Die Graswurzelrevolution
Neue Hoffnung für die Landwirtschaft in der Dritten Welt. Das Wissenschaftsmagazin "Science" berichtet in seiner neuesten Ausgabe vom 25. Juni über neue Gräser, die auch unter schwierigen Bedingungen reiche Ernte an Brotgetreide bringen.
Es ist schon eine faszinierende Idee, die die Pflanzenzüchter derzeit bewegt: Sie wollen unseren Weizen mit robusten, mehrjährigen Gräsern kreuzen. Von fern erinnert die Idee an eine Praxis, die bei unseren Obstbäumen schon seit Langem üblich ist: Man nehme als Unterlage, also als Stamm, eine stabile, winterharte Wildform und pfropfe dann ein Edelreis drauf. Im Falle der Gräser wird natürlich nichts gepfropft, die Sache ist züchterisch erheblich anspruchsvoller. Hier sollen verwandte Pflanzen gewissermaßen miteinander verschmolzen werden.
Profitieren soll davon vor allem die Dritte Welt. Die Chancen stehen diesmal gar nicht so schlecht. Mehrjährige Gräser haben enorme pflanzenbautechnische Vorteile: Da sie mehrere Jahre am Standort verbleiben, haben sie viel kräftigere, tiefere Wurzeln, was ihnen besseren Zugang zu den Nährstoffen im Boden verschafft. Dadurch geht nebenbei bemerkt auch weniger Stickstoff-Dünger ins Grundwasser. Die Einsparungen an Wasser sollen sogar bis zu 80 Prozent betragen – einerseits wegen des Wurzelwerks und andererseits wegen der längeren Bodenbedeckung.
Die meisten landwirtschaftlich genutzten Flächen auf dieser Erde sind für unsere Hochleistungssorten weniger geeignet. Die Böden sind zu trocken, zu nährstoffarm und meist auch noch erosionsgefährdet. Sie erlauben nur Weidewirtschaft aber keinen Anbau von Brotgetreide. Wenn es gelänge, diese tief wurzelnden Gräser mit mastigen Weizenähren auszustatten, dann erlauben auch trockene und magere Böden die Ernte von Brotgetreide.
Warum ist man nicht schon früher auf diesen Trichter gekommen? Ist man sehr wohl und zwar schon vor über einem halben Jahrhundert, vor allem in der Sowjetunion. Aber in den 60er-Jahren wurden die Projekte wieder aufgegeben, einfach deshalb, weil die damaligen Züchtungsmethoden an ihre Grenzen stießen. Inzwischen laufen auf vier Kontinenten neue Programme. Nicht nur Reis, Weizen, Hirse und Mais werden mit mehrjährigen Gräsern kombiniert, auch Bohnen und sogar Sonnenblumen sind in der Mache. Natürlich braucht man hier als Kreuzungspartner andere verwandte mehrjährige Arten. Erst die modernen Züchtungsmethoden, namentlich die Gentechnik, machten diese alte Vision zu einem realistischen Ziel.
Der wichtigste Kreuzungspartner für Weizen ist ein Gras namens Thinopyrum. Das wächst auch bei uns in manchen Gärten als Schmuckgras. In einigen Ländern wird es als Futterpflanze angebaut. Zudem hilft das Gras erosionsgefährdete Standorte zu sichern. Das Gras bringt wertvolle Resistenzgene gegen Krankheiten mit, die unsere Hochleistungssorten bedrohen, namentlich gegen den gefürchteten Schwarzrost. Einen deutschen Namen hat Thinopyrum noch keinen, die Amis nennen es Wheatgrass, also Weizengras. Doch der Begriff ist missverständlich. Bei uns wird er bereits für junge Weizenpflänzchen verwendet.
Es ist ein netter Brauch in unserer Gesellschaft stets zu fragen, ob mit dem Fortschritt auch Risiken verbunden sind. Die Risiken der Zukunft kenne ich nicht, aber wir können aus der Vergangenheit lernen. Und da gibt es bereits Nutzpflanzen, die eine unnatürliche Verbindung von zwei Gräsern darstellen. Aus der Kombination von Weizen mit Roggen entstand der Triticale. Um fruchtbares Saatgut zu gewinnen, braucht es schon ein paar rabiate technische und chemische Kunstgriffe. Triticale ist die Grundlage der Futtererzeugung – unserer hiesigen Biobauern. Wer hätte das gedacht?
Das größte Risiko tragen erkennbar jene Unternehmen, die die Landwirtschaft mit Saatgut, mit Dünger, mit Pestiziden und mit Maschinen beliefern. Davon wird man dann weniger benötigen. Aber ich bin mir sicher, dass die sich schon was Neues ausdenken werden. Mahlzeit!
