Die Indianer siedeln an der Bundesstraße
Der brasilianische Bischof und Träger des Alternativen Nobelpreises Erwin Kräutler hofft, dass das umstrittene Staudammprojekt Belo Monte im Amazonasgebiet noch verhindert werden kann. Die Bevölkerung in der Region profitiere davon nicht, vielmehr werde ihre Umwelt zerstört.
Frank Meyer: Indianerbischof, so wird Erwin Kräutler auch genannt. Er ist Bischof der brasilianischen Xingu-Region, und gestern wurde er mit dem alternativen Nobelpreis, mit dem "Right Livelihood Award" ausgezeichnet. Für ein Leben, den Rechten indigener Völker gewidmet, und für sein unermüdliches Engagement, den Urwald des Amazonas vor der Zerstörung zu bewahren – so heißt es in der Begründung. Erwin Kräutler ist jetzt in Stockholm für uns am Telefon. Seien Sie herzlich willkommen bei uns und Glückwunsch zu der Auszeichnung, Herr Kräutler!
Erwin Kräutler: Vielen, vielen lieben Dank, vielen Dank!
Meyer: Dieser Preis, der alternative Nobelpreis, Herr Kräutler, was bringt der für Ihre Anliegen? Meinen Sie, die brasilianische Regierung lässt sich davon beeindrucken?
Kräutler: Das weiß ich nicht. Aber auf der anderen Seite sage ich einfach, das ist die internationale Anerkennung von dem, was ich in den letzten Jahrzehnten getan habe – und das ist für mich sehr wichtig. Natürlich ist der Preis bekannt geworden, sofort, schon Ende September, dass ich damit ausgezeichnet worden bin, und in Brasilien hat man das sogar so interpretiert: Der unerbittliche Gegner des Staudammes Belo Monte wurde mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet, weil er sich für die indigenen Völker, für die Bewahrung Amazoniens und für die Menschenrechte einsetzt.
Meyer: Sie haben gestern eine sehr kritische Dankesrede gehalten und da auch über die Situation der Guaraní-Kaiowá-Indianer gesprochen, und da haben Sie gesagt, die brasilianische Regierung ignoriere den grausamen Genozid, der sich da vor ihren Augen abspielt.
Kräutler: Ja, das stimmt.
Meyer: Warum sprechen Sie von einem Genozid?
Kräutler: Ich war selber im Bundesstaat Mato Grosso do Sul, ich hab das selber mit eigenen Augen gesehen. Ich habe in meinem Leben viel Armut und viel Elend gesehen, aber so was noch nie. Und ich bin total überzeugt, dass die ganze Welt auf diese Situation hingewiesen werden muss. Und …
Meyer: Was passiert dort?
Kräutler: … leider Gottes, ich war selber bei Lula und hab zum Lula gesagt: Die Guaraní-Indianer, die Guarani-Kaiowá, die sind in einer furchtbaren Situation, im Elend. Die wurden aus ihren Gebieten herausgeschmissen und siedeln jetzt entlang der Bundesstraße. Das kann man sich nicht vorstellen! Also ich denke, dass im dritten Jahrtausend, in unserem Jahrhundert noch so was möglich, und kein Mensch in Brasilien – kein Mensch sage ich nicht, aber die Regierung schaut nicht drauf und nimmt da absolut nichts dagegen in den Griff, das ist absolut unverständlich.
Meyer: Wer hat diese Indianer vertrieben?
Kräutler: Die sind aus ihrem Gebiet vertrieben worden, weil Mato Grosso do Sul, also der Bundesstaat, das sind nur noch Plantagen. Das sind Riesenfarmen, die sich am Horizont verlieren, und da haben früher die Indios gewohnt. Die haben ein Recht auf ihr angestammtes Gebiet.
Meyer: Herr Kräutler, Sie haben vorhin schon von dem Staudammprojekt Belo Monte gesprochen, das heißt, es ist ein riesiges Projekt an einem Fluss – warum lehnen Sie diesen Staudamm oder diese Staudammketten eigentlich ab? Dort soll ja umweltfreundlicher Strom erzeugt werden, Strom, den Brasilien ja auch dringend braucht.
