Die Grundlagen der Freiheit
Thomas Hobbes ist durch sein Hauptwerk "Leviathan" und seine Staatstheorie bekannt geworden. Darin zeigt er, dass nur ein starker Staat seine Bürger voreinander schützen und ihre Freiheiten garantieren kann. Dass Hobbes' allzu oft missverstanden und in die totalitäre Ecke gestellt wurde, zeigt kenntnisreich der britische Historiker Quentin Skinner, der betont, dass es Hobbes vor allem um die Bedingungen der menschlichen Freiheit ging.
Schon das dritte Buch über Thomas Hobbes in diesem Jahr. Quentin Skinner ist Experte in dieser Sache, keine Frage - aber was macht einen englischen Hauslehrer aus dem 17. Jahrhundert für heutige Leser so spannend? Thomas Hobbes ist d e r Sicherheitspolitiker unter den Staatsphilosophen, der Anwalt eines starken Staates, der seine Bürger wirksam schützt vor äußeren und inneren Feinden.
Im Zeitalter des Terrorismus wird Hobbes besonders gern zitiert. Vorzüglich von Politikern, die für Sicherheitsfragen zuständig sind. Wolfgang Schäuble hat letztes Jahr einen Artikel in der "ZEIT" verfasst: "Dein Staat, dein Freund, dein Helfer" - und beruft sich zuerst auf Thomas Hobbes.
Über staatliche Sicherheitspolitik denken Bürger nicht gerne nach, schon lieber über Freiheitsrechte. Quentin Skinner meint, Hobbes habe zwar lebenslang über das Thema "Staatsgewalt " gegrübelt, aber "Freiheit" sei ihm durchaus kein Fremdwort gewesen. Der Autor nimmt ein altes Klischee aufs Korn. Das Klischee, Hobbes Staatstheorie könne man auf eine Formel bringen, die da lautet "Sicherheit statt Freiheit". Ein so verstandener Thomas Hobbes wird gern mit Carl Schmitt in einem Atemzug genannt und kommt mit ihm zusammen in die totalitaristische Ecke.
Genau das will Skinner vermeiden. Wer meint, Thomas Hobbes sei ausschließlich vom Thema "Staatsgewalt" fasziniert, hat ihn niemals gründlich gelesen. Denn sein eigentliches und lebenslanges Interesse, davon ist Skinner überzeugt, galt der Sache der menschlichen Freiheit. Was sind die Bedingungen der Möglichkeit dafür, dass Bürger ihre möglichen Freiheiten tatsächlich verwirklichen können? Das habe sich Hobbes immer wieder gefragt, und nur aus diesem Grund komme er überhaupt auf das Thema "Sicherheit" zu sprechen. Denn nur wer Leib und Leben vom Staat hinreichend beschützt weiß, kann sich auch seiner Freiheiten freuen.
Die gibt es nach Hobbesscher Theorie in jedem bürgerlichen Staat genug. Alles, was das Gesetz nicht verbietet, ist erlaubt. Mehr noch. Ein Bürger hat sogar die Freiheit, gegen das Gesetz zu verstoßen, er muss nur eben die Konsequenzen in Kauf nehmen. In dieser Sache allerdings plädiert Hobbes für harte Strafen. Abschreckung ist alles. Und Prävention.
Die sensiblen Themen moderner Sicherheitspolitik, zum Beispiel "elektronische Fußfesseln für Gewaltverbrecher" oder "Sicherheitsverwahrung für Terroristen" kann man auf der Folie der Hobbesschen Staatsphilosophie durchaus sachlich diskutieren.
Quentin Skinner erinnert uns an Hobbes' pessimistische Anthropologie. Das ist einer, der denkt nicht gut vom Menschen. Homo homini lupus. "Bei einigen edelmütigen Naturen", so Hobbes, könne man zwar damit rechnen, "dass sie die Gesetze aus Stolz einhalten", aber die Masse Mensch sei auf "Reichtum, Befehlsgewalt und sinnliches Vergnügen" bedacht und kenne nur einen triftigen Grund, sich gesetzestreu zu verhalten - die Furcht vor Strafe. Je härter der Strafkatalog, umso größer die Furcht, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass man vom Verbrechen die Finger lässt.
