Die kosmische Apokalypse

Das Ende der Welt ist gewiss

Die Erde wird in rund einer Milliarde Jahre für höheres Leben zu heiß.
Die Erde wird in rund einer Milliarde Jahre für höheres Leben zu heiß. © imago / Magictorch
Von Astrophysikerin Sibylle Anderl |
Vor hundert Jahre erschien Oswald Spenglers Werk "Der Untergang des Abendlandes". Anlass, sich in unserer Serie verschiedene Untergangsszenarien anzusehen, zum Beispiel die kosmische Apokalypse. Die kommt garantiert, weiß Physikerin Sibylle Anderl.
Fürchten wir Menschen uns heute noch vor den Gefahren des Weltalls? Wenn man die Frage nicht rundheraus verneinen möchte, dann kann man wohl zumindest sagen: Es war schon schlimmer. Und dafür muss man gar nicht erst zurückgehen in Zeiten, in denen der Nachthimmel mit seinen Erscheinungen noch als zeichenhafter Vermittler irdischen Unheils fungierte.
Auch die Aufklärung mit ihrer Entdeckung der Berechenbarkeit des Himmels konnte zunächst nicht viel mehr ausrichten, als die astrologischen durch wissenschaftlich fundierte Ängste zu ersetzen: Dass früher oder später ein Komet mit der Erde kollidieren könnte, ist schließlich nicht weniger beunruhigend als dessen Interpretation als Unglücksbringer. Auch die Erkenntnis, wie sensibel unsere Erde von der Energiezufuhr der Sonne abhängt, ist durchaus geeignet, Angst und Schrecken zu verbreiten. Zumindest, so lang nicht zweifelsfrei geklärt ist, wie lang wir uns weiterhin auf diese konstante Wärmequelle verlassen können.

Die Erde wird in rund einer Milliarde Jahre zu heiß

Nun wissen wir heute, dass unser Heimatstern, die Sonne, sich auf eine äußerst langlebige Form der Energieerzeugung verlässt: Er fusioniert in seinem Inneren Wasserstoff zu Helium. Das ist beruhigend, denn es bedeutet, dass unsere Sonne sich in einem sehr stabilen Lebensabschnitt befindet, der - so behaupten es astrophysikalische Modelle - insgesamt rund zehn Milliarden Jahre währt. Noch rund fünf Milliarden Jahre - dann ist der Brennstoff aufgebraucht, und die Sonne ist gezwungen, sich zu einem roten Riesen aufzublähen. Dann wird sie Merkur und Venus in sich verschlucken und die Erdoberfläche in einen Lavaozean verwandeln. Für uns Menschen wäre die Erde allerdings schon wesentlich früher kein geeigneter Lebensraum mehr. Die Leuchtkraft der Sonne nimmt bereits jetzt sehr langsam zu. In rund einer Milliarde Jahre wird es für die Existenz höherer Lebewesen auf unserem Heimatplaneten endgültig zu heiß geworden sein.

Müssen wir die irdische Apokalypse fürchten?

Eine Milliarde Jahre, was für ein Zeitraum! Von den Anfängen unserer Spezies "Homo Sapiens" trennen uns im Vergleich nur einige hunderttausend Jahre, schon das ist als Dauer kaum zu fassen. Ein emotionaler Bezug zur kosmischen Version der irdischen Apokalypse scheitert damit schon allein an unserer fehlenden Vorstellungskraft für sehr lange Zeiträume. Aber sollten wir uns nicht wenigstens davon berühren lassen, dass dann die erdbasierte Menschheit, deren Teil wir schließlich sind, ein sicheres Ende findet?

Die Hoffnung auf anderes Leben im All

Dass selbst diese Vorstellung uns kaum erregen kann, mag einer Mischung aus der Akzeptanz menschlicher Nichtigkeit und einem negativen Menschenbild geschuldet sein. Wir haben uns daran gewöhnt, die eigene Einzigartigkeit und Relevanz in Frage zu stellen. Im All scheint es von anderen Planeten nur so zu wimmeln. Dass die Erde einzige Heimat von Leben im Universum ist, wird weithin bezweifelt. Der Untergang der Menschheit würde demnach zumindest nicht notwendig auch den Untergang jeglichen Lebens bedeuten, was die Dramatik eines solchen Ereignisses merklich schmälerte. Außerdem - und das ist wohl das stärkere Argument – gehen wir ohnehin davon aus, dass die Auslöschung unserer Spezies ohne kosmische Hilfe viel früher menschengemacht passieren wird.

Die menschengemachte Apokalypse ist wahrscheinlicher

"Die Frage nach der Wahrscheinlichkeit des Weltuntergangs hat also nur als an das Leben gestellte einen akuten Sinn", schrieb der Philosoph Hans Blumenberg in seiner "Vollzähligkeit der Sterne". Das Leben sei schließlich kraft seines Wesens zum Untergang verurteilt, es erzwinge Rücksichtslosigkeit im Verbrauch der ihm erreichbaren Ressourcen. Man könnte auch sagen: Der Kosmos beunruhigt uns kaum. Zumindest nicht so sehr wie wir uns selbst.

Geboren 1981 in Oldenburg, studierte in Berlin Physik und Philosophie auf Diplom und Magister mit Abschlussarbeiten in den Bereichen Astrophysik und Philosophie des Geistes. Von 2013 bis 2017 forschte sie anschließend in Südfrankreich zu Fragen im Kontext der Sternentstehung und der Astrochemie am Institut de Planétologie et d'Astrophysique de Grenoble, dem sie nach wie vor als Gastwissenschaftlerin angehört. Im Feld der Wissenschaftsphilosophie arbeitet sie seit ihrer Doktorarbeit zu Themen der Philosophie der Astrophysik. Seit 2010 war sie als freie Mitarbeiterin für die F.A.Z. tätig, seit 2017 arbeitet sie als Redakteurin im Feuilleton, Ressort "Natur und Wissenschaft". Im Sommer 2017 erschien ihr populärwissenschaftliches Buch "Das Universum und ich - die Philosophie der Astrophysik" im Carl Hanser Verlag München.

© Ralph Anderl
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