"Die Ikone von Al-Kaida"
Operativ hat bin Laden für das Terrornetzwerk Al-Kaida zuletzt kaum noch eine Rolle gespielt - meint der Berliner Politikwissenschaftler Herfried Münkler. Dennoch markiere sein Tod das Ende einer Ära.
Joachim Scholl: Er war der Staatsfeind Nummer eins für die USA und letzte Nacht haben ihn US-Spezialkräfte im Kampf getötet – Osama bin Laden. Er war der Drahtzieher der Anschläge vom 11. September, er hat das Terroristennetzwerk Al-Kaida gegründet, er war der Anführer, und es gelang ihm fast zehn Jahre lang, der mächtigsten Militärmacht zu entkommen. Jetzt ist diese Flucht, diese Existenz zu Ende gegangen. Ich bin verbunden mit dem Berliner Politologen Herfried Münkler. Guten Tag!
Herfried Münkler: Guten Tag!
Scholl: In mehreren Büchern haben Sie sich, Herr Münkler, mit den neuen Kriegen auseinandergesetzt, dem Krieg von Nationen gegen ein anonymes Heer von terroristischen Einzelkämpfern. Früher war der Tod des gegnerischen Feldherrn oft gleichbedeutend mit dem Sieg der anderen Partei, mit dem Sieg im Kriege. Wie groß ist jetzt der Triumph der USA?
Münkler: Der Triumph der USA mag beträchtlich sein, aber es ist in diesem Sinne kein Sieg, denn vermutlich hat Osama bin Laden in den letzten Jahren operativ kaum eine Rolle gespielt. Er ist sozusagen die Ikone von Al-Kaida, das Bild des Terrorismus, er hat durch die westlichen Medien ganz zweifellos dadurch auch eine Überhöhung erfahren, als es darum ging, eine unsichtbare Organisation zu visualisieren. Und immer war er dann das Bild. Dass er diese operative Rolle nicht mehr spielen konnte, hat sicherlich auch damit zu tun, dass der Verfolgungsdruck einfach zu hoch war, und um einen solchen Verfolgungsdruck sich zu entziehen, konnte er einfach dann nicht mehr das Kommando führen. Ob das überhaupt noch einer tut, ist sehr fraglich. Das ist ein Erfolg sicherlich auf der einen Seite in der Bekämpfung des Terrorismus, es hat aber auch negative Effekte, insofern er dadurch unberechenbarer geworden ist.
Scholl: Bin Laden wurde nicht verhaftet, es wird kein Gerichtsverfahren geben, kein Urteil, kein öffentlicher Prozess, killed in action. War das gerechtfertigt, war es richtig?
Münkler: Ja wahrscheinlich war es zunächst einmal nicht anders möglich, wäre vielleicht in mancher Hinsicht auch durchaus ein Triumph der USA gewesen, ihn sozusagen lebend dort hinzubringen, ihn also wenn Sie so wollen zu verhaften. Aber andererseits ist es natürlich auch ungeheuer schwierig in einem rechtsstaatlichen Verfahren …
Scholl: … das hätte unendliche Probleme für die USA wahrscheinlich mit sich gebracht …
Münkler: … ja also insofern ist sozusagen der Tod im Kampf nicht nur etwas, was Osama bin Laden hinsichtlich der Festigung seines Mythos zupass gekommen sein wird, sondern umgekehrt auch den USA.
Scholl: In Osama bin Laden wurde der Terrorismus konkret zur Person, Sie haben es schon formuliert, Herr Münkler. Welche Bedeutung hat es für die westliche Welt, dass nun dieser Gegner tot ist?
Münkler: Also ich glaube, die entscheidende Bedeutung ist zunächst einmal auf der Ebene des Prestiges zu sehen, nicht im operativen Bereich unmittelbar. Der Angriff vom 11.9. und auch die vorangegangenen Angriffe auf die USA, von Botschaften bis zu Zerstörern, sind ja eine Attacke vor allen Dingen auch auf das amerikanische Prestige gewesen. Und jeder Tag, an dem die USA nicht in der Lage waren, Osama bin Laden zu stellen und zu verhaften oder zu töten, war natürlich jedenfalls in den ersten Jahren danach auch eine schleichende Erosion ihres Prestiges. Insofern kann man sagen, sie haben jetzt auch etwas zurückgewonnen an Ansehen. Es ist kein Ansehen, vor dem man sich unbedingt verbeugt, sondern es ist das Ansehen dessen, mit wem man sich sinnvollerweise nicht anlegt.