Kräutler: Ja, was heißt da umweltfreundlich, das frage ich eben. Ich sage nur drei Punkte. Erstens: Es wird ein Stausee, ein fauler, toter See geschaffen, Altamira, die Regionalstadt mit über 100.000 Einwohnern, die wird zur Halbinsel, 30.000 Menschen müssen zwangsumgesiedelt werden, und man weiß bis heute nicht wohin. Man sagt, dass beim ersten Staudamm keine indigenen Gebiete überflutet werden – das Gegenteil ist der Fall, man schneidet ihnen das Wasser ab. Die Indios leben vom Fischfang, und wie können sie sich fortbewegen? Da wird eine unendliche Mauer geschaffen, und die Indios sind abgeschlossen von allem Zugang zur Hauptstadt. Was ist da noch wirklich eine saubere Energie?
Meyer: Hatten die indigenen Völker da irgendein Mitspracherecht bei diesem ganzen Projekt?
Kräutler: Das ist ja das Problem, weil die brasilianische Verfassung wurde nicht anerkannt. Weil nach der Verfassung müssen die indigenen Völker gefragt werden, das heißt, sie haben Mitspracherecht. Und das ist nicht passiert. Auch die andere betroffene Bevölkerung von Altamira, von den 30.000, von denen ich gesprochen habe, die wurden eigentlich auch nicht angehört. Es gab vier Anhörungen, wir haben 27 verlangt. Und die Leute, die tatsächlich betroffen werden, in Mitleidenschaft gezogen werden, die wurden nicht gehört. Was heißt da saubere Energie?
Meyer: Und wer treibt dieses Projekt vor allem voran? Ist das die brasilianische Regierung. Sind das die Firmen, die profitieren können von diesem Staudammprojekt?
Kräutler: Es stimmt, die Regierung, Lula und auch seine Nachfolgerin, die Dilma, obwohl Lula zurzeit seiner Kampagne war er gegen den Staudamm, war er gegen Belo Monte. Dann wurde er Präsident, ist angelobt worden, und da war er auf einmal dafür. Auch seine Partei. Und das habe ich bis heute nicht verstanden.
Meyer: Deutschlandradio Kultur, wir sind im Gespräch im Erwin Kräutler, Bischof im brasilianischen Altamira, gestern wurde er mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Herr Kräutler, Sie selbst stehen unter Polizeischutz, Sie haben Morddrohungen erhalten, Sie sind einem Mordanschlag entkommen, dabei verletzt worden – wer bedroht Sie denn so, dass Sie derart geschützt werden müssen?
Kräutler: Das ist eine kleine Mafia. Das Volk ist auf meiner Seite, da bin ich absolut überzeugt davon. Aber es gibt eben die Leute, die aufgrund meines Einsatzes für die indigenen Völker, für Amazonien in ihren Ambitionen sich belästigt fühlen, und die sagen dann einfach, der muss weg. Und von der Justiz aus passiert praktisch nichts. In der größten Zeitung in Nordbrasilien wurde vorgeschlagen, dass ich eliminiert werden sollte, also im Portugiesischen "eliminar", das heißt weg mit ihm, auf welche Weise das immer geschieht.
Meyer: Und was für Interessen stehen dahinter, hinter diesen Leuten, die sagen, Sie sollten eliminiert werden?
Kräutler: Die sagen einfach, solange der Bischof sich gegen Belo Monte stellt, kommt das nicht. Oder dann war die Dorothy, die wurde umgebracht, die wurde erschossen, meine Mitarbeiterin, da habe ich die Leute angezeigt. Dann gab es sexuelle Missbräuche an Kindern, ich habe die auch angezeigt. Und die Leute wollen mich weg.
Meyer: Seit Ende September ist ja bekannt, dass Sie den Alternativen Nobelpreis bekommen würden – ist das jetzt ein Schutz für Sie, dass Sie so prominent auch noch zusätzlich geworden sind durch diesen Preis?
Kräutler: Ich fühle mich nicht prominent, aber ich sage Ihnen, ich bin sehr dankbar dafür, für diesen Preis, weil das ist die internationale Anerkennung von dem, was ich bis jetzt getan habe, und für meinen Einsatz. Und die indigenen Völker in Brasilien und auch die Flussbewohner, die sind sehr stolz darauf, und ich freue mich darüber.
Meyer: Jetzt ist ja der Vertrag für dieses Riesenstaudammprojekt Belo Monte schon unterschrieben, Sie haben es auch gesagt, der Präsident Lula da Silva hat den Vertrag unterschrieben – heißt das, der Kampf ist nun verloren, Sie müssen aufstecken? Wie geht das weiter?
