"Die Korruption ganz oben ist die allerschlimmste"
2013 könnte Kroatien der EU beitreten. Darauf habe das ganze Land lange gewartet, sagt der kroatische Verleger Nenad Popovic. Bis dahin gebe es aber noch einige Probleme zu lösen, vor allem die weit verbreitete Korruption.
Joachim Scholl: Rupert Neudeck hat ihn einen "europäischen Verleger" genannt, die "Süddeutsche Zeitung" spricht vom "Friedensstifter des Balkan" - für den kroatischen Verleger Nenad Popovic gehört der europäische Gedanke zu seinem Selbstverständnis, auch in seinem Verlag, wo sich Autoren aus ganz Europa versammeln. Im Jahr 2013 könnte Kroatien offizielles Mitglied der Europäischen Union werden, die Zusage ist so gut wie sicher, wenn Kroatien einige Auflagen erfüllt. Und wir hatten Gelegenheit, Nenad Popovic um seine Einschätzung zu bitten zum 20. Jahrestag auch der Unabhängigkeit Kroatiens. Meine Kollegin Britta Bürger fraget zunächst, ob dieser anstehende EU-Beitritt Kroatiens für ihn eine rundum freudige Nachricht sei.
Popovic: Ja, das ist eine riesige Freude, darauf haben wir alle … oder das Land hatte darauf sehr lange und angespannt gewartet. Es war ein langsamer Prozess, mit sehr vielen Auflagen verbunden, die aber dann letztlich Kroatien sehr gut getan haben.
Britta Bürger: Sorge bereitet der EU nach wie vor die noch immer weit verbreitete Korruption im Land. Am Beispiel Griechenlands erleben wir ja gerade, wie Vetternwirtschaft und Schmiergeldzahlungen, Verflechtungen von Politik und Wirtschaft ein Land in den Abgrund ziehen können. Sehen Sie in Kroatien da schon ernsthafte Verbesserungen?
Popovic: Diesbezüglich geht Kroatien durch eine sehr dramatische Zeit. Der Generalstaatsanwalt hat in den letzten anderthalb Jahren Prozesse angestrengt gegen den Verteidigungsminister, gegen einen Vizepremier, gegen Staatssekretäre, und schließlich auch gegen den ehemaligen Premierminister Ivo Sanader – und die meisten von ihnen sind entweder verurteilt und sitzen ihre Gefängnisstrafen ab, oder sind kurz davor. Unsere Untersuchungsgefängnisse voll mit den allerprominentesten und mächtigsten Politikern.
Das ist auf der einen Seite eine riesige Erleichterung, denn die Korruption ganz oben ist die allerschlimmste. Auf der anderen Seite erzeugt das auch ein Misstrauen gegen die politische Kaste. Inzwischen ist die Korruption in höchsten politischen und wirtschaftlichen Kreisen so eklatant und groß, dass Menschen sich fragen: Welche Partei sollen wir dann überhaupt wählen? Der Mann des Jahres, der kroatische Mann des Jahres, derjenige, der uns eigentlich in die EU gebracht hat, ist somit der Generalstaatsanwalt. Er heißt Mladen Bajic, und er hat wirklich den Augiasstall ausgemistet und ist immer noch dabei.
Bürger: Die wirtschaftliche Situation in Kroatien ist alles andere als rosig. Erst im Frühjahr haben Tausende Menschen auf den Straßen protestiert, sodass das schon mit dem arabischen Frühling verglichen wurde. Was ist aus dieser Protestbewegung geworden?
Popovic: Die Protestbewegung hat lange gedauert und ist zu keiner Massenbewegung geworden. Die Gewerkschaften und auch oppositionelle Parteien haben sie unterstützt, aber eigentlich nicht daran teilgenommen, aus welchen Überlegungen … es ist schon enttäuschend, dass die Bevölkerung sozusagen die oppositionellen Kräfte nach vorne pushen will, und diese dann nicht antworten. Womöglich ist die Überlegung, dass man gerade jetzt bei möglichem Abschluss der Beitrittsverhandlungen dann nicht ein chaotisches Land im Generalstreik präsentieren will. Aber, Gott! Politische Parteien sind ja immer enigmatisch!