Scholl: Ist das die Rhetorik des mission accomplished, wenigstens diese Mission ist erfüllt?
Münkler: Würde ich sagen, ja, würde ich sagen. Und diesmal ist es nicht nur eine leere Behauptung, sondern es ist die Einlösung eines Versprechens, das der damalige Präsident Bush seiner Bevölkerung gegeben hat.
Scholl: Und welche Bedeutung, Herr Münkler, hat dann im zweiten Schritt dieser Tod für seine eigene Welt, also für die Welt des Terrorismus?
Münkler: Ja das ist wahrscheinlich eine doppelte Bedeutung. Auf der einen Seite gewissermaßen die Nachricht, auf Dauer hat gegen die USA keiner eine Chance, sich ihrem Zugriff zu entziehen. Das ist eine Demütigung, auf die die Anhänger von Al-Kaida oder die Akteure in irgendeiner Weise reagieren werden. Insofern kann man glaube ich sagen, zunächst einmal und unmittelbar ist die westliche Welt durch den Tod von Osama bin Laden nicht sicherer, sondern erst mal unsicherer geworden. Das ist das eine.
Und das andere ist vermutlich, dass ein großes Projekt, das hier in Gang gesetzt worden ist, für die Araber wieder in einer Enttäuschung geendet hat. Andererseits sind ja in einigen Ländern sie selber unterwegs sozusagen, ihre eigenen Revolutionen in ihren Ländern zu machen. Und von daher ist möglicherweise das Ende von Osama doch auch das Ende einer Ära in der Entwicklung zumindest eines Teils arabischen Selbstverständnisses. Und deswegen interessanterweise kommt es nicht von ungefähr, dass sagen wir mal im Abstand von einigen Monaten die Veränderungen in Tunesien und Ägypten auf der einen Seite und dann das Ende von Osama einander korrespondieren.
Scholl: Osama bin Laden ist tot, Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit dem Politologen Herfried Münkler. Durch sein Verschwinden und durch sein permanentes Entkommen, das er dann durch seine Videobotschaften, die plötzlich auftauchten, noch verstärkte, wurde Osama bin Laden ja zu einer Art Nemesis für die westliche Welt, ja so ein Luftgeist, ein Racheengel. Wird er denn Ihrer Ansicht nach, Herr Münkler, zu einem Mythos werden, also im Sinne einer großen Erzählung, die von Generation zu Generation weitergereicht wird, einer Erzählung, in der er vom Mörder zum Volkshelden wird, der es eben mutig mit einer Supermacht aufgenommen hat? Oder ist das schon?
Münkler: Das ist er im Augenblick. Ob er das in Zukunft noch sein wird, das hängt nach meinem Dafürhalten in hohem Maße davon ab, ob es in den arabischen Ländern gelingt, einen eigenen Weg zu finden, über den sie Anschluss an die dynamische Entwicklung im Rest der Welt gewinnen. Wenn es ihnen gelingt, wird dieser Mann bin Laden eine Episode sein, in der sich viele Irrwege aneinanderreihen. Wenn es ihnen nicht gelingt, dann wird er allerdings eine Bedeutsamkeit bekommen als einer, der sozusagen den USA dann mehr als ein Jahrzehnt heroisch Widerstand geleistet hat und dann im Kampf untergegangen ist. Also das ist dann eher ein Opfermythos und solche Opfermythen sind gefährlich. Wollen wir hoffen, dass das erste der Fall ist.
Scholl: Je nach kultureller Lesart ist er eben ein Held oder eben ein Mörder. Che Guevara war für die Machthaber damals ein Terrorist, für die restliche Welt ein Freiheitskämpfer. Werden wir irgendwann mal Osama bin Laden, stilisierte Osama-bin-Laden-Poster in arabischen Jugendzimmern sehen? – Es soll sie schon gegeben haben!
