Die inklusive Tanzkompanie SZENE 2WEI

"Alle Menschen sollen tanzen!"

34:49 Minuten
Tänzer posieren während einer Premiere auf der Bühne.
Die Tanzkompanie SZENE 2WEI: Umso unterschiedlicher die Tänzerinnen und Tänzer, desto vielfältiger die Bewegungen. © Deutschlandradio / Anna Goretzki
Von Anna Goretzki |
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Mitten im Schwarzwald kämpfen Tänzerinnen und Tänzer mit und ohne Behinderung dafür, dass zeitgenössischer Tanz diverser wird. Die Kompanie will dabei alles sein, nur nicht eins: besonders.
"Gobinde steht für bekräftigend, mukande für befreiend, udare für erleuchtend oder beschützend, apare für grenzenlos, hariyan für verändernd."
Ein weiter heller Raum mit großen offenen Fenstern, durch die ein warmer frühsommerlicher Wind weht. Auf dem Holzparkett sitzen im Kreis neun Tänzerinnen und Tänzer. Sie führen ihre Hände über den Kopf, vor die Brust, öffnen die Arme – so wie das Mantra es vorgibt, das der Choreograf Timo Gmeiner erklärt. Es sind Worte aus dem Sanskrit, die gut zu der Tanzkompanie passen: befreiend, grenzenlos, verändernd. An diesem Juninachmittag beginnen die Proben mit einer Meditation. Es ist der erste Probentag für das neue Stück von SZENE 2WEI.

"Für mich ist es normal, verschieden zu sein"

Es ist ein Tanzensemble, das besonders ist, ohne es sein zu wollen. Hinter Ricarda Noetzel steht ihr Rollstuhl. Die Tänzerin kann nicht laufen. Jörg Beese und Deborah Heim haben das Downsyndrom, Matthieu Bergmiller eine leichte geistige Behinderung. Dass etwa die Hälfte der Kompaniemitglieder geistige oder körperliche Besonderheiten haben, sollte aber eigentlich gar kein Thema sein, finden sie alle. Jörg Beese, fasst es so zusammen: "Für mich ist es normal, verschieden zu sein. Und auch zu akzeptieren, so wie wir sind. Alle Menschen sollen tanzen."
Tanz lebt von Bewegungen. Umso unterschiedlicher die Tänzerinnen und Tänzer, desto vielfältiger die Bewegungen – und desto reicher die Tanzkunst, so der Choreograf Timo Gmeiner. "Tanz ist ein Medium, da braucht es nicht unbedingt die verbalen Fähigkeiten. Da kann man unglaublich viel nonverbal über die Körpersprache und über die unterschiedlichen Körperlichkeiten auch ausdrücken. Das ist auch so, dass es sehr inspirierend und bereichernd ist. Und das ist definitiv eine Botschaft, die wir nach außen tragen möchten." Nach außen wollen sie ihre Tanzkunst das nächste Mal – so die Corona-Situation es erlaubt – in wenigen Monaten tragen. Extra angereist für den heutigen Probenbeginn des neuen Stücks sind der Spanier Fernando Balsera und der Japaner Eiji Takeda. Die beiden Profitänzer tanzen auch in anderen Ensembles. Mit SZENE 2WEI arbeiten sie jetzt auf die Premiere im Herbst hin. Bis dahin ist es aber noch ein weiter Weg.