Skinner zeigt in vier Aufsätzen, wie sich die Freiheitstheorie des Thomas Hobbes entwickelt hat. Von "The Elements of Law", erschienen 1640, bis hin zum "Leviathan" von 1651, dem Werk, mit dem Thomas Hobbes berühmt geworden ist. Laut Skinner "das größte, vielleicht einzige Werk der politischen Philosophie, das in englischer Sprache geschrieben wurde", für den Autor d a s rechtsphilosophische Fundament jedes modernen, liberalen Staates.
Auch das vorliegende Buch wurde ursprünglich in Englisch verfasst. Karin Wördemann hat gut lesbar und sachkundig übersetzt.
Dieses Buch ist keine Einführung in das Werk von Thomas Hobbes. Darauf weist Skinner im Vorwort ausdrücklich hin, sein Vortrags-Publikum im Frankfurter Institut für Sozialforschung waren Fortgeschrittene in Sachen Staatsphilosophie. Wer auch zu diesen Fortgeschrittenen gehört, liest dieses Buch mit Gewinn. Der Londoner Professor kennt Hobbes und dessen Zeit wie seine Westentasche. Er weiß genau, mit wem und gegen wen Hobbes damals gestritten hat, wen er öffentlich angegriffen hat und wen zwischen den Zeilen.
Wer sich in Skinners Buch vertieft, entwickelt Verständnis für Hobbes' pessimistische Anthropologie. Nicht nur, dass der ein Leben führte zwischen den Fronten des englischen Bürgerkrieges (Karl I. gegen die Republikaner unter Cromwell). Schon als Hobbes geboren wurde, standen die Zeichen der Zeit auf Sturm. Spaniens Armada lag vor der britischen Küste. Der Philosoph schreibt in seiner Autobiographie, am 5. April 1588 habe seine Mutter Zwillinge zur Welt gebracht: ihn, Thomas Hobbes, und die Angst.
Rezensiert von Susanne Mack
Quentin Skinner: Freiheit und Pflicht. Thomas Hobbes' politische Theorie
Aus dem Englischen übersetzt von Karin Wördemann
Suhrkamp Verlag 2008
141 Seiten. 15,80 Euro
Im Zeitalter des Terrorismus wird Hobbes besonders gern zitiert. Vorzüglich von Politikern, die für Sicherheitsfragen zuständig sind. Wolfgang Schäuble hat letztes Jahr einen Artikel in der "ZEIT" verfasst: "Dein Staat, dein Freund, dein Helfer" - und beruft sich zuerst auf Thomas Hobbes.
Über staatliche Sicherheitspolitik denken Bürger nicht gerne nach, schon lieber über Freiheitsrechte. Quentin Skinner meint, Hobbes habe zwar lebenslang über das Thema "Staatsgewalt " gegrübelt, aber "Freiheit" sei ihm durchaus kein Fremdwort gewesen. Der Autor nimmt ein altes Klischee aufs Korn. Das Klischee, Hobbes Staatstheorie könne man auf eine Formel bringen, die da lautet "Sicherheit statt Freiheit". Ein so verstandener Thomas Hobbes wird gern mit Carl Schmitt in einem Atemzug genannt und kommt mit ihm zusammen in die totalitaristische Ecke.
Genau das will Skinner vermeiden. Wer meint, Thomas Hobbes sei ausschließlich vom Thema "Staatsgewalt" fasziniert, hat ihn niemals gründlich gelesen. Denn sein eigentliches und lebenslanges Interesse, davon ist Skinner überzeugt, galt der Sache der menschlichen Freiheit. Was sind die Bedingungen der Möglichkeit dafür, dass Bürger ihre möglichen Freiheiten tatsächlich verwirklichen können? Das habe sich Hobbes immer wieder gefragt, und nur aus diesem Grund komme er überhaupt auf das Thema "Sicherheit" zu sprechen. Denn nur wer Leib und Leben vom Staat hinreichend beschützt weiß, kann sich auch seiner Freiheiten freuen.