Bürger: 20 Jahre nach Beginn des Jugoslawienkrieges rückt für Kroatien der EU-Beitritt in greifbare Nähe. Über Chancen und Risiken sprechen wir hier im Deutschlandradio Kultur mit dem kroatischen Verleger Nenad Popovic. Kroatien war – das haben wir jetzt gesagt – mit Slowenien das erste Land, das sich vor 20 Jahren losgesagt hat von dem Vielvölkerstaat Jugoslawien – eine Unabhängigkeit, die der damals nationalistische Präsident Franjo Tudjman verantwortete. Welche Rolle, Herr Popovic, spielt der Nationalismus heute in Kroatien?
Popovic: Der Nationalismus heute ist auch gerade mit der riesigen Korruption der großen Patrioten auf einen historischen Mindeststand gesunken. Natürlich gibt es bei uns auch, genau so wie überall in Europa, rechtsextreme Gruppen, auch Parteien, ultranationalistische. Aber sie sind auch nach allgemeiner Einschätzung marginal.
Bürger: Wen ziehen diese nationalistischen Parteien eher an? Die Älteren, oder auch die junge, frustrierte Generation?
Popovic: Leider eine Mischung aus engstirnigen älteren, unheilbaren Chauvinisten und auf der anderen Seite sehr viel Jugend in der Provinz. Sehr viel Jugend, die joblos, aussichtslos herumhängt, wie man so sagt, und natürlich sind diese überall dann leicht zu mobilisieren für die allerverrücktesten Ideen – und sind dann auch gewaltbereit. Wohin das führen kann, ist natürlich in Ungarn sichtbar geworden, aber auf diesem Weg ist Kroatien überhaupt nicht. Die stärkste Partei im Moment mit dem größten Zufluss ist die sozialdemokratische und die traditionelle, die tudjmanistische konservative Partei, die an der Macht ist, verliert massenweise Anhängerschaft …
Bürger: … obwohl diese Regierung ja jetzt die EU-Beitrittsverhandlungen geführt hat.
Popovic: Ja, das ist wahr. Das war auch das letzte Argument, um überhaupt zu bestehen, denn ein anderes Vorhaben hat diese Partei überhaupt nicht mehr. Und wie gesagt, es ist auch schwierig, wenn eben jeden Monat ein Minister im Gefängnis landet. Und sicher ist das auch ein Verdienst dieser Partei, dass sie uns nicht aus Europa noch einmal geführt hat. Aber mehr nicht.
Bürger: Am 25. Juni jährt sich Kroatiens Unabhängigkeitserklärung von Jugoslawien, damit aber auch der Beginn des Krieges vor 20 Jahren und der Zerfall des ehemaligen Vielvölkerstaates. Wird dieser 25. Juni, als ein Tag der Befreiung gesehen, oder eher als Gedenktag für die vielen Opfer des Krieges?
Popovic: Vor allen Dingen als ein Tag, wo die Katastrophe anfing, denn ab dieser Selbstständigkeitserklärung begann eine Eskalation, eine Zerstörung, eine Gewalt, Vertreibungen, die Zerstörung von Vukovar, die Bombardierung und Einkesselung von Dubrovnik, das Leiden der Stadt Zadar, das dann jahrelang praktisch isoliert war vom übrigen Land, und dann überhaupt ein Krieg in Kroatien, der zuerst zu einer kroatischen Tragödie geführt hat und sehr viel Leid, und dann schließlich beim kroatischen Sieg dann die Tragödie, die den riesigen Auszug von kroatischen Serben aus dem Land zur Folge hatte. Niemand erinnert sich gerne an diese Zeit, und leider ist dieser Unabhängigkeitstag, der zum Beispiel in Slowenien sicher freudig begangen werden kann, in Kroatien mit sehr gemischten Gefühlen.
Bürger: Sie sagen: Niemand erinnert sich gerne an diese Zeit. Aber wie steht es mit der Vergangenheitsbewältigung? Also, die Nachwehen von Krieg, Diktatur, Bürgerkrieg, das sieht man ebenfalls in Griechenland und auch in Spanien, haben dort den Aufbau wirklich demokratische Strukturen enorm verschleppt. Was braucht Kroatien noch in Sachen Vergangenheitsbewältigung?
