Die Jugendlichen und der Papst
Tausende Jugendlicher haben in den vergangenen Tagen dem Papst zugejubelt, als sei er ein Popidol. Stundenlang haben sie gewartet, manche Unannehmlichkeit auf sich genommen. Was eigentlich steckt hinter der Begeisterung für das Oberhaupt der katholischen Kirche? Ist es wirklich die Wiederkehr der christlichen Religion? Teilen diese jungen Leute auch die rigiden Moralvorstellungen, die der amtierende Papst in derselben Härte wiederholt hat, wie er sie schon als Präfekt der Glaubenskongregation vertreten hat?
Schließlich hat er kurz vor dem Weltjugendtag eigens den Katechismus zu einer Taschenausgabe gekürzt. Wer wissen will, was die katholische Kirche vertritt, kann das dort genau nachlesen – es unterscheidet sich in nichts von den allseits bekannten Moralvorstellungen der Vergangenheit. Der Papst bleibt hart in der Sache, wenn auch milder im Ton als in seiner Rolle als Präfekt der römischen Glaubenskongregation.
Schließlich ist es genau jener Josef Kardinal Ratzinger, der nach dem Weltjugendtag im Jahre 2000 über die Jugendlichen, die einerseits seinem Vorgänger zujubelten, andererseits eine Wiese von Kondomen zurückließen, sagte: "Die brauchen wir nicht, diese Jugendlichen".
Auch in Köln ist der Kondomverkauf wieder sprunghaft angestiegen. In Turnhallen, Schulen und anderen Massenquartieren, seien sich die Jugendlichen durchaus auch begegnet, äußerte einer der Geistlichen mit der gebotenen Zurückhaltung. Es mag schizophren sein, wenn Jugendliche einerseits dem Papst zujubeln, andererseits seine Morallehre ignorieren. Einer der jungen Leute hat dazu erläutert, es sei wie bei der eigenen Großmutter. Man wisse, was sie für richtig halte und tue trotzdem das Gegenteil.
Aber es ist nicht nur die rigide Morallehre. Wer wollte schon Religion auf Moral reduzieren. Manches, was die Jugendlichen in Köln willig und begeistert mitmachten, mutet geradezu voraufklärerisch, fast mittelalterlich an. Da sind Ablaß, Reliquienverehrung und eine machtvolle Demonstration des päpstlichen Primates. All das wird willig mitgemacht, friedlich und fröhlich gefeiert – die Wirklichkeit mit ihren Ecken und Kanten, Widersprüchen und Schwierigkeiten ist ausgeblendet.
Was sich in Köln in dieser Woche, aber auch in Rom beim Begräbnis des Papstes abgespielt hat, ist mehr als Personenkult.
Nach dem islamistischen Schock scheint das Religiöse in diffuser Form wieder anziehend geworden zu sein. Die Anlässe sind nahezu austauschbar. Der Dalai Lama könnte vermutlich ähnliche Aufmerksamkeit erreichen wie der Papst.
Doch was interessiert eigentlich an Religion? Es sind weder Kirchenlehre noch Inhalte – jedenfalls nicht in erster Linie. Vielmehr scheint es das Geschehen als solches zu sein, das religiös inszenierte Großereignis, das in Bann zieht. Für Jugendliche, deren Leben sich in der Regel gut behütet und abenteuerarm vollzieht, sind solche Ausnahmen vom Alltag prickelnde Ereignisse, weil sie ein Geborgenheitsgefühl in der Gemeinschaft auf Zeit vermitteln, ohne wirklich zu binden oder gar festzulegen. Das öffentliche Interesse der Medien, auch der gesamten Politik vermittelt den Teilnehmern den Eindruck, ein außerordentliches, geradezu historisches Ereignis aus nächster Nähe zu erleben. Es handelt sich also mehr um ein religiöses Bedürfnis als um Religion oder gar christlichen Glauben.
