Die Hitmacher – Folge 1

In vier Tagen zum Erfolg?

Ein Mann sitzt am Mischpult eines Musikstudios.
Kollektives Komponieren: In Songwriter Camps basteln Studiobesitzer, Produzenten und Songschreiber am Erfolgsrezept für den Superhit (Symbolfoto) © imago stock&people
Von Ina Plodroch |
Songwriting-Camps sollen Bands fit machen für den hart umkämpften Musikmarkt. Doch bringt es wirklich was, sich vier Tage einzusperren und gemeinsam Lieder zu komponieren? Die Band Wunderwelt hat es ausprobiert.
Ein Wochenende in München. In einer Tiefgarage, in der Nähe der Isar, liegt das Produktionsstudio von Sepp Music. Heute und morgen sollen hier Popsongs wie am Fließband entstehen – im Songwriting Camp für die Band "Wunderwelt". Klaus, Keyboarder der Elektro-Band, erklärt, wie es dazu kam:
"Uns gibt es noch gar nicht so lange, wir haben uns zusammen geschlossen, Phil und ich ursprünglich."
Mittlerweile gehören vier Musiker zu Wunderwelt. Als sie 2016 – noch ohne Label und große Ahnung vom Musikgeschäft – die erste Single "Freiheit ist Gold" auf Youtube hochluden, staunten sie nicht schlecht.
"Eine Stunde, nachdem wir es hochgestellt hatten, war der erste Verlag am Telefon. Wir konnten das gar nicht so richtig glauben."

Ein Bootcamp für Bands

Der Musikverlag Universal sieht Potenzial in der Band. Ihr Sound passt zum Pop-Zeitgeist: hübsche Sängerin, derber Dance-Elektro. Damit ziehen Glasperlenspiel oder Frida Gold ein Massenpublikum in ihren Bann. Aber Wunderwelt stehen noch ganz am Anfang. Und Universal scheint lieber auf Nummer sicher gehen zu wollen.
Das bedeutet: Der Verlag spendiert der Band ein Songwriting Camp und lädt Profis aus dem Business ein, die den Musikern unter die Arme greifen sollen. Ist das gut gemeinter Künstleraufbau oder ein Drängen auf Marktkonformität im Hau-ruck-Verfahren? Keyboarder Klaus:
"Es ist gängige Praxis, wir schreiben selber und hoffen, dass unsere eigenen Songs natürlich auch nach wie vor fester Bestandteil von unserem Zeug sein werden. Und sehen es als Inspiration und Anstoß, mal anders ranzugehen."

Vier Songs in zwei Tagen

Vier Songs sollen in zwei Tagen erarbeitet werden. Neben der Band sind anwesend: zwei Studiobesitzer, drei Produzenten, drei Songschreiber, die Lieder in ganz unterschiedlichen Stilen komponieren können. Schlager, Urban Pop, Dance, Rock. Bevor es in München losgeht, informiert der Manager die Songwriter, Produzenten und die Band, wie das Ergebnis klingen soll. Björn, einer der drei Produzenten, erklärt, was auf keinen Fall fehlen darf.
"Zum Beispiel mehr Songs nach vorne. Die werden noch mehr gebraucht vor allem für das Album später."
"Hier und da noch ein paar Referenzen, die sonst noch gar nicht bekannt sind. Weil häufig wird sich an Radiosachen orientiert. Häufig aber auch gerade nicht, damit nicht alles gleich klingt. Man muss was Neues schaffen, was die Leute nicht abschreckt, das ist das Schwierige an der Popmusik."
Songwriting Camps sind im Popgeschäft gang und gäbe. Was nachher entsteht, ist das Produkt von vielen Beteiligten. Und nicht von einem Künstler, der uns sein Herz ausschüttet und dafür auch noch eine massentaugliche Melodie gefunden hat. Auch große Popstars wie Rihanna haben in der Vergangenheit auf Songwriting Camps gesetzt. Und was die Diva verschmähte, wurde dann eben von anderen Musikern wie Drake oder Miley Cyrus aufgenommen. Und wo hapert es gerade?
"Wir sind in der zweiten Strophe. Und texten. Das ist ein Prozess."
Sagt Florian, Miteigentümer des Studios "Sepp Music". Was bisher für den Songtext feststeht:
"Es geht um eine Frau, die sich nichts sagen lassen will und ihr Leben genießen will."

Kollektives Komponieren

Studiobesitzer Florian steht in einem der zwei Produktionsräume. Er hält sein Smartphone in der Hand und tippt gemeinsam mit Songschreiber Sebastian auf dem kleinen Bildschirm herum.
"Ich will blaue Augen. Augenringe, naja, das ist nicht sexy."
Klischeeschublade auf, Songtext rein. Was hier über WhatsApp-Nachrichten entsteht, wird die Pop-Poesie nicht revolutionieren. Am Ende steht die Skizze für einen Elektro-Track, eingängig und austauschbar.
Dann kommt die Band ins Spiel – mit gewissem Mitspracherecht.
"Hast Du für den C-Teil auch einen Text?"
"Nee den wollten wir mit Melissa machen."

Songs sind Ware

Die Sängerin von Wunderwelt. Sie kommt erst später am Tag ins Camp. Sie muss den Song singen, ist aber gar nicht so begeistert.
"Es ist noch ein Ticken, wenn ich so sagen darf, bitchiger."
"Es ist halt die Vorgabe, nach 'Freiheit ist Gold' zu gehen."
Der Song, wegen dem die Verlage bei Wunderwelt angerufen haben.
"Ja und deshalb ausprobieren, drüber schlafen."
Aber auch das Drüber-Schlafen hat Melissa nicht geholfen: Den Song, der an diesem Tag in München entstanden ist, hat die Band Wunderwelt dann doch nicht aufgenommen und veröffentlicht.
So viel Freiheit haben die Musiker. Sie wollen keine Gruppe sein, der einfach so Songs aufgedrückt werden. Deshalb wollen Songschreiber rund um Studiobesitzer Florian den Song nun an eine andere Band verkaufen. In diesem Geschäft sind Songs die Ware, welche Band sie am Ende auf der Bühne singt – fast schon egal.
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