Popovic: In Kroatien liegt alles auf dem Tisch: Alle Fakten, vor allen Dingen über die sogenannten eigenen kroatischen Fehler bis zu Kriegsverbrechen. Das ist ein Prozess, der insofern schmerzhaft ist, weil die Menschen sich im Allgemeinen denken, wir hätten damals einen Verteidigungskrieg geführt, also insofern gerechtfertigt. Schwierig ist auch dabei, dass sehr viele Ikonen, sagen wir, des nationalen Widerstands, eine Art Helden, sich dann leider auch als mögliche oder tatsächliche Kriegsverbrecher herausstellen …
Bürger: … deren Verfolgung die EU konsequent fordert, aber die ja auch von Teilen der kroatischen Bevölkerung abgelehnt wird!
Popovic: Ja, das wird eben aus den Gründen vielfach abgelehnt. Die Menschen sehen das viel simpler: Man wird angegriffen, und zwar ziemlich brutal, und dann schlägt man zurück aus der David-Goliath Situation heraus, und das ist ein prinzipielles Gefühl. Und möglicherweise wäre das anders, wäre in Serbien früher die Aufarbeitung begonnen worden und es hätte parallel sozusagen die Aufarbeitung gegeben. So blickt man immer auf die andere Seite und sagt: Mein Gott, wieso konnten da dann Karadzic und Mladic jahrzehntelang spazieren gehen, und wir quälen uns hier mit Prozessen, Anschuldigungen und so.
Gerade vor ein paar Tagen ist wieder eine Anklage erhoben worden gegen Tomislav Mercep, eine sehr schwerwiegende: Er führte eine Todesschwadron, die angesehene Serben verschleppt und offensichtlich auch ermordet hatte. Das sind Dinge, die ins Fleisch gehen und ohne Moderation – Kroatien macht das ganz alleine, mit eigenen Richtern, eigenen Rechtsanwälten –, das passiert mitten im gesellschaftlichen Gewebe. Aber die Wahrheit liegt auf dem Tisch, und vor der schließt niemand mehr die Augen. Und natürlich, in Den Haag läuft da die ganz große Geschichte mit den großen Befehlshabern, hier geht es an die Eingeweide, was in dem und dem Dorf, was in der und der Stadt passiert ist.
Scholl: Kroatien 20 Jahre nach der Unabhängigkeit. 2013 will die Europäische Union das Land als Mitglied aufnehmen. Das war der Verleger Nenad Popovic im Gespräch mit Britta Bürger.
Popovic: Ja, das ist eine riesige Freude, darauf haben wir alle … oder das Land hatte darauf sehr lange und angespannt gewartet. Es war ein langsamer Prozess, mit sehr vielen Auflagen verbunden, die aber dann letztlich Kroatien sehr gut getan haben.
Britta Bürger: Sorge bereitet der EU nach wie vor die noch immer weit verbreitete Korruption im Land. Am Beispiel Griechenlands erleben wir ja gerade, wie Vetternwirtschaft und Schmiergeldzahlungen, Verflechtungen von Politik und Wirtschaft ein Land in den Abgrund ziehen können. Sehen Sie in Kroatien da schon ernsthafte Verbesserungen?
Popovic: Diesbezüglich geht Kroatien durch eine sehr dramatische Zeit. Der Generalstaatsanwalt hat in den letzten anderthalb Jahren Prozesse angestrengt gegen den Verteidigungsminister, gegen einen Vizepremier, gegen Staatssekretäre, und schließlich auch gegen den ehemaligen Premierminister Ivo Sanader – und die meisten von ihnen sind entweder verurteilt und sitzen ihre Gefängnisstrafen ab, oder sind kurz davor. Unsere Untersuchungsgefängnisse voll mit den allerprominentesten und mächtigsten Politikern.
