwortlich dafür waren der deutsche Postreformer Heinrich von Stephan und der österreichische Nationalökonom Emanuel Herrmann.
Anfängliche Euphorie
"Es ist spannend, dass sich da die Argumentationen eigentlich ganz stark ähnelten", sagte Tropper. Zunächst habe es sich um ein Postformular gehandelt, das man am Postschalter kaufen konnte und die Hälfte des Briefportos kostete. Die Vorderseite trug am Anfang kein Bild und war die Seite für die Adresse. "Das Format ist immer wieder angepasst worden", sagte die Historikerin. Es sei aber zunächst deutlich kleiner gewesen.
"Die Neuheit dieses Mediums ist so stark wahrgenommen worden, es erinnert stark daran, wie heute soziale Medien als etwas völlig Neues erlebt werden", sagte Tropper über die anfängliche Euphorie und Revolutionierung des Kommunikationsverhaltens. Die Postkarte sei dem Bedürfnis entgegen gekommen Alltagskommunikation schnell abzuwickeln. Damals sei die Post in Großstädten wir Wien oder Berlin acht bis zehn Mal ins Haus gekommen, sodass man sich über die Postkarte für den Abend verabreden konnte.
Die Urlaubskarte
Die Bilder, die wir heute mit der Urlaubskarte verbinden, sei erst viel um einiges später 1897/1898 gekommen und hing mit neuen Druckverfahren zusammen. "Mit dieser neuen Ästhetik wird das Medium plötzlich als ganz etwas modernes und zeitgenössisches wahrgenommen." Die Abbildungen zeigten Landschaften und Städte, wobei es auch zum ersten Mal die Möglichkeit gab, die eigene Straße abzubilden.
Die Postkarte habe sich damals auch bei Reisen zunehmend durchgesetzt und diese oftmals dokumentiert. "Es gab sie überall, es gab sie an jeder Bahnstation, es gab sie in dem Kaffeehaus, es gab sie an jeder Aussichtsplattform."
Postkarte mit Zukunft
Trotz der sozialen Medien glaubt Tropper an das Überleben der Postkarte: "So wie jedes Mal, wenn sich ein Mediensystem insgesamt umstellt, muss sich auch die Postkarte einen neuen Platz suchen", sagte sie. Beim Aufkommen der Telefonie sei die Postkarte auch stärker touristisch geworden. (gem)