Es spricht vieles dafür, daß nicht der Glaube gewachsen ist, sondern daß es ein riesiges Sinnvakuum gibt. Plurale Gesellschaften, die jeden dazu zwingen, sich täglich zwischen unzähligen Möglichkeiten zu entscheiden, steigern die Sehnsucht nach religiösen Antworten. Denn die Orientierungsnöte sind groß. Vielleicht gehört es zu den Kehrseiten der Individualisierung, die von der Kirche viel gescholten wurde, daß Menschen gleichzeitig in der Masse Sicherheit suchen. Es kann kaum die Rede davon sein, daß die Religion zurückkehrt und Tausende ergreift, sondern Tausende greifen nach etwas, was sie für das Religiöse halten. Sie suchen nach der Möglichkeit, die selbst erfahrene Leere aufgefüllt zu sehen.
Ohne Religion, so befürchten viele, gibt es keine Werte mehr. Von diesen Wertvorstellungen der katholischen Kirche war in Köln durchaus die Rede. Vielleicht werden viele sie einfach in Tugenden übersetzen, die das Zusammenleben erleichtern: Rücksicht, Nächstenliebe, Gerechtigkeit. Darauf könnten sich wohl nicht nur die Religionen, sondern auch Nichtchristen einigen.
Wird Religion jedoch auf Moral reduziert, bleibt sie nicht mehr als ein Mittel zum Zweck. Übrig bleibt dann eine weichgespülte Religion, die keine Widerständigkeit mehr kennt, ein Christentum ohne Schärfen und Kanten, ein lieber Gott, der nicht zürnt, nicht straft und nicht richtet. Solche harmonieseligen Vorstellungen haben mit dem Christentum nichts mehr zu tun. Es ist allenfalls ein allgemeines Gefühl des Glaubens, häufig mit dem Gummiwort Spiritualität bezeichnet. Das sagt alles und nichts.
Darin liegt die Gefahr solcher Großveranstaltungen wie dem Weltjugendtag. Viele werden glauben, in der Massenseligkeit schon auf dem rechten Weg zu sein. Aber der christliche Glaube muß seine härteste Bewährungsprobe in den Krisensituationen bestehen. Mit den existentiellen Fragen, Zweifeln und der Ausweglosigkeit sind Menschen meistens allein. Es ist kein Zufall, daß die Kirchen solche Grundsituationen des Lebens inzwischen als religiöse Fragen ausgeben.
Was vom Kölner Massentaumel bleibt, wird sich also erst zuhause beweisen müssen. Erst in den kommenden Wochen und Monaten wird sich entscheiden, ob Köln mehr als ein begeisterndes Event war.
Schließlich ist es genau jener Josef Kardinal Ratzinger, der nach dem Weltjugendtag im Jahre 2000 über die Jugendlichen, die einerseits seinem Vorgänger zujubelten, andererseits eine Wiese von Kondomen zurückließen, sagte: "Die brauchen wir nicht, diese Jugendlichen".
Auch in Köln ist der Kondomverkauf wieder sprunghaft angestiegen. In Turnhallen, Schulen und anderen Massenquartieren, seien sich die Jugendlichen durchaus auch begegnet, äußerte einer der Geistlichen mit der gebotenen Zurückhaltung. Es mag schizophren sein, wenn Jugendliche einerseits dem Papst zujubeln, andererseits seine Morallehre ignorieren. Einer der jungen Leute hat dazu erläutert, es sei wie bei der eigenen Großmutter. Man wisse, was sie für richtig halte und tue trotzdem das Gegenteil.
Aber es ist nicht nur die rigide Morallehre. Wer wollte schon Religion auf Moral reduzieren. Manches, was die Jugendlichen in Köln willig und begeistert mitmachten, mutet geradezu voraufklärerisch, fast mittelalterlich an. Da sind Ablaß, Reliquienverehrung und eine machtvolle Demonstration des päpstlichen Primates. All das wird willig mitgemacht, friedlich und fröhlich gefeiert – die Wirklichkeit mit ihren Ecken und Kanten, Widersprüchen und Schwierigkeiten ist ausgeblendet.