Das ist auf der einen Seite eine riesige Erleichterung, denn die Korruption ganz oben ist die allerschlimmste. Auf der anderen Seite erzeugt das auch ein Misstrauen gegen die politische Kaste. Inzwischen ist die Korruption in höchsten politischen und wirtschaftlichen Kreisen so eklatant und groß, dass Menschen sich fragen: Welche Partei sollen wir dann überhaupt wählen? Der Mann des Jahres, der kroatische Mann des Jahres, derjenige, der uns eigentlich in die EU gebracht hat, ist somit der Generalstaatsanwalt. Er heißt Mladen Bajic, und er hat wirklich den Augiasstall ausgemistet und ist immer noch dabei.
Bürger: Die wirtschaftliche Situation in Kroatien ist alles andere als rosig. Erst im Frühjahr haben Tausende Menschen auf den Straßen protestiert, sodass das schon mit dem arabischen Frühling verglichen wurde. Was ist aus dieser Protestbewegung geworden?
Popovic: Die Protestbewegung hat lange gedauert und ist zu keiner Massenbewegung geworden. Die Gewerkschaften und auch oppositionelle Parteien haben sie unterstützt, aber eigentlich nicht daran teilgenommen, aus welchen Überlegungen … es ist schon enttäuschend, dass die Bevölkerung sozusagen die oppositionellen Kräfte nach vorne pushen will, und diese dann nicht antworten. Womöglich ist die Überlegung, dass man gerade jetzt bei möglichem Abschluss der Beitrittsverhandlungen dann nicht ein chaotisches Land im Generalstreik präsentieren will. Aber, Gott! Politische Parteien sind ja immer enigmatisch!
Bürger: 20 Jahre nach Beginn des Jugoslawienkrieges rückt für Kroatien der EU-Beitritt in greifbare Nähe. Über Chancen und Risiken sprechen wir hier im Deutschlandradio Kultur mit dem kroatischen Verleger Nenad Popovic. Kroatien war – das haben wir jetzt gesagt – mit Slowenien das erste Land, das sich vor 20 Jahren losgesagt hat von dem Vielvölkerstaat Jugoslawien – eine Unabhängigkeit, die der damals nationalistische Präsident Franjo Tudjman verantwortete. Welche Rolle, Herr Popovic, spielt der Nationalismus heute in Kroatien?
Popovic: Der Nationalismus heute ist auch gerade mit der riesigen Korruption der großen Patrioten auf einen historischen Mindeststand gesunken. Natürlich gibt es bei uns auch, genau so wie überall in Europa, rechtsextreme Gruppen, auch Parteien, ultranationalistische. Aber sie sind auch nach allgemeiner Einschätzung marginal.
Bürger: Wen ziehen diese nationalistischen Parteien eher an? Die Älteren, oder auch die junge, frustrierte Generation?
Popovic: Leider eine Mischung aus engstirnigen älteren, unheilbaren Chauvinisten und auf der anderen Seite sehr viel Jugend in der Provinz. Sehr viel Jugend, die joblos, aussichtslos herumhängt, wie man so sagt, und natürlich sind diese überall dann leicht zu mobilisieren für die allerverrücktesten Ideen – und sind dann auch gewaltbereit. Wohin das führen kann, ist natürlich in Ungarn sichtbar geworden, aber auf diesem Weg ist Kroatien überhaupt nicht. Die stärkste Partei im Moment mit dem größten Zufluss ist die sozialdemokratische und die traditionelle, die tudjmanistische konservative Partei, die an der Macht ist, verliert massenweise Anhängerschaft …
Bürger: … obwohl diese Regierung ja jetzt die EU-Beitrittsverhandlungen geführt hat.
Popovic: Ja, das ist wahr. Das war auch das letzte Argument, um überhaupt zu bestehen, denn ein anderes Vorhaben hat diese Partei überhaupt nicht mehr. Und wie gesagt, es ist auch schwierig, wenn eben jeden Monat ein Minister im Gefängnis landet. Und sicher ist das auch ein Verdienst dieser Partei, dass sie uns nicht aus Europa noch einmal geführt hat. Aber mehr nicht.
