Die korrumpierte Stadt
Das beschauliche, gutbürgerliche Stadtviertel Flores in der argentinischen Hauptstadt Buenos Aires wird im Roman von César Aira zum Schauplatz finsterer Machenschaften, als plötzlich ein junger Pizza-Lieferant tot aufgefunden wird.
Flores ist ein bürgerliches Stadtviertel von Buenos Aires, übersichtlich und ordentlich, eher ruhig. Dort lebt der fleißige Vielschreiber César Aira und verfasst mit Regelmäßigkeit seine kleinformatigen Bücher von ziemlich unterschiedlicher Qualität, ein bis zwei pro Jahr.
Es sind Bücher, die ihre Leser oft ratlos machen mit ihren unerwarteten Interpretationen der Historie und Wendungen der Dinge. Die gelungensten von ihnen eröffnen eine atemberaubend andere, seltsame und leuchtende Welt – wie das großartige Buch ("Humboldts Schatten") über Moritz Rugendas, den deutschen Maler und Zeichner.
Eine recht seltsame Sicht auf die argentinische Gegenwart bietet dieses neue Buch über den Stadtteil Flores und seine Bewohner: Ein altes Rentnerehepaar, Aldo und Rosa, ist durch die Krise gezwungen, für seinen Lebensunterhalt nächtens dort Pizza auszutragen – wie sonst nur die halbwüchsigen Jungen auf ihren Mopeds, die ohne Licht und immer gegen die Fahrtrichtung der Einbahnstraßen durch das Viertel knattern.
Aber Aira wäre nicht Aira, wenn er es bei der Schilderung seines Viertels beließe. Alle Bewohner sind beunruhigt durch einen Entführungsfall. Schließlich wird das Opfer, ein junger Auslieferer mit Moped, tot aufgefunden. Die allgemeine Aufregung, die Ermittlungen des Staatsanwalts, die Ungereimtheiten des Falles, in dem ein als Junge verkleidetes Mädchen, vertauschte Motorradhelme, ein Nonnenkloster und die Vergangenheit des Rentnerpaares eine Rolle spielen – all das vermengt Aira zu einem phantastischen Zerrbild der bürgerlichen Wirklichkeit.
Das ruhige Flores ist, wie sich herausstellt, Schauplatz finsterer Machenschaften, von denen nicht einmal die Schöngeister ausgenommen sind: Der ermittelnde Staatsanwalt hat Besuch von einem Literaten und gemeinsam kommen sie auch noch einem Fall von großangelegtem Stipendienbetrug auf die Spur.
Spätestens da weiß man, dass dieses Buch keine Geschichte erzählen, sondern ein regelloses Spiel der Imagination entfesseln will. Eine Frau kann ein Mann sein, ein Geschehen kann sich verdoppeln oder gar verdreifachen, eine Liebesgeschichte im Sande verlaufen, ein Handlungsstrang zum unauflösbaren Knoten werden. Zwar gibt der Aira immer wieder Einblicke in die Machenschaften einer kriminellen Elite, die für ein krisengeschütteltes und vielfach korrumpiertes Land, wie es Argentinien ist, bezeichnend sein mögen; aber das ist eigentlich nur Vorwand. César Aira hat diesmal das geschrieben, was ihn nach eigenem Bekunden am meisten amüsiert: einen literarischen Insiderwitz.
Besprochen von Katharina Döbler
Cesar Aira, Die Nächte von Flores
Aus dem argentinischen Spanisch von Klaus Laabs
Claassen Verlag, Berlin 2009
159 Seiten, 18 Euro
Es sind Bücher, die ihre Leser oft ratlos machen mit ihren unerwarteten Interpretationen der Historie und Wendungen der Dinge. Die gelungensten von ihnen eröffnen eine atemberaubend andere, seltsame und leuchtende Welt – wie das großartige Buch ("Humboldts Schatten") über Moritz Rugendas, den deutschen Maler und Zeichner.
Eine recht seltsame Sicht auf die argentinische Gegenwart bietet dieses neue Buch über den Stadtteil Flores und seine Bewohner: Ein altes Rentnerehepaar, Aldo und Rosa, ist durch die Krise gezwungen, für seinen Lebensunterhalt nächtens dort Pizza auszutragen – wie sonst nur die halbwüchsigen Jungen auf ihren Mopeds, die ohne Licht und immer gegen die Fahrtrichtung der Einbahnstraßen durch das Viertel knattern.
Aber Aira wäre nicht Aira, wenn er es bei der Schilderung seines Viertels beließe. Alle Bewohner sind beunruhigt durch einen Entführungsfall. Schließlich wird das Opfer, ein junger Auslieferer mit Moped, tot aufgefunden. Die allgemeine Aufregung, die Ermittlungen des Staatsanwalts, die Ungereimtheiten des Falles, in dem ein als Junge verkleidetes Mädchen, vertauschte Motorradhelme, ein Nonnenkloster und die Vergangenheit des Rentnerpaares eine Rolle spielen – all das vermengt Aira zu einem phantastischen Zerrbild der bürgerlichen Wirklichkeit.
Das ruhige Flores ist, wie sich herausstellt, Schauplatz finsterer Machenschaften, von denen nicht einmal die Schöngeister ausgenommen sind: Der ermittelnde Staatsanwalt hat Besuch von einem Literaten und gemeinsam kommen sie auch noch einem Fall von großangelegtem Stipendienbetrug auf die Spur.
Spätestens da weiß man, dass dieses Buch keine Geschichte erzählen, sondern ein regelloses Spiel der Imagination entfesseln will. Eine Frau kann ein Mann sein, ein Geschehen kann sich verdoppeln oder gar verdreifachen, eine Liebesgeschichte im Sande verlaufen, ein Handlungsstrang zum unauflösbaren Knoten werden. Zwar gibt der Aira immer wieder Einblicke in die Machenschaften einer kriminellen Elite, die für ein krisengeschütteltes und vielfach korrumpiertes Land, wie es Argentinien ist, bezeichnend sein mögen; aber das ist eigentlich nur Vorwand. César Aira hat diesmal das geschrieben, was ihn nach eigenem Bekunden am meisten amüsiert: einen literarischen Insiderwitz.
Besprochen von Katharina Döbler
Cesar Aira, Die Nächte von Flores
Aus dem argentinischen Spanisch von Klaus Laabs
Claassen Verlag, Berlin 2009
159 Seiten, 18 Euro