Münkler: Ja ich nehme an, dass es die zurzeit gibt, dass das so etwas gewissermaßen wie eine Selbsttröstung über politisch-kulturelle Minderwertigkeitskomplexe ist, was man ja durchaus nachvollziehen kann. Und von daher also bin ich sehr nachdrücklich der Auffassung, wenn es in Ägypten, Tunesien und anderen Ländern gelingt, so etwas wie einen politisch-wirtschaftlichen Take-Off hinzubekommen. Und dann werden diese Poster auch wieder verschwinden oder sie sind sozusagen ein rein ästhetisches Ereignis, wie das Che Guevara ab einem ganz bestimmten Zeitpunkt war. Wenn es nicht gelingt, dann sind sie sozusagen eine Kampfansage.
Scholl: Die Geschichte verzeichnet ja eine weitgespannte Ikonografie von großen Zerstörern, der Gipfel scheint historisch Adolf Hitler zu sein. Wir wollen jetzt keinesfalls Opferzahlen vergleichen, aber welches Bild von Osama bin Laden wird sich der Weltgeschichte aufprägen, was meinen Sie?
Münkler: Vermutlich das eines antiimperialen Akteurs, der an der Peripherie des amerikanischen Einflusses oder aber der westlichen Welt Widerstand geleistet hat und der in einer Weise diesen Widerstand bis ins Zentrum seines Gegners vorgetragen hat, was in dieser Form keinem seiner Vorgänger gelungen ist. Auch den gegen die USA kämpfenden Japanern oder Nazi-Deutschland ist es ja nicht gelungen, New York anzugreifen. Das wird sozusagen schon sich dauerhaft mit ihm verbinden.
Scholl: Vorhin sagten Sie, der internationale Terrorismus in dieser Form, wie ihn Al-Kaida praktiziert, braucht eigentlich gar keinen Kopf mehr. Umgekehrt brauchen wir ihn sozusagen als eine Ikone, als sichtbare Ikone einer unsichtbaren Macht, dass wir einen Gegner haben, den wir auch in Person erkennen?
Münkler: Ich glaube schon. Also sozusagen, wenn wir abends 30 Minuten Nachrichten sehen, dann brauchen wir dazu Bilder. Und gerade mit der Umstellung auf das Leitmedium Fernsehen ist diese Bildbedürftigkeit unserer Weltwahrnehmung geradezu explosiv gewachsen. Und wer auch immer ihm nachfolgen wird, jedenfalls wenn von Al-Kaida die Rede ist, wird man irgendeine Ikone finden, die an seine Stelle tritt. Denn sonst müsste man ja sozusagen immer nur in die Leere schauen. Und das geht nicht.
Scholl: Zum Tod von Osama bin Laden, das war der Politologe Herfried Münkler, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Münkler: Bitte.
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Herfried Münkler: Guten Tag!
Scholl: In mehreren Büchern haben Sie sich, Herr Münkler, mit den neuen Kriegen auseinandergesetzt, dem Krieg von Nationen gegen ein anonymes Heer von terroristischen Einzelkämpfern. Früher war der Tod des gegnerischen Feldherrn oft gleichbedeutend mit dem Sieg der anderen Partei, mit dem Sieg im Kriege. Wie groß ist jetzt der Triumph der USA?
Münkler: Der Triumph der USA mag beträchtlich sein, aber es ist in diesem Sinne kein Sieg, denn vermutlich hat Osama bin Laden in den letzten Jahren operativ kaum eine Rolle gespielt. Er ist sozusagen die Ikone von Al-Kaida, das Bild des Terrorismus, er hat durch die westlichen Medien ganz zweifellos dadurch auch eine Überhöhung erfahren, als es darum ging, eine unsichtbare Organisation zu visualisieren. Und immer war er dann das Bild. Dass er diese operative Rolle nicht mehr spielen konnte, hat sicherlich auch damit zu tun, dass der Verfolgungsdruck einfach zu hoch war, und um einen solchen Verfolgungsdruck sich zu entziehen, konnte er einfach dann nicht mehr das Kommando führen. Ob das überhaupt noch einer tut, ist sehr fraglich. Das ist ein Erfolg sicherlich auf der einen Seite in der Bekämpfung des Terrorismus, es hat aber auch negative Effekte, insofern er dadurch unberechenbarer geworden ist.
Scholl: Bin Laden wurde nicht verhaftet, es wird kein Gerichtsverfahren geben, kein Urteil, kein öffentlicher Prozess, killed in action. War das gerechtfertigt, war es richtig?
