Die Kostenexplosion
Kostenexplosionen flächendeckend in der Republik. In Bremerhaven steigen die Kosten für das Vorzeigeprojekt "Havenwelten" exorbitant an, in Hamburg können sie Klagelieder über die wahren Kosten für das neue Wahrzeichen Elbphilharmonie singen, in Hannover kämpfen die Sparpolitiker von der Landesregierung mit einer Kostenexplosion des Landeshaushaltes. Die Beispiele ließen sich beliebig fortsetzen, leider.
Kostenexplosion Niedersachsen
Wir fangen mit Niedersachsen an. Dort sieht sich Ministerpräsident Wulff selbst gern als Prototyp des vernünftigen Finanzpolitikers. "Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not" - das ist einer der Sprüche, die Wulff gerne in den Mund nahm, wenn es in der Vergangenheit um die Verschuldung des Landes ging. Doch seinen ehrgeizigen Plänen, die Neuverschuldung Niedersachsens im nächsten Jahr erstmals seit Jahrzehnten auf Null zu fahren, hat die Wirtschaftskrise einen Strich durch die Rechnung gemacht. Statt dessen werden seit diesem Jahr kräftig neue Milliarden-Schulden gemacht. Auch wenn das dem auf Sparsamkeit bedachten Finanzminister in Niedersachsen gar nicht gefällt. Susanne Schrammar weiß mehr.
Sie sollen bis zu 400.000 Jahre alt sein, die hölzernen Wurfspeere, die 1995 im niedersächsischen Schöningen bei Braunschweig gefunden wurden. Damit gehören die etwa zwei Meter langen Speere zu den ältesten vollständig erhalten Jagdwaffen der Welt. Bisher wurden sie in den niedersächsischen Landesmuseen gezeigt. Doch in seinem Konjunkturprogramm hat das niedersächsische Regierungskabinett kürzlich beschlossen, ein eigenes Erlebniszentrum für die acht Schöninger Speere zu bauen. Und dafür 15 Millionen Euro Anschubfinanzierung bereitgestellt.
Zentgraf:"Wir sehen die große Gefahr, dass es da nicht bei einer Anschubfinanzierung bleibt, sondern dass das ein dauerhafter Kostgänger sein wird und damit die Steuerzahler wieder in die Haftung genommen werden. Wir freuen uns über diesen Fund, ohne Frage, aber dennoch muss man aus übergeordneter Sicht einfach sagen: Überlegt wirklich noch mal, ob Ihr Euch das in diesen Zeiten wirklich leisten könnt, ein solches Projekt da in Gang zu setzen."
Ausgaben aus dem Konjunkturpaket sollten dazu dienen, damit langfristig Einsparungen vornehmen zu können, sagt Bernhard Zentgraf vom Bund der Steuerzahler Niedersachsen, wie zum Beispiel bei der energetischen Sanierung von Schulen. Beim Erlebniszentrum für die Schöninger Speere vermutet er jedoch das Gegenteil. Weil die Kosten derzeit nicht einzuschätzen seien, könne das Museum den niedersächsischen Steuerzahler noch teuer zu stehen kommen, fürchtet er. Doch die Landesregierung hält fest an dem so genannten Leuchtturmprojekt. Finanzminister Hartmut Möllring:
Möllring:"Die Schöninger Speere sind eine Weltsensation. Sie sind in Niedersachsen gefunden und derartiges muss natürlich auch angemessen präsentiert werden."
Noch vor einem Jahr hätte sich der Finanzminister, der als gewiefter Sparfuchs gilt, die 15 Millionen nicht so einfach aus dem Kreuz leiern lassen. Und so richtig leicht dürfte Möllring die angeblich konjunkturfördernde Ausgabe auch jetzt nicht fallen, denn mal so über hat das Land das Geld dafür nicht, im Gegenteil.
Niedersachsen steht vor einer Schuldenexplosion. In den nächsten zwei Jahren wird die Landesregierung insgesamt 4,6 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen müssen, um über die Runden zu kommen. Dabei war die niedersächsische CDU-FDP-Regierung vor sechs Jahren mit einem äußerst ehrgeizigem Ziel gestartet: 2010 sollte die Nettoneuverschuldung im Land von drei Milliarden auf Null gesenkt werden. Sogar an den bis heute 52 Milliarden Euro hohen allgemeinen Schuldenberg wollte sich Ministerpräsident Christian Wulff herantrauen.
Wulff:"Wir werden erstmals in Niedersachsen seit Bestehen des Landes 1946 spätestens 2010 Schulden tilgen."