Grazile Bewegungen auf dem Boden

Die Tänzerinnen und Tänzer verteilen sich im Raum, beginnen, sich langsam zu bewegen. William Sánchez, der zweite Choreograf, leitet das Aufwärmen an. Die Bewegungen beginnen klein, zuerst nur die Finger, dann die Hände, Unterarme. Dann werden sie größer, schließlich ist der ganze Körper beteiligt. Ricarda, ihre langen Haare hat sie zum Zopf gebunden, bewegt den Rollstuhl schnell durch den Raum, dreht sich mit ihm um die eigene Achse. Rhythmisch bewegt sie ihre Hände, Arme, Augen, den Oberkörper. Die Beine bleiben bewegungslos. Sie ist mit einer Fehlbildung der Wirbelsäule auf die Welt gekommen, einer sogenannten Spina bifida. Sie unterbricht das Training kurz.
Ricarda Noetzel und William Sánchez sitzen beim Training auf einer Gymnastikmatte.
Ricarda Noetzel lässt sich durch ihren Rollstuhl nicht vom Tanzen abhalten.© Deutschlandradio / Anna Goretzki
"Ich hatte als kleines Baby einen offenen Rücken, sehr viele Operationen. Ich hatte eine Operation hinten am Rücken, dann wurde hier ein Schand eingebaut." Sie zeigt auf ihre rechte Kopfseite. "Also so eine Pumpe, damit das Wasser... Also Spina bifida, wenn die die Pumpe nicht haben, dann kriegen die einfach zu viel Wasser im Kopf. Und dann hatte ich noch eine Hüftoperation. Das ist schon krass, manchmal."
Seit 2010 ist Ricarda Mitglied von SZENE 2WEI. Schon früh hat die 29-Jährige gemerkt, dass sie tanzen möchte. Ihr Rollstuhl hat sie nicht davon abgehalten. "Tanzen – das ist schön für mich. Und das ist auch mehr Bewegung. Weil: Ich habe irgendwie gemerkt, ich brauche Bewegung für meinen Kopf, aber auch für meinen Körper. Weil immer nur im Rolli sitzen, das ist natürlich dann auch nichts. Tanz bedeutet für mich Leichtigkeit und Stärke. Aber auch, dass ich durch den Tanz selbstbewusster geworden bin, eine selbstbewusste junge Frau geworden bin. Ich merke das selber in mir mittlerweile."
Ricarda stemmt sich hoch, gleitet nach vorne aus dem Rollstuhl. Auf dem Boden bewegt sie sich grazil, schlängelt, rollt, kniet, bäumt sich auf. Mal tanzt sie ihre Mittänzer, mal tanzen die anderen sie an. Kurze gemeinsame Improvisationen auf dem Boden.

Das Spiel mit Geschlechteridentitäten

Ricarda hebt sich schwungvoll in ihren speziellen Tanzrollstuhl, löst die Bremse und fährt zu William. Dieser hat einen großen Tisch mit einer Platte aus Plexiglas und einen Lorbeerbaum in die Mitte des Raumes geschoben. Zwei Elemente, mit denen die Tänzer und Tänzerinnen improvisieren sollen. Der Tisch ist die erste Requisite, die die Tänzer in das neue Stück integrieren sollen. Es geht um Gender, Diversität, Vielfalt, das Spiel mit Geschlechteridentitäten.
Jörg Beese macht den Anfang der Tischimprovisation. Er kippt den Tisch um, lässt seinen Körper über die nun horizontalen Tischbeine gleiten, bewegt sich dabei langsam und ganz bewusst. Dann schlängelt er sich hinter die Tischplatte, drückt Nase, Kinn und Wangen an der Plexiglasscheibe platt. Tisch und Tänzer scheinen zu verschmelzen.
William Sánchez, der künstlerische und choreografische Leiter der Kompanie, und Timo Gmeiner schauen hochkonzentriert zu. Beide haben sich an der renommierten Folkwang-Universität, wo sie zeitgenössischen Tanz und Tanztheater studiert haben, kennengelernt. Timo hatte schon erste Erfahrungen gemacht mit sogenannten Mixed-Ability-Gruppen, also der choreografischen Arbeit mit Tänzern mit und ohne Beeinträchtigungen. 2009 gründeten sie in Essen gemeinsam SZENE 2WEI.
Die Proben sind für heute zu Ende. Die Ensemblemitglieder verteilen sich im Raum auf ihren Matten, stretchen sich, entspannen und spüren den Bewegungen nach. Jörg liegt auf einem Bein, das andere hat er weit nach hinten gestreckt. Er erinnert sich an seine erste Tanzaufführung. Damals war er ganz frisch bei der Kompanie. "Da habe ich vor Freude auch ein bisschen geweint, weil es das erste Mal für mich war. Und das war auch der Grund zu sagen, ja, diesen Beruf will ich machen."

