Die Karriere des Robert Koch

Rezensiert von Christine Westerhaus |
Der Autor Christoph Gradmann zeichnet in dem Buch "Krankheit im Labor" die wissenschaftliche Karriere von Robert Koch nach, der den Medizin-Nobelpreis für seine Forschungen an der Tuberkulose erhielt. Es bietet nicht nur einen Überblick über die Entwicklung der medizinischen Bakteriologie, sondern verschafft dem Leser auch eine Vorstellung davon, wie neue wissenschaftliche Disziplinen entstanden sind.
Tuberkulose - diese Diagnose bedeutete noch Mitte des 19. Jahrhunderts für viele Menschen das sichere Todesurteil. Woher dieses Leiden kam und warum es von Mensch zu Mensch übertragen wurde, war damals unbekannt. Robert Koch löste dieses Rätsel 1882. Er fand heraus, dass ein Bakterium schuld war an den Symptomen dieser Krankheit. Und er konnte nachweisen, dass sich die Tuberkulose über diesen Erreger von Mensch zu Mensch verbreitet.

Nachdem Robert Koch diese bahnbrechende Entdeckung machte, erkannten auch andere Mediziner, dass viele ansteckende Leiden durch Bakterien übertragen werden. Dieses Wissen begründete damals die "medizinische Bakteriologie", eine neue wissenschaftliche Disziplin, deren Entstehungsgeschichte Christoph Gradmann in seinem Buch "Krankheit im Labor" nachzeichnet. Die enorme Bedeutung von Robert Kochs Forschungen für die Entstehung dieses Arbeitsgebiets erklärt der Autor so:

"Von ihm selbst oder aus dem Kreise seiner Mitarbeiter oder Schüler wurden nach etwa 1875 wichtige Methoden zur Untersuchung von Bakterien wie Bakterienfärbung, feste Nährböden oder Mikrophotographie eingeführt, Kriterien zum Nachweis bakterieller Krankheitserzeugung formuliert und schließlich Tiermodelle zum Studium solcher Krankheiten entwickelt. In ihrer Bedeutung sind diese Arbeiten kaum zu überschätzen."

Anhand von Tiermodellen, also Labortieren, die er künstlich mit bestimmten Krankheiten infizierte, untersuchte Koch die Entstehung und den Verlauf von Infektionen. Die Grundlage für dieses Buch bildete Gradmanns Habilitationsschrift, die er komplett überarbeitet hat. Herausgekommen ist dabei ein interessantes und anschaulich geschriebenes Buch, das trotz des wissenschaftlich sehr hohen Anspruchs überwiegend gut lesbar ist.

Es bietet nicht nur einen sehr guten Überblick über die Entwicklung der medizinischen Bakteriologie, sondern verschafft dem Leser auch eine Vorstellung davon, wie neue wissenschaftliche Disziplinen in der Geschichte entstanden sind. Sehr ausführlich schildert der Autor auch den Verlauf der so genannten Tuberkulin-Affäre, in der sich der angesehene und geachtete Mediziner Koch wissenschaftlich alles andere als korrekt verhielt. Koch hatte ein Wunderheilmittel gegen die Tuberkulose, das Tuberkulin, präsentiert. Im Nachhinein erwies es sich als unwirksam. Erst als die öffentliche Kritik immer lauter wurde, lüftete er einen Teil der Geheimnisse um sein Medikament.

"In dieser Situation konnte Koch sich der vielfach erhobenen Forderung, Informationen zur Zusammensetzung seines Mittels zu geben, nicht mehr länger entziehen. Er veröffentlichte (…) eine allgemein gehaltene Zusammensetzung des Tuberkulins. Danach ergriff er die Flucht. (…) In seiner Abwesenheit wurde immer klarer, dass das Tuberkulin die behauptete spezifische Wirkung nicht besaß und er offenbar außerstande war, seine mit Tuberkulin geheilten Meerschweinchen vorzuweisen. Gleichzeitig wurden vermehrt Verschlimmerungen von Krankheitszuständen und sogar fatale Verläufe nach der Anwendung von Tuberkulin bekannt."
Gradmann zeichnet diese Wende in Kochs wissenschaftlicher Karriere detailliert und anschaulich nach. Ausführlich schildert er, wie die Euphorie um das angeblichen Wundermittel allmählich in massive Kritik umschlug und der vermeintlich ehrwürdige Wissenschaftler versucht, sich aus der Affäre zu ziehen. Der Erzählstil des Autors macht diese Passagen gut lesbar und spannend. In Afrika forschte er vor allem an der Therapie der Schlafkrankheit und der Malaria. An die wissenschaftlichen Erfolge seiner Anfangszeit konnte der Mediziner jedoch nicht wieder anknüpfen. Zudem hatte die Tuberkulin-Affäre seinen Ruf als angesehener Forscher beschädigt.
"Koch, ein hoch geehrter und angesehener Wissenschaftler, vermochte der Bakteriologie seiner Zeit nicht mehr viel Positives abzugewinnen und sehnte sich zurück in die Jahre um 1880. Wo anfangs Forschungsthemen im Überfluss vorhanden waren, gab es um das Jahr 1900 einen Überfluss an Forschern, die dem Gründervater das Leben schwer machten. (…)"
Gradmann liefert mit seinem Buch einen umfangreichen und interessanten Überblick über die Anfänge der medizinischen Bakteriologie. Auch Laien, die sich für Wissenschaftsgeschichte interessieren, ist dieses Buch zu empfehlen. Zahlreiche Anekdoten und Zitate zeitgenössischer Forscher und Abbildungen von Kochs Laboraufzeichnungen vermitteln dem Leser zudem ein Bild von der wissenschaftlichen Arbeitsweise der Mediziner Ende des 19. Jahrhunderts. Warum der Autor an manchen Stellen Fachbegriffe benutzt, die er nicht erklärt und auch nicht in einem Glossar erläutert, ist allerdings unverständlich. Dadurch macht er es Laien unnötig schwer, dem Thema zu folgen.


Christoph Gradmann: "Krankheit im Labor. Robert Koch und die medizinische Bakteriologie", Wallstein Verlag, 38 €, 376 Seiten mit 16 Abbildungen