Und bis zur Wirtschaftskrise sah es gar nicht mal schlecht aus für Wulff und seinen Finanzminister. Bereits auf 250 Millionen Euro hatten sie die Neuverschuldung heruntergedrückt, im nächsten Jahr war die Null aufgrund hoher Steuereinnahmen in greifbarer Nähe. Doch seit der Krise reißen enorme Steuerausfälle riesige Löcher in die niedersächsische Haushaltskasse. Für die nächsten zwei Jahre werden 3,7 Milliarden Euro weniger Einnahmen durch Steuern erwartet. So kurz vorm Ziel eine tiefe Enttäuschung für den sonst so besonnen Finanzminister.
Möllring:"Man fühlt sich ganz schlecht. Ich hätte fast gesagt, beschissen. Nein, es macht keinen Spaß! Und man ist machtlos, steht davor wie bei so 'nem Tsunami. Da kann man sich auch vor die Welle stellen, sie kommt trotzdem."
Und Möllrings geliebter Rotstift muss in Krisenzeiten im Schrank bleiben, hat der Ministerpräsident beschlossen, denn er würde mehr schaden als nutzen. Das kann sogar der Bund der Steuerzahler nachvollziehen. Angesichts der konjunkturellen Lage sei eine Neuverschuldung nicht nur in Niedersachsen unvermeidbar, sagt Landesgeschäftsführer Zentgraf. Doch die Frage sei, wie hoch und wie lange die Neuschuldung angesetzt werde. Zum einen sei die Summe höher angelegt als die zu erwartenden Steuerausfälle. Und zum zweiten wolle die niedersächsische Landeregierung erst im Jahr 2017 wieder bei Null Euro angelangt sein, kritisiert Zentgraf. Bis dahin werde die Krise nicht dauern.
Zentgraf:"Die Planungen jetzt 2009 bis 2016: 10,8 Milliarden neue Schulden. 10,8 Milliarden. Und wenn ich die erste Zeit der Wulff-Regierung dazurechne, kommt diese Regierung auf über 21 Milliarden Schulden. Deshalb kann man sagen: Die Regierung Wulff wird zu der größten Schuldenmacherregierung in der Geschichte Niedersachsens."
Das will Finanzminister Möllring dann doch nicht auf sich sitzen lassen. Der Wille zum Sparen sei ungebrochen, versichert er. 1,3 Milliarden Euro sollen bis zum Jahr 2013 dauerhaft aus dem Landeshaushalt gestrichen werden. Doch eine Entscheidung, an welchen Stellen gespart werden soll, wird erst im Januar nächsten Jahres gefällt. Nach der Bundestagswahl. Dann darf der Minister den Rotstift wieder aus dem Schrank holen.
Kostenexplosion Hamburg
Schnell machte die Werbung "vom neuen Wahrzeichen" in Hamburg die Runde. Gemeint war und ist damit der Bau der neuen Elbphilharmonie in der Speicherstadt. Zum Wahrzeichen anderer Art ist dieses Prestigeprojekt wider Willen geworden - zum Wahrzeichen von Kostenexplosion, Streitereien und Ungewissheiten. Irgendwie hatten frühere Hamburger Wahrzeichen einen anderen Ruf. Verena Herb über einige wahre Zeichen beim neuen Hamburger Wahrzeichen, das noch von der HSH-Nordbank überstrahlt wird. Verena Herb verschafft uns eine Übersicht.
Beethovens 1. Sinfonie - dirigiert von Stardirigent Gustavo Dudamel - das erste Elbphiharmonie-Konzert am 22. September 2009. Doch wird der "heißeste Dirigent des Planeten", wie die "Times" Dudamel betitelt, nicht im großen Konzertsaal des neuen Wahrzeichens der Stadt, eben jener Elbphilharmonie, seinen Taktstock heben - sondern in der Laiszhalle. Einem kleinen aber feinen Saal in der Innenstadt.
Elbphilharmonie-Konzerte - die sonstwo, nur nicht in der Philharmonie stattfinden: Man versucht, die Zeit zu überbrücken, bis der "neue Leuchtturm der Stadt" im November 2011 endlich fertig gestellt ist. So zumindest der Plan.
Denn noch wird gehämmert, gebohrt und geschweißt. Die Elbphilharmonie ist Großbaustelle. Gelbbehelmte Bauarbeiter wuseln über die Baustelle.
Eine Besuchergruppe mit Gummistiefeln und Helmen stapft durch die große Halle. Ab und zu tritt jemand auf rostige Nägel oder stößt an ein Stahlgitter, das auf dem Boden liegt. Therese Wilms von der städtischen Realisierungsgesellschaft ReGe führt die 20 Interessierten über die Baustelle. Zeigt mit der Hand nach oben, dort, wo ein wenig Licht in die Halle dringt:
Wilms:"Wenn Sie sich mal umdrehen, dann sehen Sie oben den Stahlträger, dort wo diese kleinen Öffnungen sind. So hoch wird der Eingangsbereich sein. Er wirkt nicht sehr hoch, er wird aber sehr breit sein - 50 Meter breit."