Zugang zu professioneller Tanzausbildung

SZENE 2WEI hat ihm einen Ausbildungsplatz zum Bühnentänzer angeboten. Es ist ein Modellprojekt. Jörg, Ricarda, Deborah und Matthieu arbeiten halbtags in den Werkstätten der örtlichen Behinderteneinrichtung, anschließend findet hier ihre Tanzausbildung statt. Das ist das Besondere daran. Denn oft haben Menschen mit Behinderung wegen fehlender Bildungsabschlüsse keinen Zugang zu professionellen Tanzausbildungen und damit auch keine Chance, sich auf dem freien Markt als Tänzer zu bewerben. Genau das hat Jörg aber vor. "Meine berufliche Zukunft, da stelle ich mir vor, dass ich gerne berühmt werden möchte. Überall, auf verschiedenen Bühnen, Auftritte zu machen. Mein Ziel ist: Ich will Tänzer werden."
Mitglieder der Kompanie SZENE 2WEI an einem gedeckten Kaffeetisch.
Die Mitglieder von SZENE 2WEI wollen beweisen, dass Menschen mit Behinderungen Tanz mit hohem künstlerischen Niveau auf die Bühne bringen können.© Deutschlandradio / Anna Goretzki
Mit der Ausbildung sollen Jörg, Ricarda, Deborah und Matthieu die Chance erhalten, auf dem ersten Arbeitsmarkt ihr eigenes Geld als Bühnentänzer zu verdienen. Für Timo und William ist SZENE 2WEI auch so etwas wie eine Mission. Sie wollen Intendanten, Theater, Choreografen, andere Tänzer und das Publikum überzeugen, dass Menschen mit Behinderung großes künstlerisches Tanzpotenzial haben können – und selbstverständlich die Chance bekommen sollten, Engagements auch in ganz herkömmlichen Kompanien zu erhalten. "Tanzen ist schon gemacht für jeden Menschen. Das ist eine Sprache, die der Körper hat. Jeder Körper kann Rhythmus haben, Fähigkeiten. Behinderung, dieses Wort Behinderung ist immer da und dieses Wort‚Menschen mit Behinderung ist immer da. Aber ich höre sehr selten: Menschen mit verschiedenen Fähigkeiten."
SZENE 2WEI fordert ein Umdenken im deutschen Tanzkulturbetrieb. In anderen Ländern seien sie da schon viel weiter, so die Choreografen, in Großbritannien zum Beispiel. Produktionen mit behinderten Künstlerinnen und Künstlern seien dort selbstverständlicher.
Vor fünf Jahren hat Jörg sich dafür entschieden, bei seinen Eltern in Nordrhein-Westfalen aus- und bei der SZENE-2WEI-WG im 450 Kilometer entfernten Lahr einzuziehen: ein großer Schritt in Richtung Selbstbestimmtheit für ihn. "Die haben auch gespürt, ja, der Jörg fühlt sich wohl in Lahr, dass ich gut aufgehoben bin mit unterschiedlichen Menschen hier, und sie haben den Umzug gemacht für mich, mein Zimmer, und ich bin dann ins Bürgerbüro gegangen zur Aufnahme und dann Schlüsselübergabe hier gemacht. Das war so emotional. Unglaublich. Ja, das war ein großer Schritt für mich und das wollte ich auch."

Schreckmoment bei der Generalprobe

Anfang Oktober. In drei Tagen ist Premiere. Im Lahrer Probenraum markiert grüne Klebefolie auf dem Boden die Bühne. Lautsprecher stehen herum und ein weiterer Tänzer probt mit: der Mexikaner José Manuel Ortiz Sánchez. Ricarda rollt an ihre Position für den ersten Part der Probe. In der Mitte des Raumes steht wieder der transparente Tisch. An einem DJ-Pult kreist Joséma grazil die Hüften. Er wird eine Drag Queen spielen. Das Thema des Stücks mit dem Titel "No name * – Das Muxical" ist auch jetzt schon nur anhand der Bewegungen der Tänzer deutlicher zu erkennen. William läuft durch den Raum, widmet sich mal dem einen, mal der anderen, verschiebt Lautsprecher, wickelt Kabel auf. Die Tänzer und Tänzerinnen scheinen nervös, er auch.
Die letzten Wochen waren anstrengend für das Ensemble - die Ungewissheit, ob die Hygieneregeln vielleicht wieder strenger werden und die ganze Probenarbeit umsonst sein könnte, haben Nerven gekostet. Jetzt scheint zumindest aber die Premiere sicher. Der zweite Probenblock heute aber startet mit einem Schreck. Bei einer dynamischen Szene springen die Tänzer und Tänzerinnen abwechselnd auf den Tisch, schieben ihn rennend durch den ganzen Raum. Plötzlich hält sich Jörg die Wange, er hat offensichtlich Schmerzen. William bricht die Szene ab. William, Jörg und Anne Hélène Kotoujansky, die Projektassistentin, ziehen sich zurück. Nach kurzer Zeit: Entwarnung.
Generalprobe für Maske und Kostümierung. Die Ensemblemitglieder sitzen auf dem Boden der WG. Unzählige Pinsel, Puderdöschen, Haarsprays, Lidschattenpaletten stehen herum. Jeder der neun Tänzer und Tänzerinnen hat einen DIN-A4 großen Farbdruck seines Maskensbilds vor sich liegen. Bei der Premiere wird Zeitdruck herrschen. Für manche ist es schwierig, damit umzugehen.
SZENE 2WEI ist es wichtig, dass keiner mit dem Druck alleine ist. Gegenseitig unterstützen sie sich beim Schminken, aber auch sonst. Das sei das Besondere an dieser Kompanie, meint Fernando Balsera, der etwas abseits damit beschäftigt ist, seinen Bart lila zu färben. Er ist den Wettbewerb und die ausgefahrenen Ellbogen in anderen, herkömmlichen Kompanien gewöhnt.