Bürger: Am 25. Juni jährt sich Kroatiens Unabhängigkeitserklärung von Jugoslawien, damit aber auch der Beginn des Krieges vor 20 Jahren und der Zerfall des ehemaligen Vielvölkerstaates. Wird dieser 25. Juni, als ein Tag der Befreiung gesehen, oder eher als Gedenktag für die vielen Opfer des Krieges?
Popovic: Vor allen Dingen als ein Tag, wo die Katastrophe anfing, denn ab dieser Selbstständigkeitserklärung begann eine Eskalation, eine Zerstörung, eine Gewalt, Vertreibungen, die Zerstörung von Vukovar, die Bombardierung und Einkesselung von Dubrovnik, das Leiden der Stadt Zadar, das dann jahrelang praktisch isoliert war vom übrigen Land, und dann überhaupt ein Krieg in Kroatien, der zuerst zu einer kroatischen Tragödie geführt hat und sehr viel Leid, und dann schließlich beim kroatischen Sieg dann die Tragödie, die den riesigen Auszug von kroatischen Serben aus dem Land zur Folge hatte. Niemand erinnert sich gerne an diese Zeit, und leider ist dieser Unabhängigkeitstag, der zum Beispiel in Slowenien sicher freudig begangen werden kann, in Kroatien mit sehr gemischten Gefühlen.
Bürger: Sie sagen: Niemand erinnert sich gerne an diese Zeit. Aber wie steht es mit der Vergangenheitsbewältigung? Also, die Nachwehen von Krieg, Diktatur, Bürgerkrieg, das sieht man ebenfalls in Griechenland und auch in Spanien, haben dort den Aufbau wirklich demokratische Strukturen enorm verschleppt. Was braucht Kroatien noch in Sachen Vergangenheitsbewältigung?
Popovic: In Kroatien liegt alles auf dem Tisch: Alle Fakten, vor allen Dingen über die sogenannten eigenen kroatischen Fehler bis zu Kriegsverbrechen. Das ist ein Prozess, der insofern schmerzhaft ist, weil die Menschen sich im Allgemeinen denken, wir hätten damals einen Verteidigungskrieg geführt, also insofern gerechtfertigt. Schwierig ist auch dabei, dass sehr viele Ikonen, sagen wir, des nationalen Widerstands, eine Art Helden, sich dann leider auch als mögliche oder tatsächliche Kriegsverbrecher herausstellen …
Bürger: … deren Verfolgung die EU konsequent fordert, aber die ja auch von Teilen der kroatischen Bevölkerung abgelehnt wird!
Popovic: Ja, das wird eben aus den Gründen vielfach abgelehnt. Die Menschen sehen das viel simpler: Man wird angegriffen, und zwar ziemlich brutal, und dann schlägt man zurück aus der David-Goliath Situation heraus, und das ist ein prinzipielles Gefühl. Und möglicherweise wäre das anders, wäre in Serbien früher die Aufarbeitung begonnen worden und es hätte parallel sozusagen die Aufarbeitung gegeben. So blickt man immer auf die andere Seite und sagt: Mein Gott, wieso konnten da dann Karadzic und Mladic jahrzehntelang spazieren gehen, und wir quälen uns hier mit Prozessen, Anschuldigungen und so.
Gerade vor ein paar Tagen ist wieder eine Anklage erhoben worden gegen Tomislav Mercep, eine sehr schwerwiegende: Er führte eine Todesschwadron, die angesehene Serben verschleppt und offensichtlich auch ermordet hatte. Das sind Dinge, die ins Fleisch gehen und ohne Moderation – Kroatien macht das ganz alleine, mit eigenen Richtern, eigenen Rechtsanwälten –, das passiert mitten im gesellschaftlichen Gewebe. Aber die Wahrheit liegt auf dem Tisch, und vor der schließt niemand mehr die Augen. Und natürlich, in Den Haag läuft da die ganz große Geschichte mit den großen Befehlshabern, hier geht es an die Eingeweide, was in dem und dem Dorf, was in der und der Stadt passiert ist.
Scholl: Kroatien 20 Jahre nach der Unabhängigkeit. 2013 will die Europäische Union das Land als Mitglied aufnehmen. Das war der Verleger Nenad Popovic im Gespräch mit Britta Bürger.