Die Heilige Schrift als Kinderbuch

Kinder lieben die Bibel und ihre Geschichten und lassen sich gerne daraus vorlesen und erzählen. Doch vielen Eltern fällt es oft schwer, die Bibel unbefangen ihren Kindern nahezubringen. Kinderbibeln wie die von Sybil Gräfin Schönfeldt können da eine große Hilfe sein.
"Die Geschichten der Bibel sind uralt, sie sind erzählt worden als es noch keine Bücher gab, noch nicht einmal das Alphabet", mit diesen Worten beginnt Sybel Gräfin Schönfeldt ihr Altes Testament. Wie eine Märchenerzählerin lockt sie ihre Leser – die kleinen wie die großen, und macht sie neugierig auf die Geschichten der Bibel:

"Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Die Erde aber sah wüst und leer aus. Über der Tiefe war es finster, nur der Geist Gottes schwebte über den Wassern. Da sprach Gott:'"Es werde Licht!', und es wurde Licht."
Aus dem Buch Genesis

Das Licht in Form einer runden weißen Fläche, umgeben von Engeln, die das Grau der Ursuppe an den Rand des Bildes drängen. So präsentiert uns der Zeichner Klaus Ensikat den ersten Tag der Schöpfung.

"Dann sprach Gott: 'Das Wasser es Meeres wimmele von lebendigen Wesen, und Vögel sollen unterm Himmelszelt hin und her fliegen.' So schuf er Walfische und Heringe und Seepferdchen, große und kleine Wassertiere, so viele verschiedene Arten, dass das Meer davon aufwallte, und dann machte er das Federvieh, Vögel aller Arten."

Diese Bibel erzählt die Geschichten von Noah und seiner Arche, von Mose und dem Auszug aus Ägypten, von Abraham und seinen Nachkommen, von Propheten, Richtern und Königen des Alten Testaments. Und – ein großer Verdienst - sie stellt auch die Frauen ins Licht, deren Taten und Glaubenszeugnisse viel weniger bekannt sind. In diese Geschichten - mitsamt den Bildern - einzutauchen, ist eine Freude. Auch für Kinder.

Kinder:
"Ich finde Daniel in der Löwengrube sehr schön. Der wird in der Löwengrube eingeschlossen, aber Gott ist bei ihm, und dann wird er nicht getötet."
"Ich finde die von David und Goliath und von Mose am besten. Bei Mose, wie er das Meer gespalten hat und bei David und Goliath, wie so ein kleiner Mann gegen diesen Riesen gewonnen hat. Ich fand auch den von Joseph gut, wie der in den ausgetrockneten Brunnen getan wurde, und (...) als der dann Pharao wurde, das fand ich am besten dann – der wurde Oberster vom Pharao."

Sybil Gräfin Schönfeldt lässt den leidenden Hiob ebenso wenig aus wie das Opfer Abrahams. Nichts wird versüßt oder verschönt, der strafende Gott kommt ebenso vor wie der sanfte, verzeihende. Auch die Illustrationen sind nicht kitschig, sondern kraftvoll und klug. Die Menschen haben Charaktergesichter, die Frauen sind keine Schönheiten.

Kleine Details rücken die uralten Geschichten in unsere Zeit hinein. Der Tanz um das goldene Kalb zeigt den hysterischen Beat einer Love Parade. Mose streift sich im Angesicht des brennenden Dornbuschs ein paar Turnschuhe von den Füßen und Adam beackert den Boden mit einem Edelstahlspaten. Neben ihm hockt Eva mit ihrem ersten Sohn Kain im Arm und erinnert durch ihre Kleidung und die Farben an Darstellungen der Muttergottes. So schlagen die Bilder – ganz unauffällig – auch schon einen Bogen ins Neue Testament. Man muss die Bilder nicht mögen, aber sie laden Kinder und Erwachsene zu mancher Entdeckungsreise ein.

Obwohl das Buch pünktlich zum Fest erscheint, kommt Weihnachten darin noch gar nicht vor. Die Hinweise der Propheten auf den Messias sind allerdings auch schon im Alten Testament zu finden.

"Das Volk, das im Dunkel lebt, sieht ein helles Licht; jeder Stiefel, der dröhnend daherstampft, jeder Mantel, der mit Blut befleckt ist, wird verbrannt, wird ein Fraß des Feuers. Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns geschenkt. Die Herrschaft liegt auf seiner Schulter; man nennt ihn: wunderbarer Ratgeber, starker Gott, Vater der Ewigkeit, Fürst des Friedens. Seine Herrschaft ist groß und der Friede hat kein Ende."
Aus dem Buch Jesaja

Wer die Einheitsübersetzung der Bibel aufschlägt, findet genau diesen Wortlaut. Sibyl Gräfin Schönfeldt hat zwar einige Verse des Propheten Jesaja ausgelassen, aber am Wortlaut hat sie nichts verändert. Das ist auch nicht nötig, denn die Worte sind einfach und klar. Erklärungen und eigene Gedanken hat sie vor allem in den Zwischentexten untergebracht, die sie jedem Kapitel voranstellt – auch dem Buch Jesaja.

"Jesaja hörte nicht auf, von den Verheißungen der Zukunft zu sprechen und den neuen Herrscher, den Friedensfürsten anzukündigen. Seit Jesajas Prophetien sprechen die Juden vom Messias. Messias, das heißt ebenso wie Christus: Der Gesalbte. Für die Christen ist er in Jesus gekommen. Die Juden warten bis heute auf den Messias."

Mit solchen Zwischentexten schafft es die Autorin, die Bücher des Alten Testaments zu verbinden, die Heilsgeschichte in einen Kontext zu stellen und den Kindern – und auch ihren Eltern - Informationen an die Hand zu geben. So kann sie in den erzählenden Texten nah an der kraftvollen Sprache des Urtextes bleiben.

"Halleluja! Lobt den Herrn vom Himmel her, lobt ihn in den Höhen:
Lobt ihn, all seine Engel!"

Am Ende dieser Kinderbibel steht eine Auswahl von Psalmen, die das Buch der spannenden Geschichten lyrisch und sinnlich ausklingen lassen. Der Bogen reicht von der Erschaffung der Welt bis zum Lobpreis auf Gott und seine Schöpfung in Psalm 148. Zuletzt hat die Autorin dem Wissensdurst der Kinder ein 30 Seiten dickes Glossar gewidmet – von Aaron bis Zweistromland.

Das Neue Testament ist in Arbeit und man darf gespannt sein, wie es klingen und aussehen wird.

Besprochen von Maria Riederer

Die Bibel – Das Alte Testament
Für Kinder und Erwachsene neu erzählt von Sybil Gräfin Schönfeldt
Mit Bildern von Klaus Ensikat
Tulipan Verlag
305 Seiten, gebunden, 39,95 Euro
ab 7 Jahre und für die ganze Familie