Die Kirchen von Yukatan
Yukatan ist der Name einer Halbinsel im äußersten Südosten von Mexiko. Sie trennt den Golf von Mexiko vom Karibischen Meer. Jürgen Putz, ehemals Geschäftsführer einer Buchhandelskette, hat die einzigartigen Kirchen in dieser Gegend dokumentiert.
"Wir haben die Begeisterung der Küster richtig gespürt, dass jemand sich mal um ihren Schatz kümmert."
Jürgen Putz. Die Kolonialkirchen in Yukatan sind historische Kleinode. Man findet sie in Städten wie Merida im Westen und Valladolid im Osten ebenso wie im tiefen Urwald und in vielen kleinen Dörfern der Halbinsel.
"Sie bilden oft den Mittelpunkt nach wie vor dieser dörflichen Einheiten. Die Einheimischen sind wahnsinnig stolz auf ihre Bauten, allerdings auch zu arm, um sie in irgendeiner Weise zu pflegen, zu restaurieren, zu erhalten."
Yukatans Kolonialkirchen zählen zu den am meisten bedrohten Kulturstätten der Menschheit. Seit 1996 findet man sie daher auf der Liste der Stiftung "World Monument Fund". Auf gut 600 Buchseiten setzen Jürgen Putz, Christian Heck und Gabi Förster den mehr als 200 kolonialzeitlichen Kirchen Yukatans ein großartiges fotografisches Denkmal. Beide Dokumentationsbände – der eine über den Osten, der andere über den Westen der Halbinsel – vermitteln facettenreiche und farbenprächtige Ansichten von den teilweise verfallenden Kulturschätzen im Südosten Mexikos.
"Es war faszinierend, dass man immer damit rechnen konnte, dass selbst in solchen Ruinenstädten, wo es regnet, die dem Wetter ausgesetzt sind, dieser extremen Hitze, Luftfeuchtigkeit, dass sie in einen Raum gehen, wo das Dach fehlt und alles, und gucken sich ein bisschen um und sie finden mittelalterliche Wandmalereien, um die sich natürlich keiner kümmert und die wahrscheinlich in fünf Jahren oder zehn Jahren ausgeblichen sind – aber noch sind sie da, und wir haben sie fotografiert."
Die Kolonialkirchen Yukatans zählen zu den ältesten noch vorhandenen Gebäuden in Gesamtamerika. Einige sind mehr als 450 Jahre alt, denn sie entstanden etwa 50 Jahre nach der Entdeckung des Kontinents durch Christoph Kolumbus.
"Im XVI. Jahrhundert nahmen die spanischen Konquistadoren weite Gebiete Mittelamerikas ein und begannen mit der Missionierung der indianischen Urbevölkerung. In Yukatan errichteten die Franziskaner auf den abgerissenen und zerstörten Tempelbauten der Mayas ihre Missionen und begannen von dort, das Christentum zu lehren."
"Am Anfang wurde in sogenannten 'Ramadas' der Gottesdienst abgehalten in der frühen Zeit der Christianisierung. Das waren einfache Palmblechhütten, wo man vorne einen steinernen Eingang hatte. Diese Palmblechhütten wurden irgendwann durch steinerne Bauten ersetzt, und wenn man es sehr prunkvoll haben wollte in diesen Verhältnissen, wurde an diese Aufbauten noch der eine oder andere Kirchturm gebaut – oftmals falsche Türme, in die man nicht unbedingt hochgehen kann, sondern die einfach nur der Fassade dienen."
Fassaden dieser Art kennt man von Italo-Western her. Hier und da eine Nische für eine Heiligenfigur, ab und an eine Zinnen, und nicht selten sieht man obenauf einen gemauerten Bogen, darin eine schlichte kleine Glocke.
"Prunk und Dokumentation der Herrlichkeit Gottes über ein besonders prunkvolles Kirchenhaus findet man in Yukatan nicht. Das Land war zu arm, und es war auch nicht im Sinne der Franziskaner, diese Dinge so darzustellen."
Im Zuge ihrer Missionstätigkeit greifen die Prediger des Bettelordens die religiösen Vorstellungen der Maya auf. Und die Maya verknüpfen ihre alte Glaubenswelt mit den Vorstellungen der neuen Religion. So werden christliche Figuren zum Ausdruck der alten Götter.
"Ix Chel, die Mondgöttin, wurde zur Jungfrau Maria. Aus Kukulkan wurde Christus."
