Die Kim-Il-Sung-Blume auf dem Dach
Das Haus der Kulturen der Welt in Berlin ist heute Treffpunkt für Künstler aus aller Welt. 1957 wurde es als Kongresshalle eröffnet und war zugleich ein ideologisches Statement gegen die sozialistischen Bauten im Osten der Stadt. Eine Ausstellung beleuchtet nun die sich verändernde Rolle des Hauses und die politische Einflussnahme auf Architektur.
Die Kongresshalle war ein Geschenk der Amerikaner an die geteilte Stadt Berlin. Mit einer Internationalen Bauhausstellung wurde 1957 ideologisch Stellung bezogen.
Ângela Ferreira: "Mich interessiert die Tatsache, dass Gebäude Strukturen sind, die wir politisch lesen können. Wissen Sie, dass Gebäude nicht einfach nur Dinge sind, die wir betreten und verlassen, ohne über sie nachzudenken. Sie sind Objekte, sie stehen in unserem Raum, sie haben eine Geschichte, sie wurden aus einem Grund gebaut, sie werden auf eine bestimmte Weise bewohnt. Und ich interessiere mich dafür, wie Gebäude politische Symbole sein können."
Ângela Ferreira gehört zu den zehn Künstlern und Künstlerinnen, die sich mit der Ikone der Nachkriegsmoderne auseinandersetzen. Die Kongresshalle war in den 50er- und 60er-Jahren neben der Gedächtniskirche und einem Stück Stadtautobahn in Halensee eines der beliebtesten Postkartenmotive von West-Berlin.
Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Die Kongresshalle war nicht nur ein spektakulärer Bau, sie war auch politische Munition im Kalten Krieg. Ein handfestes Statement, das selbstbewusst in Richtung Osten blickte, wo die noch junge DDR an ihrer sozialistischen Hauptstadt baute.
Jetzt versucht Ângela Ferreira der Ideologie der Kongresshalle auf die Spur zu kommen. Im Mai 1980 war die Dachkonstruktion der Kongresshalle eingestürzt. Ângela Ferreira zeigt jetzt Bilder vom zerstörten Dach, die sie mit Aufnahmen eines Hotels aus Mosambik konfrontiert, das nie eröffnet wurde und später dem Bau der amerikanischen Botschaft weichen musste.
"Ich überblende buchstäblich die Implosion des Gebäudes in Mosambik mit der Dokumentation des zerstörten Dachs von diesem Gebäude und hoffe dabei, dass die politischen Bedeutung der beiden jeweils anhand des anderen Gebäudes interpretiert werden kann."
Gleich nebenan hat das südamerikanische Künsterkollektiv Supersudaca eine Rating-Agentur eröffnet. Die Mechanismen des globalen Marktes sind diffus und undurchsichtig, aber an der Garderobe im Foyer darf jeder mitmachen, um zu sehen, wie Rating funktioniert.
Anne Maier: "Wie wirst du geratet? Wie wirst du reich, wie wirst du arm? Und sie haben sich extra die Garderobe ausgesucht. Und es ist die Frage, gibt man sich als Pelzmantel ab und kriegt den Bettelmantel zurück?"
Die zehn Künstler beschäftigen sich mit Zerstörung und Wiederaufbau. Ein Thema, das auch auf der diesjährigen documenta im Blickpunkt steht. Doch in Kassel fehlen die Architekten, die jetzt in Berlin die Hauptrolle spielen. Der Kuratorin Valerie Smith gefällt es, wenn die Architekten und Künstler anschauliche Werke schaffen.
"Ich habe immer mit Künstlern gearbeitet, die die Architektur lieben, und mit Architekten, die die Kunst lieben. Ich habe zum Beispiel im Katalog gar keine akademischen Texte, es ist alles Fiction. Architekten wie Wang Shu, er baute eine Art echte Architektur auf dem Dach, und andere sind eher metaphysisch, wie Arno Brandlhuber. Ich glaube, dass man bei beiden von einer ziemlich poetischen Arbeitsweise sprechen kann."
Der Architekt Arno Brandlhuber betätigt sich als Gärtner. Ihm ist aufgefallen, dass neue Orchideen-Sorten manchmal Politiker-Namen tragen. Die Orchidee von Kim Il-Sung, mit dem poetischen Namen Kimilsungia war eine der ersten politischen benutzten Neuzüchtungen. Sie blüht jetzt neben der Maxillaria Gorbatschowii und Dendrobium Angela Merkel.
Die Initiative "Doppeltes Berlin" hat ein weit gestecktes Ziel, sie will das 1957 entstandene Hansaviertel im Westen und die ehemalige Stalinallee im Osten der Stadt auf die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes bringen. Christian Posthofen will auch zeigen, wie Gebäude zu Projektionsflächen ideologischer Botschaften werden können:
"Künstler haben eine andere Art zu forschen als vielleicht Wissenschaftler, und von daher kann man vielleicht in dieser Differenz, der Art der Herangehensweise, tatsächlich was deutlich machen, was sonst verloren geht, oder übersehen wird."
Aber taugt Architektur wirklich für Ideologien? Für einen kurzen Zeitraum ganz sicher. Doch wenn sich Ideologien verändert haben oder verschwunden sind, schlägt die Stunde der Wahrheit, dann kann die Architektur nicht mehr nur die alten Geschichten erzählen, sondern muss sich neu bewähren. Wir sagen zwar immer noch Reichstag, aber die alte Hülle ist längst Heimat des Deutschen Bundestags geworden.
