Über die Wahrnehmung weiblicher Kunst
Weibliche Kunst wird anders gesehen und bewertet als Werke von Männern. Die Heldin in Siri Hustvedts neuem Roman "Die gleißende Welt" will das nicht hinnehmen. Ein Gespräch mit der US-Autorin über Gerechtigkeit in der Kunst und den Spaß, einen Intellektuellen-Roman zu schreiben.
"Die gleißende Welt" ist der Titel eines utopischen Romans von Lady Margaret Cavendish, die im 17. Jahrhundert als eine der ersten Frauen überhaupt unter ihrem eigenen Namen publizierte. Und so hat auch die US-Autorin Siri Hustvedt ihren neuen Roman genannt, denn die frühe Universalgelehrte Cavendish ist Vorbild und Idol von Hustvedts Protagonistin Harriet Burden.
Die ist Witwe eines einflussreichen New Yorker Galeristen. In der öffentlichen Wahrnehmung ist Harriet nicht mehr als die Frau an der Seite des berühmten Mannes, aber in Wahrheit hochtalentiert. Sie startet nach seinem Tod ein heimliches Experiment: eine Karriere als Installationskünstlerin, die sich hinter dem angeblichen Werk dreier männlicher "Masken" verbirgt. Doch der Faustische Handel schlägt fehl - einer dieser Maskenmänner, selbst ein bekannter Künstler, durchkreuzt ihr Rollenspiel und setzt sein eigenes dagegen, und es kommt zum Kampf zweier großer Geister.
Zweierlei Maß
Die Autorin sagte dazu: Es gehe vermutlich zu weit, bei der Wahrnehmung von männlicher und weiblicher Kunst in der Kategorie "gut" und "schlecht" zu denken. "Es gibt aber eine Wahrnehmungsrealität. Viele empirische Studien haben gezeigt, dass Essays oder Bilder sehr unterschiedlich wahrgenommen werden, wenn ein männlicher oder ein weiblicher Name darunter steht. Männliche Namen werden durchgehend besser bewertet als weibliche, wenn es sich um das gleiche Werk handelt. Die Leute sind sich darüber nicht bewusst, aber es passiert trotzdem."
Hustvedt kritisierte: "In den Kunstschulen sitzen zur Zeit mehr Frauen als Männer. Doch wenn man sich die oberen Etagen anguckt, dann haben die Männer es da weiter gebracht. Und wenn man sich anguckt, welche Preise sie für ihre Werke nehmen, dann ist das auch ein Rieseunterschied – die männlichen Werke werden viel teurer verkauft." Harriet, die Heldin des Romans, fordere Gerechtigkeit für sich und für ihre Kunst, doch eine solche Gerechtigkeit könne es nicht geben.
Quer durch die Geistesgeschichte
Hustvedt sagte weiter, es habe ihr zudem großen Spaß gemacht, mit dem als Textmontage angelegten "Die gleißende Welt" einen dezidierten Intellektuellen-Roman zu schreiben und von Hegel über Husserl bis zu Freud und den französischen Strukturalisten in zahlreichen Fußnoten und Briefauszügen die gesamte abendländische Geistesgeschichte zu zitieren.