Die Königin, menschlich gesehen

Vorgestellt von Hannelore Heider · 10.01.2007
"The Queen" von Stephen Frears zeigt das englische Königshaus in einem ihrer dunkelsten Momente: kurz nach dem Tod von Prinzessin Diana, als das Volk eine Geste der Trauer erwartete. Gus van Sants "Last Days" zeigt einen drogenabhängigen Rockstar, der wie ein Mondsüchtiger immer wieder in die Wälder flieht und dessen Selbstmord fast konsequent erscheint.
"The Queen"
GB 2006. Regie: Stephen Frears. Darsteller: Helen Mirren, Michael Sheen, James Cromwell, Alex Jennings

"The Queen" ist Queen Elisabeth II. Stephen Frears war so kühn und die Queen könnte gar nicht amüsiert sein, sich in einem großen Kinofilm vor der Kamera wiederzufinden. Aber, wir werden es wohl nie erfahren!

Denn das ist der Knackpunkt von Stephen Frears amüsanten provozierenden Film: Er zeigt die Royals eine Woche lang in der tiefsten Krise der englischen Monarchie: nach Dianas Tod. Da machten sie einfach die Schotten dicht und gedachten die Trauer ihres Volkes, ja der ganzen Welt nicht zur Kenntnis zu nehmen. Bis sie zu Unterhörtem, der Verneigung vor der Toten, gezwungen wurden und zwar vom gerade neu gewählten Premierminister Tony Blair (Michael Sheen), der in der ersten Szene seinen urkomischen, verunglückten Antrittsbesuch bei der Queen (Helen Mirren) absolviert.

In der guten Woche, die wir hier intensiv sowohl in London als auch in Schottland in einer Doppelmontage miterleben, gibt es genug Steilvorlagen für eine brillante Komödie, zu der der erklärte "Rebell" Tony Blair genügend beizutragen hätte. Trotzdem hat Regisseur Stephen Frears aus dem brillanten Drehbuch seines Autors Peter Morgan keine beißende Satire gemacht. Eine simple Konfrontation der Prinzessin des Volkes - die in vielen Dokumentaraufnahmen präsent ist - mit der in der Öffentlichkeit unglücklich starren Queen war ihm zu einfach.

Elisabeth ist bei ihm ein in Konventionen gefangener Mensch, wobei Helen Mirren mit ihrer blendenden Darstellung (Goldener Löwe von Venedig) für ihr lebendes Vorbild unglaublich viele Sympathiepunkte einsammelt, ohne die kritischen Seiten auszublenden. Mal sehen, ob sie dafür von der Queen geadelt wird. Verdient hätte sie es, genauso wie Regisseur Stephen Frears, der nicht nur eine amüsante, sondern auch des Nachdenkens werte Tragikkomödie mit spielerisch leichter Hand und ab und an auch rührenden Szenen auf die Leinwand gebracht hat.


"Last Days"
USA 2005. Regie: Gus Van Sant. Darsteller: Michael Pitt, Lukas Haas, Asia Argento

Wer sich vom Gus Van Sant-Film eine Interpretation oder gar Erklärung für den vermutlichen Freitod des Nirvana-Sängers Kurt Cobain erhofft, wird enttäuscht sein. Gus van Sant beteiligt sich nicht an Spekulationen, er liefert keine Biografie und auch die dröhnenden Rock-Rhythmen fehlen in diesem Film. Mit langsam schwebender Kamera und eigentlich keinen Dialogen, nur gestammelten Satzfetzen fängt er die letzten Tage - man muss schon sagen - die letzten Lebenszuckungen eines schon Toten ein, eines Musikers, den zu verstehen oder zu retten sich die wenigen Bandmitglieder, die noch um ihn herum sind, nicht mehr bemühen.

Mitten im Wald, in einer leeren verwahrlosten Villa geistert ein Wrack herum, dessen Gesicht wir kaum erkennen können. Die wenigen Menschen um ihn herum agieren genauso autistisch, von außen kommende Zufallsbesucher stehen dem Phänomen hilflos gegenüber. Wenn Blake, wie der Held heißt (Michael Pitt), sich das immer selbe, immer dreckiger werdende T-Shirt anzieht, die letzten Cornflakes in die Schüssel schüttet oder wieder einmal in die Natur entfleucht, agiert er wie mondsüchtig, um gleich darauf trickreich den wenigen Anforderungen, wieder am Leben teilzunehmen, aus dem Weg zu gehen.

Diese Sequenzen wiederholen sich. Für den Zuschauer wird damit der lange, traurige und gänzlich unspektakuläre Weg des Drogenabhängigen in den Selbstmord emotional ähnlich quälend wie vielleicht für den Helden.