Kräutler: Nein, ich glaube immer noch nicht daran, es ist noch nicht zu Ende. Es gibt noch Prozesse vor Gericht wegen Verfassungsbruch, Lula hat sich über der Verfassung gewähnt. Und das kann er als Präsident nicht machen, dann ist der Rechtsstaat in Gefahr, der brasilianische Rechtsstaat. Und da denke ich immer noch, die Staatsanwaltschaft, die ist auf unserer Seite, und das ist für mich immer noch ein Punkt, da gehe ich davon aus, dass der Prozess nicht abgeschlossen ist. Also ich will jetzt nicht sagen, es kommt nicht, aber auf der anderen Seite kämpfen wir dagegen. Wir kämpfen immer noch dagegen und ich bin da nicht alleine. Weil die Konsequenzen vom Belo Monte, die sind unabsehbar.
Meyer: Für dieses Staudammprojekt – übrigens das drittgrößte in der Welt – wird ja auch geworben mit dem Argument, Brasilien hat sich enorm entwickelt, ökonomisch entwickelt, braucht sehr viel Strom, um diesen ökonomischen Aufschwung weiterzuführen. Und dieser Aufschwung wird ja manchmal von den Eliten des Landes der brasilianische Traum genannt, der Aufstieg Brasiliens zu einem der wichtigsten Industriestaaten der Welt – wie stehen Sie überhaupt zu diesem brasilianischen Traum?
Kräutler: Na, also ich steh dazu, ich meine, Brasilien hat sich entwickelt, das ist eindeutig, aber man darf nicht sagen, dass dieser Staudamm für Brasilien eigentlich ist, das ist für die Aluminiumgewinnung. Wir haben nichts davon in unserem Bundesstaat Pará. Was wir davon haben, ist, dass die Mitwelt, unsere Mitwelt kaputt geht. Aber alles andere muss unter diesem Aspekt gesehen werden, dass es nicht darum geht, dass man in die Häuser der Armen die Energie bringt, den Strom bringt, sondern es sind multinationale Firmen daran interessiert, dass aus Bauxit Aluminium gewonnen wird.
Meyer: Haben Sie denn andere Vorstellungen von einem sozial und ökologisch gerechteren Weg, wie könnte man den in Brasilien beschreiten?
Kräutler: Wir sind der reichste Bundesstaat von Brasilien, Pará, aber wenn man das Erziehungswesen, das Gesundheitswesen, Transport anschaut, dann sind wir ganz, ganz hinten dran. Also frage ich mich: Was heißt Fortschritt? Ich denke, wir müssen uns zuerst einsetzen, dass die Leute in die Schule kommen, dass die Leute auch gesundheitlich behandelt werden können, und das ist eben nicht der Fall. Fortschritt ist für mich, dass die Leute besser leben können, und ich denke, eine andere Welt ist möglich.
Meyer: Erwin Kräutler, Bischof in der brasilianischen Xingu-Region, gestern wurde er mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Herr Kräutler, vielen Dank für dieses Gespräch!
Kräutler: Sehr gern!
Erwin Kräutler: Vielen, vielen lieben Dank, vielen Dank!
Meyer: Dieser Preis, der alternative Nobelpreis, Herr Kräutler, was bringt der für Ihre Anliegen? Meinen Sie, die brasilianische Regierung lässt sich davon beeindrucken?
Kräutler: Das weiß ich nicht. Aber auf der anderen Seite sage ich einfach, das ist die internationale Anerkennung von dem, was ich in den letzten Jahrzehnten getan habe – und das ist für mich sehr wichtig. Natürlich ist der Preis bekannt geworden, sofort, schon Ende September, dass ich damit ausgezeichnet worden bin, und in Brasilien hat man das sogar so interpretiert: Der unerbittliche Gegner des Staudammes Belo Monte wurde mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet, weil er sich für die indigenen Völker, für die Bewahrung Amazoniens und für die Menschenrechte einsetzt.
Meyer: Sie haben gestern eine sehr kritische Dankesrede gehalten und da auch über die Situation der Guaraní-Kaiowá-Indianer gesprochen, und da haben Sie gesagt, die brasilianische Regierung ignoriere den grausamen Genozid, der sich da vor ihren Augen abspielt.
Kräutler: Ja, das stimmt.
Meyer: Warum sprechen Sie von einem Genozid?
Kräutler: Ich war selber im Bundesstaat Mato Grosso do Sul, ich hab das selber mit eigenen Augen gesehen. Ich habe in meinem Leben viel Armut und viel Elend gesehen, aber so was noch nie. Und ich bin total überzeugt, dass die ganze Welt auf diese Situation hingewiesen werden muss. Und …
Meyer: Was passiert dort?