Häuser haben eine Biografie und sind Teil der lebendigen Stadt. Man kann von ihnen unendlich viel lernen. Wer das nicht glaubt, braucht jetzt nur in das Haus der Kulturen der Welt zu gehen.
Service:
Die Ausstellung"Between Walls and Windows. Architektur und Ideologie" ist vom 1.9. bis zum 30.9.2012 im Haus der Kulturen der Welt in Berlin zu sehen.
Ângela Ferreira: "Mich interessiert die Tatsache, dass Gebäude Strukturen sind, die wir politisch lesen können. Wissen Sie, dass Gebäude nicht einfach nur Dinge sind, die wir betreten und verlassen, ohne über sie nachzudenken. Sie sind Objekte, sie stehen in unserem Raum, sie haben eine Geschichte, sie wurden aus einem Grund gebaut, sie werden auf eine bestimmte Weise bewohnt. Und ich interessiere mich dafür, wie Gebäude politische Symbole sein können."
Ângela Ferreira gehört zu den zehn Künstlern und Künstlerinnen, die sich mit der Ikone der Nachkriegsmoderne auseinandersetzen. Die Kongresshalle war in den 50er- und 60er-Jahren neben der Gedächtniskirche und einem Stück Stadtautobahn in Halensee eines der beliebtesten Postkartenmotive von West-Berlin.
Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Die Kongresshalle war nicht nur ein spektakulärer Bau, sie war auch politische Munition im Kalten Krieg. Ein handfestes Statement, das selbstbewusst in Richtung Osten blickte, wo die noch junge DDR an ihrer sozialistischen Hauptstadt baute.
Jetzt versucht Ângela Ferreira der Ideologie der Kongresshalle auf die Spur zu kommen. Im Mai 1980 war die Dachkonstruktion der Kongresshalle eingestürzt. Ângela Ferreira zeigt jetzt Bilder vom zerstörten Dach, die sie mit Aufnahmen eines Hotels aus Mosambik konfrontiert, das nie eröffnet wurde und später dem Bau der amerikanischen Botschaft weichen musste.
"Ich überblende buchstäblich die Implosion des Gebäudes in Mosambik mit der Dokumentation des zerstörten Dachs von diesem Gebäude und hoffe dabei, dass die politischen Bedeutung der beiden jeweils anhand des anderen Gebäudes interpretiert werden kann."
Gleich nebenan hat das südamerikanische Künsterkollektiv Supersudaca eine Rating-Agentur eröffnet. Die Mechanismen des globalen Marktes sind diffus und undurchsichtig, aber an der Garderobe im Foyer darf jeder mitmachen, um zu sehen, wie Rating funktioniert.
Anne Maier: "Wie wirst du geratet? Wie wirst du reich, wie wirst du arm? Und sie haben sich extra die Garderobe ausgesucht. Und es ist die Frage, gibt man sich als Pelzmantel ab und kriegt den Bettelmantel zurück?"
Die zehn Künstler beschäftigen sich mit Zerstörung und Wiederaufbau. Ein Thema, das auch auf der diesjährigen documenta im Blickpunkt steht. Doch in Kassel fehlen die Architekten, die jetzt in Berlin die Hauptrolle spielen. Der Kuratorin Valerie Smith gefällt es, wenn die Architekten und Künstler anschauliche Werke schaffen.
"Ich habe immer mit Künstlern gearbeitet, die die Architektur lieben, und mit Architekten, die die Kunst lieben. Ich habe zum Beispiel im Katalog gar keine akademischen Texte, es ist alles Fiction. Architekten wie Wang Shu, er baute eine Art echte Architektur auf dem Dach, und andere sind eher metaphysisch, wie Arno Brandlhuber. Ich glaube, dass man bei beiden von einer ziemlich poetischen Arbeitsweise sprechen kann."
Der Architekt Arno Brandlhuber betätigt sich als Gärtner. Ihm ist aufgefallen, dass neue Orchideen-Sorten manchmal Politiker-Namen tragen. Die Orchidee von Kim Il-Sung, mit dem poetischen Namen Kimilsungia war eine der ersten politischen benutzten Neuzüchtungen. Sie blüht jetzt neben der Maxillaria Gorbatschowii und Dendrobium Angela Merkel.
Die Initiative "Doppeltes Berlin" hat ein weit gestecktes Ziel, sie will das 1957 entstandene Hansaviertel im Westen und die ehemalige Stalinallee im Osten der Stadt auf die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes bringen. Christian Posthofen will auch zeigen, wie Gebäude zu Projektionsflächen ideologischer Botschaften werden können:
"Künstler haben eine andere Art zu forschen als vielleicht Wissenschaftler, und von daher kann man vielleicht in dieser Differenz, der Art der Herangehensweise, tatsächlich was deutlich machen, was sonst verloren geht, oder übersehen wird."
Aber taugt Architektur wirklich für Ideologien? Für einen kurzen Zeitraum ganz sicher. Doch wenn sich Ideologien verändert haben oder verschwunden sind, schlägt die Stunde der Wahrheit, dann kann die Architektur nicht mehr nur die alten Geschichten erzählen, sondern muss sich neu bewähren. Wir sagen zwar immer noch Reichstag, aber die alte Hülle ist längst Heimat des Deutschen Bundestags geworden.
Häuser haben eine Biografie und sind Teil der lebendigen Stadt. Man kann von ihnen unendlich viel lernen. Wer das nicht glaubt, braucht jetzt nur in das Haus der Kulturen der Welt zu gehen.
Service:
Die Ausstellung"Between Walls and Windows. Architektur und Ideologie" ist vom 1.9. bis zum 30.9.2012 im Haus der Kulturen der Welt in Berlin zu sehen.