Die Kindheit, ein Martyrium

Welche Verletzungen ein Kind erleiden kann, wenn sich die Eltern nur um sich selbst kümmern, hat der Filmregisseur Oskar Roehler in seiner Autobiographie eindrücklich beschrieben. Nun hat er seinen eigenen Stoff verfilmt und damit ein bedrückendes Panorama der Nachkriegszeit entworfen.
Der Film beginnt 1949 – Erich Freytag, gespielt von Jürgen Vogel, ist der Großvater von Oskar Roehlers Film-Alter-Ego Robert. Unerwartet kehrt er verwahrlost aus der Kriegsgefangenschaft zu seiner Familie zurück. Doch schon bald wird er Teil des deutschen Nachkriegswirtschaftswunders – mit dem Verkauf von Gartenzwergen.

"Auf den 100.000-sten Gartenzwerg – und auf meine Belegschaft, die treuesten und besten Frauen in ganz Unterfranken!"

Die Idylle hält nicht lange an, seine Frau, gespielt von Meret Becker, liebt mittlerweile eine andere Frau, und sein Sohn Klaus, gespielt von Moritz Bleibtreu, möchte lieber Dichter werden. Er fühlt sich zum Literaten berufen und verliebt sich in Gisela Ellers, eine weitaus talentiertere Autorin aus gutem Hause. Nach einer ersten, stürmischen Liebesnacht wird sie schwanger. Ein Kind passt aber so gar nicht in die Pläne und Träume der 68-er-Literatenkreise West-Berlins.

"Ich darf Gisela Ellers begrüßen!"

Ich lese das achte Kapitel aus meinem Roman "Die Riesenzwerge". Und ich bitte sie, den Text zu beurteilen und nicht die Tatsache, dass eine Frau ihn geschrieben hat. Im Übrigen habe ich keine Angst vor Ihnen."

Die Kindheit des kleinen Roberts ist ein Martyrium. Schon als Baby wird er häufig sich selbst überlassen. Je lauter Robert weint, desto energischer hämmert Gisela auf ihrer Schreibmaschine dagegen an. Als er drei Jahre alt ist, verlässt sie die Familie. Die Großeltern kümmern sich von nun an um den Jungen:

"Warst du schon mal im KaDeWe?"

"KaDeWe? Das will 'ne Freundin von Papi in die Luft sprengen!"

"Hahaha – du bist ja ein lustiger Vogel! – Passt denn der Papa auch gut auf dich auf?"

"Mein Vater ist den ganzen Tag nicht da, und abends geht er auch oft weg."

Jahrzehnte später begegnet Robert seiner Kindheitsliebe, der Nachbarstochter Laura wieder. Nachkriegszeit, Wirtschaftswunder und Studentenrevolte hat der Film bereits hinter sich gelassen – es ist die Zeit der Blumenkinder.

"Na, gefällt dir das noch? Darauf wolltest du doch mit mir tanzen?"

"Aber ich kann doch gar nicht ..."

"Das geht ganz einfach."

"Quellen des Lebens" ist ein Spiegel einer Zeit voller Umbrüche, ein Film voller atmosphärischer Bilder, der uns zeigt, wie wir wurden, was wir sind.


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