Münkler: Ja wahrscheinlich war es zunächst einmal nicht anders möglich, wäre vielleicht in mancher Hinsicht auch durchaus ein Triumph der USA gewesen, ihn sozusagen lebend dort hinzubringen, ihn also wenn Sie so wollen zu verhaften. Aber andererseits ist es natürlich auch ungeheuer schwierig in einem rechtsstaatlichen Verfahren …
Scholl: … das hätte unendliche Probleme für die USA wahrscheinlich mit sich gebracht …
Münkler: … ja also insofern ist sozusagen der Tod im Kampf nicht nur etwas, was Osama bin Laden hinsichtlich der Festigung seines Mythos zupass gekommen sein wird, sondern umgekehrt auch den USA.
Scholl: In Osama bin Laden wurde der Terrorismus konkret zur Person, Sie haben es schon formuliert, Herr Münkler. Welche Bedeutung hat es für die westliche Welt, dass nun dieser Gegner tot ist?
Münkler: Also ich glaube, die entscheidende Bedeutung ist zunächst einmal auf der Ebene des Prestiges zu sehen, nicht im operativen Bereich unmittelbar. Der Angriff vom 11.9. und auch die vorangegangenen Angriffe auf die USA, von Botschaften bis zu Zerstörern, sind ja eine Attacke vor allen Dingen auch auf das amerikanische Prestige gewesen. Und jeder Tag, an dem die USA nicht in der Lage waren, Osama bin Laden zu stellen und zu verhaften oder zu töten, war natürlich jedenfalls in den ersten Jahren danach auch eine schleichende Erosion ihres Prestiges. Insofern kann man sagen, sie haben jetzt auch etwas zurückgewonnen an Ansehen. Es ist kein Ansehen, vor dem man sich unbedingt verbeugt, sondern es ist das Ansehen dessen, mit wem man sich sinnvollerweise nicht anlegt.
Scholl: Ist das die Rhetorik des mission accomplished, wenigstens diese Mission ist erfüllt?
Münkler: Würde ich sagen, ja, würde ich sagen. Und diesmal ist es nicht nur eine leere Behauptung, sondern es ist die Einlösung eines Versprechens, das der damalige Präsident Bush seiner Bevölkerung gegeben hat.
Scholl: Und welche Bedeutung, Herr Münkler, hat dann im zweiten Schritt dieser Tod für seine eigene Welt, also für die Welt des Terrorismus?
Münkler: Ja das ist wahrscheinlich eine doppelte Bedeutung. Auf der einen Seite gewissermaßen die Nachricht, auf Dauer hat gegen die USA keiner eine Chance, sich ihrem Zugriff zu entziehen. Das ist eine Demütigung, auf die die Anhänger von Al-Kaida oder die Akteure in irgendeiner Weise reagieren werden. Insofern kann man glaube ich sagen, zunächst einmal und unmittelbar ist die westliche Welt durch den Tod von Osama bin Laden nicht sicherer, sondern erst mal unsicherer geworden. Das ist das eine.
Und das andere ist vermutlich, dass ein großes Projekt, das hier in Gang gesetzt worden ist, für die Araber wieder in einer Enttäuschung geendet hat. Andererseits sind ja in einigen Ländern sie selber unterwegs sozusagen, ihre eigenen Revolutionen in ihren Ländern zu machen. Und von daher ist möglicherweise das Ende von Osama doch auch das Ende einer Ära in der Entwicklung zumindest eines Teils arabischen Selbstverständnisses. Und deswegen interessanterweise kommt es nicht von ungefähr, dass sagen wir mal im Abstand von einigen Monaten die Veränderungen in Tunesien und Ägypten auf der einen Seite und dann das Ende von Osama einander korrespondieren.
Scholl: Osama bin Laden ist tot, Deutschlandradio Kultur im Gespräch mit dem Politologen Herfried Münkler. Durch sein Verschwinden und durch sein permanentes Entkommen, das er dann durch seine Videobotschaften, die plötzlich auftauchten, noch verstärkte, wurde Osama bin Laden ja zu einer Art Nemesis für die westliche Welt, ja so ein Luftgeist, ein Racheengel. Wird er denn Ihrer Ansicht nach, Herr Münkler, zu einem Mythos werden, also im Sinne einer großen Erzählung, die von Generation zu Generation weitergereicht wird, einer Erzählung, in der er vom Mörder zum Volkshelden wird, der es eben mutig mit einer Supermacht aufgenommen hat? Oder ist das schon?