Was sich in Köln in dieser Woche, aber auch in Rom beim Begräbnis des Papstes abgespielt hat, ist mehr als Personenkult.
Nach dem islamistischen Schock scheint das Religiöse in diffuser Form wieder anziehend geworden zu sein. Die Anlässe sind nahezu austauschbar. Der Dalai Lama könnte vermutlich ähnliche Aufmerksamkeit erreichen wie der Papst.
Doch was interessiert eigentlich an Religion? Es sind weder Kirchenlehre noch Inhalte – jedenfalls nicht in erster Linie. Vielmehr scheint es das Geschehen als solches zu sein, das religiös inszenierte Großereignis, das in Bann zieht. Für Jugendliche, deren Leben sich in der Regel gut behütet und abenteuerarm vollzieht, sind solche Ausnahmen vom Alltag prickelnde Ereignisse, weil sie ein Geborgenheitsgefühl in der Gemeinschaft auf Zeit vermitteln, ohne wirklich zu binden oder gar festzulegen. Das öffentliche Interesse der Medien, auch der gesamten Politik vermittelt den Teilnehmern den Eindruck, ein außerordentliches, geradezu historisches Ereignis aus nächster Nähe zu erleben. Es handelt sich also mehr um ein religiöses Bedürfnis als um Religion oder gar christlichen Glauben.
Es spricht vieles dafür, daß nicht der Glaube gewachsen ist, sondern daß es ein riesiges Sinnvakuum gibt. Plurale Gesellschaften, die jeden dazu zwingen, sich täglich zwischen unzähligen Möglichkeiten zu entscheiden, steigern die Sehnsucht nach religiösen Antworten. Denn die Orientierungsnöte sind groß. Vielleicht gehört es zu den Kehrseiten der Individualisierung, die von der Kirche viel gescholten wurde, daß Menschen gleichzeitig in der Masse Sicherheit suchen. Es kann kaum die Rede davon sein, daß die Religion zurückkehrt und Tausende ergreift, sondern Tausende greifen nach etwas, was sie für das Religiöse halten. Sie suchen nach der Möglichkeit, die selbst erfahrene Leere aufgefüllt zu sehen.
Ohne Religion, so befürchten viele, gibt es keine Werte mehr. Von diesen Wertvorstellungen der katholischen Kirche war in Köln durchaus die Rede. Vielleicht werden viele sie einfach in Tugenden übersetzen, die das Zusammenleben erleichtern: Rücksicht, Nächstenliebe, Gerechtigkeit. Darauf könnten sich wohl nicht nur die Religionen, sondern auch Nichtchristen einigen.
Wird Religion jedoch auf Moral reduziert, bleibt sie nicht mehr als ein Mittel zum Zweck. Übrig bleibt dann eine weichgespülte Religion, die keine Widerständigkeit mehr kennt, ein Christentum ohne Schärfen und Kanten, ein lieber Gott, der nicht zürnt, nicht straft und nicht richtet. Solche harmonieseligen Vorstellungen haben mit dem Christentum nichts mehr zu tun. Es ist allenfalls ein allgemeines Gefühl des Glaubens, häufig mit dem Gummiwort Spiritualität bezeichnet. Das sagt alles und nichts.
Darin liegt die Gefahr solcher Großveranstaltungen wie dem Weltjugendtag. Viele werden glauben, in der Massenseligkeit schon auf dem rechten Weg zu sein. Aber der christliche Glaube muß seine härteste Bewährungsprobe in den Krisensituationen bestehen. Mit den existentiellen Fragen, Zweifeln und der Ausweglosigkeit sind Menschen meistens allein. Es ist kein Zufall, daß die Kirchen solche Grundsituationen des Lebens inzwischen als religiöse Fragen ausgeben.
Was vom Kölner Massentaumel bleibt, wird sich also erst zuhause beweisen müssen. Erst in den kommenden Wochen und Monaten wird sich entscheiden, ob Köln mehr als ein begeisterndes Event war.