Man braucht viel Phantasie um sich vorzustellen, dass sich in knapp drei Jahren die "gläserne Welle" über dem ehemaligen Kaispeicher 1 in den Himmel schwingen wird - vom Bug des in die Elbe ragenden neuen Stadtviertels Hafencity. Im Januar 2008 stellte der 1. Bürgermeister der Hansestadt, Ole von Beust, euphorisch das Projekt "Elbphilharmonie" in Berlin vor:
Ole von Beust:"Dass ein solches Bauwerk mit einer faszinierenden Architektur - mit einer Verbindung von Tradition, von Backstein, von Hafen, von Wasser etwas ist, was Strahlkraft hat, weit über Hamburg hinaus - nach Berlin, aber auch über Berlin und Hamburg hinaus nach Europa..."
Die Euphorie der Beteiligten ist - in der Theorie zumindest - geblieben. In der Praxis gab und gibt es viele Probleme: Der Chefplaner des Projekts wird mittendrin entlassen, die Kosten explodieren und immer wieder wird der Eröffnungstermin nach hinten verschoben. Zeitweilig stand das Projekt ganz auf der Kippe, weil sich die Verantwortlichen, Stadt und Bauträger Hochtief, in die Haare bekamen.
Karin von Welck:"Am Anfang des Projektes haben sowohl Hochtief als auch die Architekten als auch die ReGe als auch die Stadt unterschätzt die Probleme, die mit diesem Bau zusammenhängen."
...gibt die verantwortliche Kultursenatorin Karin von Welck zu. Und in der Tat: Die Fronten waren verhärtet - die Parteien standen sich unversöhnlich gegenüber.
Karin von Welck:"Wir haben sicherlich einen Kardinalfehler gemacht, in dem wir zu früh die Erwartungshaltung geweckt haben auf eine bestimmte Summe. Ohne dass bis zum Schluss alles schon durchgeplant und kalkuliert war. Das ist sicherlich ein bisschen der öffentlichen Erwartungshaltung geschuldet. Und das ist ein Fehler, unter dem wir jetzt leiden."
Es geht ums Geld. Die jüngsten Zahlen, was das monumentale Konzerthaus kosten soll, sind von der Ausgangsannahme so weit entfernt, wie eine Galaxie von der nächsten. 114 Millionen Euro waren für das Prestigeprojekt veranschlagt. Jetzt liegen die avisierten Kosten bei 323 Millionen Euro - fast drei mal so hoch.
Karin von Welck:"Der Preis dafür ist sehr hoch. Es fällt mir schwer, das zu sagen. Aber er ist einfach hoch."
Gerade, wenn man die Gesamtfinanzlage des Stadtstaates betrachtet: Bürgermeister Ole von Beust kündigte just an, dass Hamburg in den nächsten vier Jahren fünf Milliarden Euro fehlen werden. Es gebe bereits Sparpläne der Koalition, sagt CDU-Finanzsenator Michael Freytag:
"Dass wir uns Behörde für Behörde Projekte angucken, Investitionen angucken, und überlegen: Welche davon wollen wir in welchem Zeitraum machen. Wo gibt es Möglichkeiten, etwas zu verschieben..."
Sicherlich nicht bei der HSH Nordbank. 1,5 Milliarden Euro hat die Stadt Hamburg der Landesbank bis jetzt als Kapitalspritze zukommen lassen. Geld, was aus der Steuerkasse bezahlt werden muss. Weitere Zahlungen nicht ausgeschlossen. Auch ist die Stadt in der Pflicht, wenn es um Hapag Lloyd geht: Sie ist an der Reederei beteiligt, die ebenfalls Finanzspritzen zum Überleben haben muss.
Die ersten Entscheidungen, wo die Stadt mehrere hundert Millionen Euro einsparen wird, sollen im Herbst fallen. Fest steht aber, so sagte von Beust der Zeitung "Die Welt", dass an der Elbphilharmonie "nicht gerüttelt" werde.
Es geht schließlich um das Wahrzeichen der Hansestadt - so wie die Oper in Sydney oder den Eiffelturm in Paris. Das soll die Elbphilharmonie für Hamburg werden. Dass das so sein wird, erklärte jüngst Christoph von Dohnanyi, der Chefdirigent des NDR-Sinfonieorchesters, das Residenzorchester der Elbphilharmonie sein wird.