Die gibt es nach Hobbesscher Theorie in jedem bürgerlichen Staat genug. Alles, was das Gesetz nicht verbietet, ist erlaubt. Mehr noch. Ein Bürger hat sogar die Freiheit, gegen das Gesetz zu verstoßen, er muss nur eben die Konsequenzen in Kauf nehmen. In dieser Sache allerdings plädiert Hobbes für harte Strafen. Abschreckung ist alles. Und Prävention.
Die sensiblen Themen moderner Sicherheitspolitik, zum Beispiel "elektronische Fußfesseln für Gewaltverbrecher" oder "Sicherheitsverwahrung für Terroristen" kann man auf der Folie der Hobbesschen Staatsphilosophie durchaus sachlich diskutieren.
Quentin Skinner erinnert uns an Hobbes' pessimistische Anthropologie. Das ist einer, der denkt nicht gut vom Menschen. Homo homini lupus. "Bei einigen edelmütigen Naturen", so Hobbes, könne man zwar damit rechnen, "dass sie die Gesetze aus Stolz einhalten", aber die Masse Mensch sei auf "Reichtum, Befehlsgewalt und sinnliches Vergnügen" bedacht und kenne nur einen triftigen Grund, sich gesetzestreu zu verhalten - die Furcht vor Strafe. Je härter der Strafkatalog, umso größer die Furcht, umso höher die Wahrscheinlichkeit, dass man vom Verbrechen die Finger lässt.
Skinner zeigt in vier Aufsätzen, wie sich die Freiheitstheorie des Thomas Hobbes entwickelt hat. Von "The Elements of Law", erschienen 1640, bis hin zum "Leviathan" von 1651, dem Werk, mit dem Thomas Hobbes berühmt geworden ist. Laut Skinner "das größte, vielleicht einzige Werk der politischen Philosophie, das in englischer Sprache geschrieben wurde", für den Autor d a s rechtsphilosophische Fundament jedes modernen, liberalen Staates.
Auch das vorliegende Buch wurde ursprünglich in Englisch verfasst. Karin Wördemann hat gut lesbar und sachkundig übersetzt.
Dieses Buch ist keine Einführung in das Werk von Thomas Hobbes. Darauf weist Skinner im Vorwort ausdrücklich hin, sein Vortrags-Publikum im Frankfurter Institut für Sozialforschung waren Fortgeschrittene in Sachen Staatsphilosophie. Wer auch zu diesen Fortgeschrittenen gehört, liest dieses Buch mit Gewinn. Der Londoner Professor kennt Hobbes und dessen Zeit wie seine Westentasche. Er weiß genau, mit wem und gegen wen Hobbes damals gestritten hat, wen er öffentlich angegriffen hat und wen zwischen den Zeilen.
Wer sich in Skinners Buch vertieft, entwickelt Verständnis für Hobbes' pessimistische Anthropologie. Nicht nur, dass der ein Leben führte zwischen den Fronten des englischen Bürgerkrieges (Karl I. gegen die Republikaner unter Cromwell). Schon als Hobbes geboren wurde, standen die Zeichen der Zeit auf Sturm. Spaniens Armada lag vor der britischen Küste. Der Philosoph schreibt in seiner Autobiographie, am 5. April 1588 habe seine Mutter Zwillinge zur Welt gebracht: ihn, Thomas Hobbes, und die Angst.
Rezensiert von Susanne Mack
Quentin Skinner: Freiheit und Pflicht. Thomas Hobbes' politische Theorie
Aus dem Englischen übersetzt von Karin Wördemann
Suhrkamp Verlag 2008
141 Seiten. 15,80 Euro