Diversität fördert Kreativität

"Was ich ganz interessant an diesem Prozess und dieser Konstellation finde, ist, dass alle ganz unterschiedlich sind und mit ganz unterschiedlichen Fähigkeiten. Es gibt keine Konkurrenz und kein Vergleichen. Jeder von uns hat Fähigkeiten, kann die Arbeit in eine Richtung entwickeln. Und was wir als Gruppe versuchen, ist, diesen Prozess zu unterstützen. Diversität kann das bringen." Jörgs Wangen zieren jetzt rote Dreiecke. Die Augenbrauen sind kaum noch sichtbar, dafür ist sein Gesicht an vielen Stellen gelb. Er wirkt wie verwandelt.
José Manuel Ortiz Sánchez schminkt eine der Tänzerinnen.
Weil bei Aufführungen Zeitdruck herrscht, unterstützen sich alle Tänzerinnen und Tänzer gegenseitig beim Schminken.© Deutschlandradio / Anna Goretzki
Jörgs Eltern sind angekommen. Sie sind quer durch Deutschland gereist, um ihren Sohn zu besuchen und bei der Premiere dabei zu sein. Petra und Klaus Beese sind stolz auf ihren Sohn. "Ich bin einfach nur überrascht, was da so alles drinsteckt in dem Jungen. Ich bin total froh darüber, was das für eine Entwicklung genommen hat hier mit der Tanzkompanie und mit Jörg im Besonderen und wie selbständig der geworden ist und wie gut er seine Rollen beherrscht. Für mich ist das faszinierend."
"Diese Entwicklung ist sensationell. Hätten wir niemals erwartet, dass der Jörg mal so selbständig und seinen Talenten entsprechend leben und agieren kann."
In kompletter Kostümierung und mit Schminke sind die Tänzer und Tänzerinnen ein letztes Mal im Probenraum. Erstmalig tanzen sie das ganze Stück durch. Jörg kniet auf dem Boden, er schreit. Das ist Teil seiner Rolle. Sein trainierter Oberkörper ist nackt, durch die Schreie zeichnet sich jeder Bauchmuskel ab. Ricardas Rollstuhl ist Requisit. Sie selbst verlässt ihn immer wieder, wird von ihren Kollegen durch den Raum gezogen, getragen, tanzt selber auf dem Boden oder dem Tisch. Nach der Probe ist die Erleichterung auf die Gesichter geschrieben. Ricarda holt sich etwas zu trinken. "In den ersten Proben hat sich das total komisch angefühlt, dass mich so drei Leute wirklich heben, weil der eine ist stärker als der andere, und dann hatte ich immer so Unsicherheit. Aber jetzt mittlerweile kann ich den Dreien echt vertrauen, dass sie mich sicher auf den Tisch bringen."