"Diese Figurenüberspielung, das hat extrem stattgefunden. Wir haben viele Bilder gemacht, wo man – wenn man genauer hinguckt – in den Kirchen alte Ornamente, alte Symbole der alten Götterwelt findet, sei es in alten Taufsteinen, die früher ein Altarstein der Mayas waren, sei es in Figuren der Heiligen, die für uns auf den ersten Blick ein bisschen wie naive Kunst wirken, die aber, wenn man auf den zweiten Blick hinguckt, sehr viel dieser alten Welt symbolisieren, weil sie natürlich auch in vielen Fällen von Maya-Künstlern geschnitzt worden sind, die für ihre Handwerkskunst berühmt waren."
Neben der eigentümlichen Verquickung von Christentum und Maya-Religion stößt man in Yukatan auf das schlichte Nebeneinander von europäischer und altamerikanischer Kultur. So zeigt etwa das Titelfoto des ersten Bandes über Yukatans Kirchen aus der Kolonialzeit im Vordergrund einen großen Platz in Acanceh, rechts eine gelb getünchte Kirche, links eine Pyramide.
"Genau gegenüber der Kirche ist noch eine alte Maskenpyramide der Maya fantastisch erhalten, und beide stehen sich fast symbolartig gegenüber. Für mich eines der schönsten Fotos, was dort gemacht worden ist, weil es eigentlich ein bisschen all das symbolisiert und zusammenfasst, was man erfährt, wenn man sich das ganze Buch anguckt."
Die zwei prächtigen Bücher von Jürgen Putz, Christian Heck und Gabi Förster laden ein zum Betrachten und Bestaunen.
"Insgesamt sind es circa 800 Fotografien, alle farbig, die wir ausgewählt haben für das Buch, die einen sehr schönen Überblick geben von Retablos in der Innenausstattung über Deckenmalereien, über Stuckarbeiten, Ornamentarbeiten bis hin natürlich auch zu den Gebäudestrukturen."
Beide Bände sind von Gewinn als Architektur - sowie als Reisebücher, bieten sie doch konkrete Routenvorschläge für Exkursionen ins Landesinnere von Yukatan. Darüber hinaus dokumentieren sie eindrucksvoll die Inkulturation des Christentums im Südosten Mexikos während der Kolonialzeit.
Jürgen Putz, Christian Heck und Gabi Förster: Die kolonialzeitlichen Kirchen in Yukatan
Meckenheimer Summanus Verlag, 39,90 Euro
Jürgen Putz. Die Kolonialkirchen in Yukatan sind historische Kleinode. Man findet sie in Städten wie Merida im Westen und Valladolid im Osten ebenso wie im tiefen Urwald und in vielen kleinen Dörfern der Halbinsel.
"Sie bilden oft den Mittelpunkt nach wie vor dieser dörflichen Einheiten. Die Einheimischen sind wahnsinnig stolz auf ihre Bauten, allerdings auch zu arm, um sie in irgendeiner Weise zu pflegen, zu restaurieren, zu erhalten."
Yukatans Kolonialkirchen zählen zu den am meisten bedrohten Kulturstätten der Menschheit. Seit 1996 findet man sie daher auf der Liste der Stiftung "World Monument Fund". Auf gut 600 Buchseiten setzen Jürgen Putz, Christian Heck und Gabi Förster den mehr als 200 kolonialzeitlichen Kirchen Yukatans ein großartiges fotografisches Denkmal. Beide Dokumentationsbände – der eine über den Osten, der andere über den Westen der Halbinsel – vermitteln facettenreiche und farbenprächtige Ansichten von den teilweise verfallenden Kulturschätzen im Südosten Mexikos.
"Es war faszinierend, dass man immer damit rechnen konnte, dass selbst in solchen Ruinenstädten, wo es regnet, die dem Wetter ausgesetzt sind, dieser extremen Hitze, Luftfeuchtigkeit, dass sie in einen Raum gehen, wo das Dach fehlt und alles, und gucken sich ein bisschen um und sie finden mittelalterliche Wandmalereien, um die sich natürlich keiner kümmert und die wahrscheinlich in fünf Jahren oder zehn Jahren ausgeblichen sind – aber noch sind sie da, und wir haben sie fotografiert."
Die Kolonialkirchen Yukatans zählen zu den ältesten noch vorhandenen Gebäuden in Gesamtamerika. Einige sind mehr als 450 Jahre alt, denn sie entstanden etwa 50 Jahre nach der Entdeckung des Kontinents durch Christoph Kolumbus.