Münkler: Das ist er im Augenblick. Ob er das in Zukunft noch sein wird, das hängt nach meinem Dafürhalten in hohem Maße davon ab, ob es in den arabischen Ländern gelingt, einen eigenen Weg zu finden, über den sie Anschluss an die dynamische Entwicklung im Rest der Welt gewinnen. Wenn es ihnen gelingt, wird dieser Mann bin Laden eine Episode sein, in der sich viele Irrwege aneinanderreihen. Wenn es ihnen nicht gelingt, dann wird er allerdings eine Bedeutsamkeit bekommen als einer, der sozusagen den USA dann mehr als ein Jahrzehnt heroisch Widerstand geleistet hat und dann im Kampf untergegangen ist. Also das ist dann eher ein Opfermythos und solche Opfermythen sind gefährlich. Wollen wir hoffen, dass das erste der Fall ist.
Scholl: Je nach kultureller Lesart ist er eben ein Held oder eben ein Mörder. Che Guevara war für die Machthaber damals ein Terrorist, für die restliche Welt ein Freiheitskämpfer. Werden wir irgendwann mal Osama bin Laden, stilisierte Osama-bin-Laden-Poster in arabischen Jugendzimmern sehen? – Es soll sie schon gegeben haben!
Münkler: Ja ich nehme an, dass es die zurzeit gibt, dass das so etwas gewissermaßen wie eine Selbsttröstung über politisch-kulturelle Minderwertigkeitskomplexe ist, was man ja durchaus nachvollziehen kann. Und von daher also bin ich sehr nachdrücklich der Auffassung, wenn es in Ägypten, Tunesien und anderen Ländern gelingt, so etwas wie einen politisch-wirtschaftlichen Take-Off hinzubekommen. Und dann werden diese Poster auch wieder verschwinden oder sie sind sozusagen ein rein ästhetisches Ereignis, wie das Che Guevara ab einem ganz bestimmten Zeitpunkt war. Wenn es nicht gelingt, dann sind sie sozusagen eine Kampfansage.
Scholl: Die Geschichte verzeichnet ja eine weitgespannte Ikonografie von großen Zerstörern, der Gipfel scheint historisch Adolf Hitler zu sein. Wir wollen jetzt keinesfalls Opferzahlen vergleichen, aber welches Bild von Osama bin Laden wird sich der Weltgeschichte aufprägen, was meinen Sie?
Münkler: Vermutlich das eines antiimperialen Akteurs, der an der Peripherie des amerikanischen Einflusses oder aber der westlichen Welt Widerstand geleistet hat und der in einer Weise diesen Widerstand bis ins Zentrum seines Gegners vorgetragen hat, was in dieser Form keinem seiner Vorgänger gelungen ist. Auch den gegen die USA kämpfenden Japanern oder Nazi-Deutschland ist es ja nicht gelungen, New York anzugreifen. Das wird sozusagen schon sich dauerhaft mit ihm verbinden.
Scholl: Vorhin sagten Sie, der internationale Terrorismus in dieser Form, wie ihn Al-Kaida praktiziert, braucht eigentlich gar keinen Kopf mehr. Umgekehrt brauchen wir ihn sozusagen als eine Ikone, als sichtbare Ikone einer unsichtbaren Macht, dass wir einen Gegner haben, den wir auch in Person erkennen?
Münkler: Ich glaube schon. Also sozusagen, wenn wir abends 30 Minuten Nachrichten sehen, dann brauchen wir dazu Bilder. Und gerade mit der Umstellung auf das Leitmedium Fernsehen ist diese Bildbedürftigkeit unserer Weltwahrnehmung geradezu explosiv gewachsen. Und wer auch immer ihm nachfolgen wird, jedenfalls wenn von Al-Kaida die Rede ist, wird man irgendeine Ikone finden, die an seine Stelle tritt. Denn sonst müsste man ja sozusagen immer nur in die Leere schauen. Und das geht nicht.
Scholl: Zum Tod von Osama bin Laden, das war der Politologe Herfried Münkler, ich danke Ihnen für das Gespräch!
Münkler: Bitte.
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