Verzaubert vom Farb- und Bewegungsspiel

Dann ist er da: der lang ersehnte Premierenabend in Reutlingen. 33 statt wie geplant 195 Zuschauer sind gekommen. Die Corona-Beschränkungen geben das vor. In der Garderobe des Theaters "Die Tonne" herrscht konzentrierte Betriebsamkeit. William flicht Jörg eng am Kopf anliegende Zöpfe. Anne Hélène schminkt Deborah. Jörg richtet den Kragen seines schwarzen Ganzkörperanzugs auf. Ricarda sitzt in der Nachbargarderobe und bereitet sich auf den Auftritt vor. Auch sie strotzt vor Selbstbewusstsein: "Ich glaube, mit meiner Ausstrahlung, mit meinem Potenzial als Tänzerin anderen zu zeigen, dass ich tanzen kann."
Dann trifft sich die Gruppe backstage. Sie stehen im Kreis, legen die Arme umeinander. Timo stimmt noch einmal das Team ein. Gleich geht es raus auf die Bühne. Diese ist in rotes Licht getaucht. Jörg sitzt im Rollstuhl, dreht sich, lässt sich drehen, breitet die Arme wie zum Flug aus. Das Stück "No name * – Das Muxical" ist zu Beginn leise und zurückhaltend und steigert sich dann ins Furiose. Das Stück verwirrt. Absichtlich. Es ist ein Spiel mit den Identitäten. Zu- und Beschreibungen für die Figuren lassen sich nicht festlegen.
Mit erhobenen Armen tanzt Jörg Beese ein Solo.
Jörg Beese strebt eine berufliche Zukunft als professioneller Bühnentänzer an.© Deutschlandradio / Anna Goretzki
Kaum meint man, eine Rolle fassen zu können, verschwimmen ihre Konturen auch schon wieder. Die Zuschauer und Zuschauerinnen schauen gebannt zu. Auch Jörgs Eltern sitzen wie verzaubert von dem Farb- und Bewegungsspiel, dass sie dort auf der Bühne sehen. In der Schlussszene tritt José Manuel als Drag Queen im silbrig glitzernden hautengen Hosenanzug auf. Das Publikum klatscht rhythmisch. Der Höhepunkt der Show. Das Publikum ist begeistert. Mit Applaus holt es die Tänzer und Tänzerinnen mehrmals auf die Bühne zurück. Diese fassen sich an den Händen, verbeugen sich gemeinsam. Jörg winkt und flirtet mit den ersten Reihen, verteilt Luftküsse. Ricarda lächelt glücklich.
After-Show-Party. Es gibt Bier, Limo und Pizza. Das Ensemble, Unterstützerinnen, Mitarbeiter und Jörgs Eltern sitzen um einen großen Tisch. Klaus und Petra Beese neben ihrem Sohn. Sie strahlen. Jörg, der sonst so wortgewandt ist, wirkt zufrieden, aber erschöpft. Nur vier Worte kommen ihm über die Lippen: "Sehr schön und erleichtert."
Jörgs Mutter reicht ihm ein Pizzastück. Die Aufführung hat sie bestärkt in der Überzeugung, dass Jörg eine Zukunft als Profitänzer haben kann. "Ich denke, das schafft er. Er ist so ehrgeizig. Ja, so fokussiert. Ich bin überzeugt, dass er das schafft."

Vielfalt in seiner ganzen Radikalität

Auch auf Williams Gesicht zeichnet sich eine Mischung aus Zufriedenheit und Müdigkeit ab. "Die Resonanz vom Publikum war großartig. Obwohl nicht so viele Menschen da waren wegen der Situation, die wir gerade haben. Aber die Energie war da. Ich konnte das wirklich von oben, wo ich war, so sehen. Die waren ganz fokussiert. Die Konzentration war da." Seine und überhaupt die Hoffnung von SZENE 2WEI ist, dass heute wieder mehr Leute verstanden haben, dass Menschen mit Beeinträchtigungen Tanz mit hohem künstlerischen Niveau auf die Bühne bringen können.
Sein großer Traum: eines Tages ein Tanzzentrum zu leiten, das völlig selbstverständlich von Tänzern und für Tänzer mit den unterschiedlichsten Herkünften, Hintergründen und Körpern ist. Ein Zentrum, in dem "menschliche Vielfalt" in seiner ganzen Radikalität gedacht und gelebt wird, indem nicht einmal mehr durch Worte unterschieden wird, ob jemand Mann, Frau, divers, "behindert" oder "nicht behindert" ist.
"Man könnte einfach die Menschen beim Geburtsnamen nennen. Ich bin William oder er heißt José. Du musst nicht sagen, diese Person ist so und so und so. Wir haben schon einen Namen. Das ist genug."
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