Hier geht es zur Playlist der Sendung.
Für Kenner und Liebhaber – und alle, die es werden wollen
Auch mehr als 300 Jahre nach seiner Geburt gilt er noch als „Sohn“: Carl Philipp Emanuel Bach war ein musikalischer Pionier zwischen Barock und Klassik, ein hochgebildeter und universeller Künstler. Sein Klavierwerk hat mehr Aufmerksamkeit verdient.
Johann Sebastian Bach als Vater, Georg Philipp Telemann als Taufpate – die Musik war Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788) in die Wiege gelegt. Und er ging seinen eigenen Weg, nicht erdrückt von der überragenden Gestalt seines Vaters, sondern als hochgeachteter Pionier einer neuen, "empfindsamen" Musik.
Am Hof Friedrichs des Großen war er ebenso tätig wie in Hamburg, wo er als städtischer Musikdirektor seinen Patenonkel Telemann beerbte. Zu Lebzeiten galt Bach junior sogar mehr als sein Vater, und kein Geringerer als Mozart, bezeichnenderweise selbst Sohn eines komponierenden Vaters, sagte über Carl Philipp Emanuel Bach: "Er ist der Vater, wir sind die Bubn. Wer von uns was Rechts kann, hats von ihm gelernt."
Zwischen den Zeiten
Doch die von Mozart so eindrücklich beschriebenen Verhältnisse waren nicht von Dauer. Während die Nachwelt ab dem 19. Jahrhundert in Johann Sebastian Bach mehr und mehr das monumentale Musikgenie erkannte, geriet der Sohn ins Hintertreffen – und mit ihm dessen ebenso faszinierende Brüder Wilhelm Friedemann und Johann Christian. Heute werden sie als Schlüsselfiguren der Musik auf dem Weg zur Wiener Klassik neu entdeckt.
In gut aufklärerischer Tradition schrieb Carl Philipp Emanuel Bach seine Klaviersonaten "für Kenner und Liebhaber" – was allerdings keineswegs heißt, dass diese Werke leicht zu spielen sind. Eher ist das Gegenteil der Fall, und aus heutiger Sicht kommt noch die große Distanz zu einer Musik hinzu, die zwischen den bekannten Kategorien Barock und Klassik steht. Eine mangelhafte Kenntnis der detaillierten Aufführungslehre der Entstehungszeit tut ihr übriges.
So war es denn, trotz Pionieren wie Glenn Gould, der Alte-Musik-Bewegung des späteren 20. Jahrhunderts vorbehalten, Carl Philipp Emanuel Bach zu rehabilitieren und in der Rekonstruktion alter Instrumente und Spielweisen für die heutige Zeit neu zu entdecken. Wobei unter der Rubrik "Historische Aufführungspraxis" teils sehr unterschiedliche Ergebnisse zu finden sind.
Und oft genug stellt es sich als schwer heraus, das Cembalo nicht mechanisch, sondern gesanglich erklingen zu lassen und Registerwechsel nicht nur technisch umzusetzen, sondern auch musikalisch zu gestalten.
Auf modernen Konzertflügeln ist Carl Philipp Emanuel Bachs Musik selten zu hören – viel seltener jedenfalls als die seines Vaters oder die von Domenico Scarlatti. Und auch hier können nicht alle Versuche als geglückt eingestuft werden: Diese bisweilen schroffe und abrupt die Richtung wechselnde Musik droht durch die Brillanz des Klaviers geglättet zu werden.
Was ist "die wahre Art"?
Eine Musikerin, deren besonderes Interesse der Bach-Familie gilt und die sich vor allem auch für Carl Philipp Emanuel einsetzt, ist Christine Schornsheim. Sie ist eine der führenden Expertinnen für historische Tasteninstrumente, spielt Cembalo, Clavichord, Hammerklavier und Tangentenflügel und unternimmt in dieser Sendung, die wir aus dem Jahr 2014 wiederholen, ihren eigenen "Versuch über die wahre Art das Clavier zu spielen" – so der Titel des großen Lehrwerkes von Carl Philipp Emanuel Bach.