Thomas Savage: "Die Gewalt der Hunde"

Bruderzwist und Familiengeheimnisse in Montana

05:42 Minuten
Die Gewalt der Hunde von Thomas Savage
© btb

Thomas Savage

Aus dem Englischen von Thomas Gunkel

Die Gewalt der Hundebtb, München 2021

352 Seiten

12,00 Euro

Von Patrick Wellinski |
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Ein Bruderstreit eskaliert zum nahezu biblischen Konflikt. Thomas Savage erkundet in seinem wiederentdeckten und erstmals ins Deutsche übersetzten Western-Roman die Grenzen der modernen und traditionellen Maskulinität.
Die Kritik war begeistert, als 1967 der US-Schriftsteller Thomas Savage seinen fünften Roman „Die Gewalt der Hunde“ veröffentlichte. Mit Romanen wie „Lona Hanson“ (1948) oder „A Bargain With God“ (1953) hatte sich Savage bereits einen Namen gemacht.
Es sind Geschichten, die aus der Welt der Siedler im amerikanischen Westen der Vereinigten Staaten erzählten. Doch trotz der positiven Rezeption, gerieten Autor und Werk in Vergessenheit. Erst durch eine groß angelegte Wiederveröffentlichung von „Die Gewalt der Hunde“ im Jahr 2001 wurde Savage als eine der wichtigen Stimmen der US-Literatur des 20. Jahrhunderts anerkannt.

Brüderkonflikt in Montana

„Die Gewalt der Hunde“ erzählt von einem recht ungleichen Brüderpaar, das die Familienfarm in Montana zum Beginn der 1920er-Jahre betreiben. Phil ist der unangefochtene Anführer, während sein etwas simpel gestrickter Bruder George immer die zweite Geige spielt.
Doch das Machtverhältnis scheint sich zu ändern, als George sich in die alleinerziehende Witwe Rose verliebt und mit ihr und ihrem Teenagersohn Pete auf die Farm zieht. Für Phil werden Mutter und Sohn zu unerlaubten Eindringlingen, die nicht nur seinen Anführerstatus bedrohen, sondern auch ein tief in ihm schlummerndes Geheimnis langsam ans Licht befördern. Phil beschließt, die Ehe seines Bruders zu sabotieren. Er beginnt einen psychologischen Krieg, der einige Opfer fordert.

Mächtige, biblische Sprache

Savage navigiert zunächst gekonnt durch die Muster und Motive des klassischen Western-Romans. Das Leben auf der Farm wird äußerst detailliert beschrieben. Vor allem die Arbeit am Vieh. Über viele Zeilen wird die Kastration von Bullen beschrieben. Natürlich nicht wegen eines hohen dokumentarischen Anspruchs, sondern als ausgeklügeltes, sprachliches Bild.
Auch Phil wird sich bald kastriert führen, wenn ihm der Führungsanspruch entgleitet. Der ganze Roman bezieht seine sprachliche Spannung in erster Linie aus der Konfrontation der Westernwelt und vielen biblischen, vor allem alttestamentarischen Metaphern, die die Handlung mythisch überhöhen.

Neue und alte Männlichkeitsbilder

Wie für die Bücher von Savage üblich, besitzen Figuren, Orte und Geschichten einen größeren oder kleineren autobiografischen Bezug. Für „Die Gewalt der Hunde“ ist überliefert, dass vor allem die Figur der Rose an die Mutter von Savage erinnert, die selbst in eine Farmbesitzerfamilie eingeheiratet hat.
Dort begegnete Savage seinem frauenhassenden Stiefonkel Bill Brenner, der die Inspiration für die komplexeste Figur des Romans werden sollte: Phil Burbank. Dieser Phil ist ein wandernder Widerspruch.
Auf den ersten Blick ein Mann des 19. Jahrhunderts. Er ist hart im Umgang, ungepflegt, vulgär, folgt eher tierischen Instinkten, scheint von der Landschaft geformt zu sein. Doch Phil erweist sich auch als Ostküsten-Intellektueller, der an der Universität war, sehr musikalisch ist, Gedichte und Literatur kennt und sogar altgriechisch sprechen kann.
Langsam umkreist der Roman die Tatsache, dass Phils Rückgriff auf längst aus der Mode gekommene Männlichkeitsrituale nur von seiner eigenen Homosexualität ablenken soll. Sein Hass gegen die Liebe seines Bruders zu Rose und sein besonders harter Umgang mit dem jungen Pete erzeugen so einen tragischen Unterstrom.

Gefeierte Verfilmung

„Die Gewalt der Hunde“ erschien nun erstmals in deutscher Übersetzung. Das war längst überfällig, denn die Romane Savages demonstrieren eine sprachliche und erzählerische Wucht, die ihm einen festen Platz im Kanon der US-Literatur des 20. Jahrhunderts zuweisen.
Nicht zuletzt ist die Übersetzung ein Verdienst der neuseeländischen Regisseurin Jane Campion, die den Roman hochkarätig verfilmt hat. Sie gilt zudem derzeit als Oscaranwärterin. Ihr gelingt das Kunststück, den Geist des Romans in überwältigende Bilder zu packen und die vielen unterschiedlichen, komplexen Konfliktebenen des Romans nicht zu reduzieren, sondern sogar zu vertiefen.

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