Die konservierte Moora

Von Susanne Schrammar |
Früher dachte man, Moore wären Wohnstätten des Bösen. Für Archäologen bieten Moore fantastische Bedingungen, denn die Torfschichten haben besonders konservierende Eigenschaften - wie im Fall von Moora aus der vorrömischen Eisenzeit.
6. September 2000, ein schöner Spätsommermorgen. Im kargen Hochmoor bei Uchte im Landkreis Nienburg zieht eine Torfstechmaschine ihre einsamen Furchen. 80 Zentimeter tief stechen die Messer in die Kruste, holen den Torf herauf und zerteilen ihn auf dem Absetztisch der Fahrerkabine. Gegen 10.30 Uhr tauchen auf dem Tisch plötzlich Bein- und Schädelknochen auf. Der Torfstecher alarmiert den Moormeister Reinhold Radtke.

"Und wie er das rausgenommen hat, hat er gesehen, dass das kein Tier sein muss, sondern dass das irgendwas anderes sein muss und dann bin ich hier her und habe dann die Polizei verständigt."

Polizei und Staatsanwaltschaft veranlassen, dass die rund 100 Skelett-Teile, die schließlich gefunden werden, ins Institut für Rechtsmedizin der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf gebracht werden. Die Gerichtsmediziner dort stellen fest, dass die Knochen einem etwa 16 bis 19 Jahre alten Mädchen gehört haben müssen. Der ermittelnde Kommissar hat einen Verdacht: Bei der Moorleiche könnte es sich um die sterblichen Überreste einer jungen Frau handeln, die seit 1969 in der Gegend vermisst wird. Vielleicht wurde sie im Moor ermordet? Die Rechtsmediziner bekräftigen zunächst diesen Verdacht, doch eine Probe der sehr schlecht erhaltenen DNA weckt Zweifel.

6. Januar 2005. Ein Anruf im niedersächsischen Amt für Denkmalpflege in Hannover: Direkt neben der Stelle, wo vor viereinhalb Jahren das Skelett im Moor gefunden wurde, sei eine Hand aufgetaucht: braun und ledern erinnert sie an eine ägyptische Mumie. Für die Landesarchäologen ist schnell klar: Die Hand ist zwischen 2000 und 3000 Jahre alt und sie gehört zu dem gefundenen Skelett. Wissenschaftler stürzen sich mit Begeisterung auf die mumifizierten Knochen. Altersbestimmung und Isotopenforschung ergeben, dass die junge Frau vor 2650 Jahren in der sogenannten vorrömischen Eisenzeit ins Moor geraten ist. Die Leiche aus dem Uchter Moor wird zur Sensation, nicht nur Landesarchäologe Henning Haßmann.

"Wir haben in diesem ersten Jahrtausend vor Christi Geburt, den Brauch, die Toten grundsätzlich zu verbrennen, das heißt, wir können kaum Informationen über das Leben in dieser Zeit herauskriegen und hier haben wir jetzt plötzlich eine Leiche in einer unglaublich guten Erhaltungsqualität, die uns jetzt ermöglicht, Fragen zu beantworten, die wir vielleicht noch gar nicht gestellt haben."