Energiekosten und Armut

Wer zahlt die Zeche in der Krise?

06:17 Minuten
Illustration eines leeren Geldbeutels.
Wie kann in den aktuellen Krisen die Armutsgefahr abgewendet werden? © imago images / Malte Mueller
Friederike Sittler im Gespräch mit Jana Münkel |
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Viele Menschen befürchten, in die Armut abzurutschen, wenn Inflation und Energiepreise ungebremst weiter steigen. Wer muss die Rechnung am Ende zahlen und wie könnten Unternehmen an den steigenden Kosten wie auch am Energiesparen beteiligt werden?
UNO-Generalsekretär António Guterres appelliert eindringlich an die Mitgliedsstaaten: Die Belastungen durch Inflation und explodierende Energiepreise sollen nicht nur an den Bürgerinnen und Bürgern hängen bleiben, schon gar nicht an den ohnehin schon armen, die sich große Sorgen machen, wie sie sich den ganz normalen Alltag noch leisten können.
Außerdem fordert Guterres von den Regierungen, Energiesparmaßnahmen flächendeckend umzusetzen: moderater Kühlen im Sommer und weniger Heizen im Winter, außerdem auf unnötige, energiefressende Beleuchtung verzichten.

Habecks Äußerungen sorgten für Aufruhr

In Spanien gibt es bereits entsprechende, strenge Vorgaben. Das betrifft Privathaushalte und Unternehmen gleichermaßen.
Unser Studiogast Friederike Sittler, Leiterin der Abteilung „Hintergrund Politik und Kultur“, findet das wichtig , gibt jedoch zu bedenken: „Ich fürchte, dass Teile der Bevölkerung noch nicht so weit sind, mitgenommen zu werden. Wenn ich daran denke, als Robert Habeck gesagt hat; ‚Ach, so lange dusche ich ja gar nicht‘ – was das für eine Debatte ausgelöst hat.“
Selbstverständlich seien Debatten darüber, woher wir künftig unsere Energie beziehen wollen, sehr wichtig. Aber schnelle und konkrete Sparmaßnahmen seien ebenfalls drängend. „Wir brauchen jetzt auch Menschen, die in eine Vorbildfunktion gehen.“

Appell an die Solidarität von Besserverdienenden

Bürgerinnen und Bürger mit kleinem Budget müsse man nicht vom Energie- und sonstigem Sparen überzeugen, betont Sittler. Diese Menschen treibe große Angst vor den Strom- und Gasrechnungen um und davor, wie sie den kommenden Winter überstehen werden.
Wichtiger sei die Frage, wie man Gutverdiener, denen Mehrkosten von zwei- bis dreitausend Euro nicht viel ausmachten, zum Energiesparen aus Solidarität bewegen könne. „Und ich warte jetzt auch auf die Unternehmen, die sagen: Wir sind solidarisch mit den Menschen, die wenig Geld haben", sagt die Journalistin. Große Einzelhandelsketten etwa, die ihre Räume im Sommer extrem herunterkühlen.
Und wer Länder erlebt habe, in denen regelmäßig der Strom abgestellt werde oder ausfalle, der habe jetzt schon eine Ahnung davon, was auch auf die wohlhabenderen Länder zukommen könne.

Ist die Übergewinnsteuer eine gute Idee?

Interessante Frage auch: Wie können Bürgerinnen und Bürger, die ohnehin schon wenig Geld haben, von den erwartbaren Mehrkosten entlastet werden? Der UNO-Generalsekretär hält die sogenannte Übergewinnsteuer für eine gute Idee, über die Unternehmen, die aus der Krise Profit schlagen können, einen finanziellen Ausgleich an den Staat leisten.
Das sei „theoretisch“ eine gute Sache. Doch die praktische Ausführung hält Sittler für sehr kompliziert, denn: Welche Kriterien sollen angelegt werden, um die Steuer zu berechnen? Die nackten Gewinnzahlen?

Einige würden sich künstlich arm rechnen

Im Prinzip würden dann auch Unternehmen wie der Impfstoffentwickler Biontech, der durch die Coronapandemie große Gewinne einfährt und somit von der aktuellen Krise sehr profitiert, zur Kasse gebeten werden müssen.
Sittler: „Da könnte man vielleicht überlegen: Wer hat denn vorher in die Gesellschaft investiert?“ Das sei in etwa vergleichbar mit jemandem, der in Deutschland ein denkmalgeschütztes Gebäude saniere. „Dann bekomme ich anschließend eine Denkmalabschreibung und kann dann über zehn Jahre sagen: Ich habe viel Geld investiert, damit ein Kulturerbe erhalten bleibt.“ Dies werde steuerlich belohnt.
Das allerdings birgt aus ihrer Sicht das Risiko, dass sich einige Unternehmen künstlich arm rechnen würden, um einer zusätzlichen Steuer zu entgehen – während viele Bürgerinnen und Bürger tatsächlich so arm seien, dass sie nicht wüssten, wie sie durch den nächsten Winter kommen.
(mkn, mit AFPD)

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