Kräutler: … leider Gottes, ich war selber bei Lula und hab zum Lula gesagt: Die Guaraní-Indianer, die Guarani-Kaiowá, die sind in einer furchtbaren Situation, im Elend. Die wurden aus ihren Gebieten herausgeschmissen und siedeln jetzt entlang der Bundesstraße. Das kann man sich nicht vorstellen! Also ich denke, dass im dritten Jahrtausend, in unserem Jahrhundert noch so was möglich, und kein Mensch in Brasilien – kein Mensch sage ich nicht, aber die Regierung schaut nicht drauf und nimmt da absolut nichts dagegen in den Griff, das ist absolut unverständlich.
Meyer: Wer hat diese Indianer vertrieben?
Kräutler: Die sind aus ihrem Gebiet vertrieben worden, weil Mato Grosso do Sul, also der Bundesstaat, das sind nur noch Plantagen. Das sind Riesenfarmen, die sich am Horizont verlieren, und da haben früher die Indios gewohnt. Die haben ein Recht auf ihr angestammtes Gebiet.
Meyer: Herr Kräutler, Sie haben vorhin schon von dem Staudammprojekt Belo Monte gesprochen, das heißt, es ist ein riesiges Projekt an einem Fluss – warum lehnen Sie diesen Staudamm oder diese Staudammketten eigentlich ab? Dort soll ja umweltfreundlicher Strom erzeugt werden, Strom, den Brasilien ja auch dringend braucht.
Kräutler: Ja, was heißt da umweltfreundlich, das frage ich eben. Ich sage nur drei Punkte. Erstens: Es wird ein Stausee, ein fauler, toter See geschaffen, Altamira, die Regionalstadt mit über 100.000 Einwohnern, die wird zur Halbinsel, 30.000 Menschen müssen zwangsumgesiedelt werden, und man weiß bis heute nicht wohin. Man sagt, dass beim ersten Staudamm keine indigenen Gebiete überflutet werden – das Gegenteil ist der Fall, man schneidet ihnen das Wasser ab. Die Indios leben vom Fischfang, und wie können sie sich fortbewegen? Da wird eine unendliche Mauer geschaffen, und die Indios sind abgeschlossen von allem Zugang zur Hauptstadt. Was ist da noch wirklich eine saubere Energie?
Meyer: Hatten die indigenen Völker da irgendein Mitspracherecht bei diesem ganzen Projekt?
Kräutler: Das ist ja das Problem, weil die brasilianische Verfassung wurde nicht anerkannt. Weil nach der Verfassung müssen die indigenen Völker gefragt werden, das heißt, sie haben Mitspracherecht. Und das ist nicht passiert. Auch die andere betroffene Bevölkerung von Altamira, von den 30.000, von denen ich gesprochen habe, die wurden eigentlich auch nicht angehört. Es gab vier Anhörungen, wir haben 27 verlangt. Und die Leute, die tatsächlich betroffen werden, in Mitleidenschaft gezogen werden, die wurden nicht gehört. Was heißt da saubere Energie?
Meyer: Und wer treibt dieses Projekt vor allem voran? Ist das die brasilianische Regierung. Sind das die Firmen, die profitieren können von diesem Staudammprojekt?
Kräutler: Es stimmt, die Regierung, Lula und auch seine Nachfolgerin, die Dilma, obwohl Lula zurzeit seiner Kampagne war er gegen den Staudamm, war er gegen Belo Monte. Dann wurde er Präsident, ist angelobt worden, und da war er auf einmal dafür. Auch seine Partei. Und das habe ich bis heute nicht verstanden.
Meyer: Deutschlandradio Kultur, wir sind im Gespräch im Erwin Kräutler, Bischof im brasilianischen Altamira, gestern wurde er mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Herr Kräutler, Sie selbst stehen unter Polizeischutz, Sie haben Morddrohungen erhalten, Sie sind einem Mordanschlag entkommen, dabei verletzt worden – wer bedroht Sie denn so, dass Sie derart geschützt werden müssen?
Kräutler: Das ist eine kleine Mafia. Das Volk ist auf meiner Seite, da bin ich absolut überzeugt davon. Aber es gibt eben die Leute, die aufgrund meines Einsatzes für die indigenen Völker, für Amazonien in ihren Ambitionen sich belästigt fühlen, und die sagen dann einfach, der muss weg. Und von der Justiz aus passiert praktisch nichts. In der größten Zeitung in Nordbrasilien wurde vorgeschlagen, dass ich eliminiert werden sollte, also im Portugiesischen "eliminar", das heißt weg mit ihm, auf welche Weise das immer geschieht.