"Im XVI. Jahrhundert nahmen die spanischen Konquistadoren weite Gebiete Mittelamerikas ein und begannen mit der Missionierung der indianischen Urbevölkerung. In Yukatan errichteten die Franziskaner auf den abgerissenen und zerstörten Tempelbauten der Mayas ihre Missionen und begannen von dort, das Christentum zu lehren."
"Am Anfang wurde in sogenannten 'Ramadas' der Gottesdienst abgehalten in der frühen Zeit der Christianisierung. Das waren einfache Palmblechhütten, wo man vorne einen steinernen Eingang hatte. Diese Palmblechhütten wurden irgendwann durch steinerne Bauten ersetzt, und wenn man es sehr prunkvoll haben wollte in diesen Verhältnissen, wurde an diese Aufbauten noch der eine oder andere Kirchturm gebaut – oftmals falsche Türme, in die man nicht unbedingt hochgehen kann, sondern die einfach nur der Fassade dienen."
Fassaden dieser Art kennt man von Italo-Western her. Hier und da eine Nische für eine Heiligenfigur, ab und an eine Zinnen, und nicht selten sieht man obenauf einen gemauerten Bogen, darin eine schlichte kleine Glocke.
"Prunk und Dokumentation der Herrlichkeit Gottes über ein besonders prunkvolles Kirchenhaus findet man in Yukatan nicht. Das Land war zu arm, und es war auch nicht im Sinne der Franziskaner, diese Dinge so darzustellen."
Im Zuge ihrer Missionstätigkeit greifen die Prediger des Bettelordens die religiösen Vorstellungen der Maya auf. Und die Maya verknüpfen ihre alte Glaubenswelt mit den Vorstellungen der neuen Religion. So werden christliche Figuren zum Ausdruck der alten Götter.
"Ix Chel, die Mondgöttin, wurde zur Jungfrau Maria. Aus Kukulkan wurde Christus."
"Diese Figurenüberspielung, das hat extrem stattgefunden. Wir haben viele Bilder gemacht, wo man – wenn man genauer hinguckt – in den Kirchen alte Ornamente, alte Symbole der alten Götterwelt findet, sei es in alten Taufsteinen, die früher ein Altarstein der Mayas waren, sei es in Figuren der Heiligen, die für uns auf den ersten Blick ein bisschen wie naive Kunst wirken, die aber, wenn man auf den zweiten Blick hinguckt, sehr viel dieser alten Welt symbolisieren, weil sie natürlich auch in vielen Fällen von Maya-Künstlern geschnitzt worden sind, die für ihre Handwerkskunst berühmt waren."
Neben der eigentümlichen Verquickung von Christentum und Maya-Religion stößt man in Yukatan auf das schlichte Nebeneinander von europäischer und altamerikanischer Kultur. So zeigt etwa das Titelfoto des ersten Bandes über Yukatans Kirchen aus der Kolonialzeit im Vordergrund einen großen Platz in Acanceh, rechts eine gelb getünchte Kirche, links eine Pyramide.
"Genau gegenüber der Kirche ist noch eine alte Maskenpyramide der Maya fantastisch erhalten, und beide stehen sich fast symbolartig gegenüber. Für mich eines der schönsten Fotos, was dort gemacht worden ist, weil es eigentlich ein bisschen all das symbolisiert und zusammenfasst, was man erfährt, wenn man sich das ganze Buch anguckt."
Die zwei prächtigen Bücher von Jürgen Putz, Christian Heck und Gabi Förster laden ein zum Betrachten und Bestaunen.
"Insgesamt sind es circa 800 Fotografien, alle farbig, die wir ausgewählt haben für das Buch, die einen sehr schönen Überblick geben von Retablos in der Innenausstattung über Deckenmalereien, über Stuckarbeiten, Ornamentarbeiten bis hin natürlich auch zu den Gebäudestrukturen."
Beide Bände sind von Gewinn als Architektur - sowie als Reisebücher, bieten sie doch konkrete Routenvorschläge für Exkursionen ins Landesinnere von Yukatan. Darüber hinaus dokumentieren sie eindrucksvoll die Inkulturation des Christentums im Südosten Mexikos während der Kolonialzeit.
Jürgen Putz, Christian Heck und Gabi Förster: Die kolonialzeitlichen Kirchen in Yukatan
Meckenheimer Summanus Verlag, 39,90 Euro