Die Konservendose hat Geburtstag

Von Udo Pollmer |
Am 25. August wurde die Konservendose 200 Jahre alt. Die Zeit ging nicht spurlos an ihr vorbei: Sie musste sich neben Lob auch viel Kritik anhören: Der Inhalt sei tot gekocht und die Dose belaste die Umwelt. Hat die Dose noch eine Zukunft?
Stolze 200 Jahre ist sie alt, die Konservendose. Als ihr Erfinder gilt in den Schulbüchern ein gewisser Nicolas Appert. Für seine Idee hat er sogar einen Preis von Napoleon erhalten und mit dem Geld eine Konservenfabrik gebaut. Napoleon suchte für die Versorgung seiner Truppen schon lange nach haltbarem Proviant. Das ist auch der Grund, warum der Dosenöffner erst Jahrzehnte später erfunden wurde. Die Soldaten öffneten die Büchsen einfach mit dem Bajonett.

Doch irgendwas stimmt da nicht. Denn in dem berühmten Werk Apperts "Die Kunst des Konservierens", das vor 200 Jahren erschien, steht gar nichts von einer Konservendose. Er nahm stattdessen Glasflaschen, die er verkorkte. Der Korken wurde sicherheitshalber mit einem Draht festgezurrt – so wie heute bei den Sektflaschen. Und schließlich mit einer hitzestabilen Schmiere aus gebranntem Kalk und Käse versiegelt. Die Flaschen kamen in einen Wasserbottich, und dann wurde solange Feuer gemacht bis der Inhalt steril war. Wer damit eine Armee versorgen will, die die Flaschen per Fuhrwerk über unwegsames Gelände transportiert oder per Schiff auf stürmischer See, der wird von leisen Zweifeln beschlichen. Das funktioniert so nicht.

Wer also hat die Konservendose erfunden? Die Chronisten geben die Ehre mittlerweile einem gewissen Peter Durand, ein britischer Geschäftsmann. Sein Patent datiert vom 25. August 1810. Darin sind explizit die Zinndosen erwähnt. Die Idee mit der Dose stammte allerdings von einem gewissen Phlippe de Girard. Appert hat diese Erfindung später seinerseits aufgegriffen und selber Dosen gefertigt. Die Technologie, und zwar so wie sie im Grundsatz bis heute praktiziert wird, diese Technologie beschreibt Appert erst zwei Jahrzehnte nach dem Patent von Durand.

Natürlich hat sich die Dose technisch weiterentwickelt. Hauptproblem waren die Lötstellen. Die Blech-dosen wurden mit Blei verlötet, und das gelangte dann ins Füllgut. Zahlreiche englische Soldaten starben an schleichenden Vergiftungen. Heute wird kein Blei mehr verwendet, außerdem werden die Dosen innen lackiert. Das schützt natürlich auch vor anderen Metallen. Doch auch aus einer hauch-dünnen Lackschicht kann immer noch etwas ins Füllgut gelangen. Speziell bei den Dosen, die man mit der Hand aufreißen kann, braucht es für die Innenlackierung besondere Zusätze, die in Spuren im Produkt nachweisbar sind. Aber da wir heute den Geburtstag der Dose feiern, sparen wir uns diese Diskussion. Schließlich gibt jede Verpackung irgendwas ins Füllgut ab.

Doch die Konserve hat nicht nur eine bewegte Vergangenheit sondern auch Zukunft. Denn mittlerweile ist es möglich, Dosengemüse richtig knackig frisch zu erhalten. Erfunden wurde das an der Uni Hohenheim. Bei dem neuen Verfahren kommt das Gemüse zunächst in ein calciumhaltiges Tauchbad; man lässt es abtropfen und gibt es dann ohne Aufgussflüssigkeit in die Dose. Die wird im Vakuum verdeckelt und nun folgt ein ausgeklügeltes Temperaturprogramm, bei dem genau die Enzyme im Gemüse lahmgelegt werden, die den Geschmack nachteilig verändern; technologisch erwünschte Enzyme werden jedoch gezielt über das Temperaturprogramm aktiviert. Zusammen mit dem Calcium sorgen die nun dafür, dass das Gemüse auch beim anschließenden Sterilisieren bei über 120 Grad bissfest bleibt.

Durch das Verfahren bleiben die Nährstoffe viel besser erhalten, denn das Gemüse muss nicht vorher blanchiert werden und es wird auch keine Aufgussflüssigkeit verwendet, die den Inhalt auslaugt. Dadurch sind die Dosen viel leichter. Also eine echte Alternative zum Tiefkühlgemüse – sowohl in Hinblick auf die Qualität als auch in Sachen Ökobilanz. Bleibt abzuwarten, ob sich ein Hersteller an diese intelligente Technologie aus Hohenheim wagt, und damit der alten Dose eine Verjüngungskur spendiert. Verdient hätte sie es. Mahlzeit!


Literatur:
Appert M: The art of preserving of all kinds of animal and vegetable substances for several years. Black, Parry, and Kingsbury, London 1812
The Repertory oft Arts, Manufactures, and Agriculture. London, Second Series 112; Sept 1811: Specification of the patent granted to Peter Durand, of Hoxton-square, in the County of Middlesex, Merchant; for a Method of preserving Animal Food, Vegetable Food, and other perishable Articles, a long Time from perishing or becoming useless. Communicated to him by a person residing abroad. 25. August 1810
Cowell ND: More light on the dawn of canning. Food Technology 2007; No.5: 40-45
Appert M: Le livre de tous ménages, ou l’art de conserver, pendant plusieurs années, toutes les substances animales et végétales. Barrois L‘Ainé, Paris 1831
Gierschner K et al: Specific modifications of cell wall hydrocolloids in a new technique for processing high quality canned vegetables. Deutsche Lebensmittel-Rundschau 1995; 91: 103-109
Garciaa R, Adriana J: Nicolas Appert: Inventor and manufacturer. Food Reviews International 2009; 25: 115-125