Die intelligente Boutique

Von Michael Engel |
Hinter der Bezeichnung RFID verbirgt sich ein Funkchip, der die Einkaufswelt erobert. Seit kurzem näht zum Beispiel der Hersteller "Gerry Weber" die Funkchips in seine Textilien ein. Kunden haben dadurch die Möglichkeit, Zusatzinformationen zum Kleidungsstück abzurufen. Datenschützer jedoch warnen.
Shopping ist ganz schön anstrengend: Viele Kunden pendeln zwischen Umkleidekabine und Verkaufsraum – auf der Suche nach der passenden Größe, der passenden Farbe, und der Preis muss auch noch stimmen. In Zukunft ist alles anders. Sogenannte "RFIDs" - Funkchips, die in die Kleidung eingenäht werden – revolutionieren den Einkauf in der Boutique, prophezeit Christian von Grone – IT-Chef bei einem Damenbekleidungshersteller:

"Was wir im Augenblick machen, wir bringen halt RFID in unsere Textilien, so dass wir künftig die Voraussetzung haben und mit ganz vielen unterschiedlichen Technologien am 'Point of Sale' dann zu experimentieren. Das können intelligente Spiegel sein, die halt erkennen, was man da vorhält und dann den richtigen Preis, die Pflegeanleitung und ähnliches anzeigen. Das könnte eine intelligente Umkleidekabine sein, wo die Kunden dann Bestandsinformationen für kombinationsfähige Teile angezeigt bekommen. Wo sie dann vielleicht auf Knopfdruck sagen können: 'ich möchte dieses Teil gerne eine Größe kleiner oder größer haben.'"

In der Boutique der Zukunft: Kein Problem. Informationen finden sich auf dem Bildschirm direkt in Sichtweite. Möglich ist das alles wie gesagt durch "RFID". Die Funkchips sind hauchdünn, kaum größer als ein Fingernagel, flexibel, wasserdicht, und sie stecken unsichtbar verborgen zum Beispiel im Pflegeetikett.

Funkchips senden eine Produkt-ID, eine Art Barcode, an die Empfangsstation. Der angeschlossene Boutique-Rechner blendet dann – passend zum jeweiligen Kleidungsstück – weitere Informationen ein: Sichtbar im Spiegel oder auf einem Monitor.

"Dafür braucht man eine gut gepflegte Produktdatenbank, die zu jedem Teil dann die Wasch- und Pflegeinformation kennt. Die verfügbaren Größen und Farben, natürlich auch den aktuellen Bestand, dass eine Kundin, die in die Kabine geht mit der Größe 38 dann dort direkt sieht, das Ganze gibt’s auch in Größe 36 und in 40, auch in Beige und in Grün, aber nicht in Braun. Und das muss aus einer gut gepflegten Datenbank gespeist werden."

Vorbei ist bald auch das Zahlenwirrwarr auf den Etiketten. Manchmal stehen drei oder vier verschiedene Preise auf den Schildern. Irritierend für die Kunden. Teuer für die Boutiquen. Preisschilder von Hand auszuzeichnen, kostet rund 30 Cent pro Kleidungsstück. Mit Funkchips ist das nur noch ein Mausklick, mit bundesweiter Wirkung sogar, erklärt Wolfgang Bode, Professor für "Betriebliche Logistik" der Hochschule Osnabrück:

"Es wird aktueller Weise immer der Preis angezeigt, der im zentralen Warenwirtschaftssystem abgelegt ist. Und der ist dann über Computer vom zentralen Vertriebsleiter schnell veränderbar. Gegebenenfalls abends nach den Wetternachrichten, die er gesehen hat, wo vielleicht drei Tage Regenwetter vorausgesagt worden sind, dass er dann bei einer großen Filialkette bei mehreren hundert Geschäften per PC über Internet sämtliche Regenmäntel beispielsweise um einen gewissen Prozentsatz im Preis erhöhen kann, weil diese Teile ja dann mit hoher Wahrscheinlichkeit häufiger gekauft werden. Und wo dann nicht so sehr auf den Preis geachtet wird. Und das nennt man dann Margenoptimierung."

Das Preisschild der Zukunft ist ein Streichholzschachtel großes Display, im Bügel eingearbeitet. Hängt ein Kleidungsstück drauf, liest der intelligente Bügel die ID-Nummer und holt sich – ebenfalls per Funk – die notwendige Preisinformation vom Boutique-Rechner. Professor Bode hat den elektronischen Kleiderbügel zusammen mit Textilhändlern und Logistikfirmen zur Marktreife entwickelt:

"Natürlich ist es dann auch üblich, erfahrungsgemäß, dass Kunden im Geschäft ein Textil von einem Kleiderbügel auch mal herunter nehmen. Dann ist das nicht weiter schlimm, weil beim Draufhängen wird wieder der Transponder gelesen, und per Funk werden dann wieder die aktuellen Daten abgefragt, und dann stimmen Textil und Daten wieder überein auf dem Kleiderbügel."

Die Entwicklung wird nach Meinung von Fachleuten eher im Segment Massenware einsetzen. Weniger in der Edelboutique, wo die Kunden lieber eine persönliche Beratung wünschen. Mit weit über 100.000 Euro sind die Investitionen für diese neue Technik nicht gerade klein. Funkchips in der Kleidung öffnen Tür und Tor leider auch für den Missbrauch. Christian von Grone empfiehlt, die Chips herauszutrennen:

"Die Datenschützer haben die Befürchtung, dass wenn RFID-Chips in die Kleidung integriert sind, dass ein Kunde dann beim Wiedereintreten in den Laden erkannt werden könnte, wenn ich den RFID-Chip zusammen mit den Kundendaten gespeichert habe. Oder dass ich dann ein Bewegungsprofil erstellen könnte, wenn ich mit dem gleichen Chip verschiedene Läden nacheinander besuche. Und deswegen weisen wir die Kunden aktiv darauf hin, dass der Chip entfernt werden kann. Und wir gehen davon aus, dass die Kunden, die in der Regel auch jetzt schon das Pflegeetikett nach dem Kauf entfernen, das dann mit einem RFID-Chip, der drin ist, genauso tun."

Seit kurzem näht der Damenbekleidungshersteller "Gerry Weber" die Funkchips in seine Textilien ein. In einem Kaufhaus in Leipzig läuft bereits ein Test. Die elektronische Boutique steht in den Startlöchern.