Meyer: Und was für Interessen stehen dahinter, hinter diesen Leuten, die sagen, Sie sollten eliminiert werden?
Kräutler: Die sagen einfach, solange der Bischof sich gegen Belo Monte stellt, kommt das nicht. Oder dann war die Dorothy, die wurde umgebracht, die wurde erschossen, meine Mitarbeiterin, da habe ich die Leute angezeigt. Dann gab es sexuelle Missbräuche an Kindern, ich habe die auch angezeigt. Und die Leute wollen mich weg.
Meyer: Seit Ende September ist ja bekannt, dass Sie den Alternativen Nobelpreis bekommen würden – ist das jetzt ein Schutz für Sie, dass Sie so prominent auch noch zusätzlich geworden sind durch diesen Preis?
Kräutler: Ich fühle mich nicht prominent, aber ich sage Ihnen, ich bin sehr dankbar dafür, für diesen Preis, weil das ist die internationale Anerkennung von dem, was ich bis jetzt getan habe, und für meinen Einsatz. Und die indigenen Völker in Brasilien und auch die Flussbewohner, die sind sehr stolz darauf, und ich freue mich darüber.
Meyer: Jetzt ist ja der Vertrag für dieses Riesenstaudammprojekt Belo Monte schon unterschrieben, Sie haben es auch gesagt, der Präsident Lula da Silva hat den Vertrag unterschrieben – heißt das, der Kampf ist nun verloren, Sie müssen aufstecken? Wie geht das weiter?
Kräutler: Nein, ich glaube immer noch nicht daran, es ist noch nicht zu Ende. Es gibt noch Prozesse vor Gericht wegen Verfassungsbruch, Lula hat sich über der Verfassung gewähnt. Und das kann er als Präsident nicht machen, dann ist der Rechtsstaat in Gefahr, der brasilianische Rechtsstaat. Und da denke ich immer noch, die Staatsanwaltschaft, die ist auf unserer Seite, und das ist für mich immer noch ein Punkt, da gehe ich davon aus, dass der Prozess nicht abgeschlossen ist. Also ich will jetzt nicht sagen, es kommt nicht, aber auf der anderen Seite kämpfen wir dagegen. Wir kämpfen immer noch dagegen und ich bin da nicht alleine. Weil die Konsequenzen vom Belo Monte, die sind unabsehbar.
Meyer: Für dieses Staudammprojekt – übrigens das drittgrößte in der Welt – wird ja auch geworben mit dem Argument, Brasilien hat sich enorm entwickelt, ökonomisch entwickelt, braucht sehr viel Strom, um diesen ökonomischen Aufschwung weiterzuführen. Und dieser Aufschwung wird ja manchmal von den Eliten des Landes der brasilianische Traum genannt, der Aufstieg Brasiliens zu einem der wichtigsten Industriestaaten der Welt – wie stehen Sie überhaupt zu diesem brasilianischen Traum?
Kräutler: Na, also ich steh dazu, ich meine, Brasilien hat sich entwickelt, das ist eindeutig, aber man darf nicht sagen, dass dieser Staudamm für Brasilien eigentlich ist, das ist für die Aluminiumgewinnung. Wir haben nichts davon in unserem Bundesstaat Pará. Was wir davon haben, ist, dass die Mitwelt, unsere Mitwelt kaputt geht. Aber alles andere muss unter diesem Aspekt gesehen werden, dass es nicht darum geht, dass man in die Häuser der Armen die Energie bringt, den Strom bringt, sondern es sind multinationale Firmen daran interessiert, dass aus Bauxit Aluminium gewonnen wird.
Meyer: Haben Sie denn andere Vorstellungen von einem sozial und ökologisch gerechteren Weg, wie könnte man den in Brasilien beschreiten?
Kräutler: Wir sind der reichste Bundesstaat von Brasilien, Pará, aber wenn man das Erziehungswesen, das Gesundheitswesen, Transport anschaut, dann sind wir ganz, ganz hinten dran. Also frage ich mich: Was heißt Fortschritt? Ich denke, wir müssen uns zuerst einsetzen, dass die Leute in die Schule kommen, dass die Leute auch gesundheitlich behandelt werden können, und das ist eben nicht der Fall. Fortschritt ist für mich, dass die Leute besser leben können, und ich denke, eine andere Welt ist möglich.
Meyer: Erwin Kräutler, Bischof in der brasilianischen Xingu-Region, gestern wurde er mit dem Alternativen Nobelpreis ausgezeichnet. Herr Kräutler, vielen Dank für dieses Gespräch!
Kräutler: Sehr gern!