Literatur
Glover JD et al: Increased food and ecosystem security via perennial grains. Science 2010; 328: 1638-1639
Glover JD, Reganold JP: Perennial grains – food security for the future. Issues in Science and Technology 2010; Winter: 41-47
Cox TS et al: Prospects for developing perennial grains crops. BioScience 2006; 56: 649-659
Li H, Wang X: Thinopyrum ponticum and Th. intermedium: the promising source of resistance to fungal and viral diseases of wheat. Journal of Genetics and Genomics 2009; 36: 557-565
Han FP et al: Characterization of six wheat x thinopyrum intermedium derivates by GISH, RFLP, and multicolor GISH. Genome 2003; 46: 490-495
Purfürst S et al: Thinopyrum-Arten als Donoren von Resistenzen gegen wichtige Pathogene im Winterweizen (Triticum aestivum L.). Julius-Kühn-Archiv 2009; 424: 16-17
Profitieren soll davon vor allem die Dritte Welt. Die Chancen stehen diesmal gar nicht so schlecht. Mehrjährige Gräser haben enorme pflanzenbautechnische Vorteile: Da sie mehrere Jahre am Standort verbleiben, haben sie viel kräftigere, tiefere Wurzeln, was ihnen besseren Zugang zu den Nährstoffen im Boden verschafft. Dadurch geht nebenbei bemerkt auch weniger Stickstoff-Dünger ins Grundwasser. Die Einsparungen an Wasser sollen sogar bis zu 80 Prozent betragen – einerseits wegen des Wurzelwerks und andererseits wegen der längeren Bodenbedeckung.
Die meisten landwirtschaftlich genutzten Flächen auf dieser Erde sind für unsere Hochleistungssorten weniger geeignet. Die Böden sind zu trocken, zu nährstoffarm und meist auch noch erosionsgefährdet. Sie erlauben nur Weidewirtschaft aber keinen Anbau von Brotgetreide. Wenn es gelänge, diese tief wurzelnden Gräser mit mastigen Weizenähren auszustatten, dann erlauben auch trockene und magere Böden die Ernte von Brotgetreide.
Warum ist man nicht schon früher auf diesen Trichter gekommen? Ist man sehr wohl und zwar schon vor über einem halben Jahrhundert, vor allem in der Sowjetunion. Aber in den 60er-Jahren wurden die Projekte wieder aufgegeben, einfach deshalb, weil die damaligen Züchtungsmethoden an ihre Grenzen stießen. Inzwischen laufen auf vier Kontinenten neue Programme. Nicht nur Reis, Weizen, Hirse und Mais werden mit mehrjährigen Gräsern kombiniert, auch Bohnen und sogar Sonnenblumen sind in der Mache. Natürlich braucht man hier als Kreuzungspartner andere verwandte mehrjährige Arten. Erst die modernen Züchtungsmethoden, namentlich die Gentechnik, machten diese alte Vision zu einem realistischen Ziel.
Der wichtigste Kreuzungspartner für Weizen ist ein Gras namens Thinopyrum. Das wächst auch bei uns in manchen Gärten als Schmuckgras. In einigen Ländern wird es als Futterpflanze angebaut. Zudem hilft das Gras erosionsgefährdete Standorte zu sichern. Das Gras bringt wertvolle Resistenzgene gegen Krankheiten mit, die unsere Hochleistungssorten bedrohen, namentlich gegen den gefürchteten Schwarzrost. Einen deutschen Namen hat Thinopyrum noch keinen, die Amis nennen es Wheatgrass, also Weizengras. Doch der Begriff ist missverständlich. Bei uns wird er bereits für junge Weizenpflänzchen verwendet.
Es ist ein netter Brauch in unserer Gesellschaft stets zu fragen, ob mit dem Fortschritt auch Risiken verbunden sind. Die Risiken der Zukunft kenne ich nicht, aber wir können aus der Vergangenheit lernen. Und da gibt es bereits Nutzpflanzen, die eine unnatürliche Verbindung von zwei Gräsern darstellen. Aus der Kombination von Weizen mit Roggen entstand der Triticale. Um fruchtbares Saatgut zu gewinnen, braucht es schon ein paar rabiate technische und chemische Kunstgriffe. Triticale ist die Grundlage der Futtererzeugung – unserer hiesigen Biobauern. Wer hätte das gedacht?
Das größte Risiko tragen erkennbar jene Unternehmen, die die Landwirtschaft mit Saatgut, mit Dünger, mit Pestiziden und mit Maschinen beliefern. Davon wird man dann weniger benötigen. Aber ich bin mir sicher, dass die sich schon was Neues ausdenken werden. Mahlzeit!
Literatur
Glover JD et al: Increased food and ecosystem security via perennial grains. Science 2010; 328: 1638-1639
Glover JD, Reganold JP: Perennial grains – food security for the future. Issues in Science and Technology 2010; Winter: 41-47
Cox TS et al: Prospects for developing perennial grains crops. BioScience 2006; 56: 649-659
Li H, Wang X: Thinopyrum ponticum and Th. intermedium: the promising source of resistance to fungal and viral diseases of wheat. Journal of Genetics and Genomics 2009; 36: 557-565
Han FP et al: Characterization of six wheat x thinopyrum intermedium derivates by GISH, RFLP, and multicolor GISH. Genome 2003; 46: 490-495
Purfürst S et al: Thinopyrum-Arten als Donoren von Resistenzen gegen wichtige Pathogene im Winterweizen (Triticum aestivum L.). Julius-Kühn-Archiv 2009; 424: 16-17