"Die Elbphilharmonie als solche wird wahrgenommen als Plan und als ein ganz beneidenswertes Bauwerk. Ob wir in China waren, ich in New York bin... Wo auch immer ich war in letzter Zeit: London ... Die warten darauf, dass sie hierher können. Also das ist was absolut Einmaliges."
Wann das Wahrzeichen von Hamburg fertig gestellt wird, der geplante Termin im November 2011 tatsächlich gehalten werden kann, man muss abwarten. Ebenfalls, ob die Kosten noch weiter steigen werden. Im Juni berichtete die Kulturbehörde im Kulturausschuss, dass die gegenwärtige Kostenplanung für den großen Konzertsaal wohl nicht gehalten werden könne. Kommt Zeit, kommen Kosten.
Kostenexplosion Bremerhaven
Die "Havenwelten" sind das Vorzeigeprojekt in Bremerhaven. Mit der teuren Glitzerattraktion mit Luxushotel, Einkaufszentrum und Klimahaus am Hafen will die Stadt Touristen anlocken. Kritiker haben sich schon lange gefragt, wovon die bettelarme Stadt das alles bezahlen will. Viele ahnten es schon, jetzt liegen die Zahlen auf dem Tisch: Das Projekt wird wesentlich teurer als geplant. Insgesamt 50 Millionen Euro müssen draufgelegt werden. Wo das Geld her kommen soll, weiß niemand. Politiker aller Bremerhavener Fraktionen sind ratlos. Dicke Luft zwischen Bremen und Bremerhaven. Christina Selzer berichtet.
In der Innenstadt Bremerhavens, direkt am alten Hafenbecken, wölbt sich eine futuristisch geschwungene Hülle aus Glas über einer Stahlkonstruktion - das Klimahaus. Der Besucher kann entlang des achten östlichen Längengrads einmal um die Welt reisen. Eine Mischung aus Wissenschaftsmuseum und Aquarium ist das Klimahaus: 12.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, verteilt auf 15 Ebenen. Geschäftsführer Arne Dunker ist überzeugt, dass das Konzept funktionieren wird:
"Es ist mehr als die Klimadebatte, die wir führen. Jeder hat ein lebhaftes Interesse, sich mit der Klimaveränderung zu beschäftigen. Aber wer ins Klimahaus kommt, erlebt viel mehr, was das alles ist, haben wir, als wir auf das Thema kamen, gar nicht erahnen können."
Durch die trockene Hitze in der afrikanischen Sahelzone, den schwülen Regenwald von Kamerun nach Samoa in der Südsee.
Schon mehrmals wurde der Termin für die Eröffnung des Klimahauses verschoben. Ende Juni war es endlich soweit. Der Zeitdruck war groß, und nicht zuletzt deshalb liefen die Kosten für das ehrgeizige Großprojekt aus dem Ruder. Zum Beispiel durch spezielle und teure Techniken am Bau und Zuschläge für die Sonderschichten der Bauarbeiter.
Nun ist Bremerhaven nicht der Regenwald - und doch hat so mancher im Bremer Rathaus den Eindruck, dass der Bremerhavener Oberbürgermeister Jörg Schulz sich beim Geldausgeben verhält, als wäre er der König eines fernen Inselreiches. Denn viele haben vor den Kosten gewarnt.
Das Klimahaus gehört zu den "Havenwelten", das ist ein Großprojekt, das das trostlose Bremerhaven aufhübschen und Touristen anlocken soll. Auch das Mediterranem, ein italienisch anmutendes Einkaufszentrum, gehört dazu, das Hochglanzhotel Sail-City, das Auswandererhaus und der Zoo am Meer.
Insgesamt ist das Projekt jetzt 50 Millionen Euro teurer als geplant. Die bettelarme Stadt nimmt deshalb sogar zusätzliche Kredite in Höhe von mindestens 22 Millionen Euro auf. Für Mark Ella von der FDP-Opposition im Bremerhavener Stadtparlament ein Skandal:
"Ich halte die gesamte Projektsteuerung für ein Feierwerk des Dilettantismus. Erst die Verzögerungen, wir hatten ja 2005 angesteuert, jetzt haben wir 2009. Dann die Mehrkosten im zweistelligen Millionenbereich. In der freien Wirtschaft wären da schon längst Köpfe gerollt."
Die Kritik richtet sich sowohl gegen den SPD-Bürgermeister Jörg Schulz als auch seinen CDU-Stadtkämmerer Michael Teiser. In der Stadt herrscht schon seit Jahren eine große Koalition, die nach Ansicht von Mark Ella selbstherrlich ihre Entscheidungen trifft.
"Wir sind trotz Nachfragen nicht informiert worden. Im Wirtschaftsausschuss ernteten wir nur ein müdes Lächeln. Aber Zahlen sind nicht auf den Tisch gelegt worden."
Jörg Schulz wird für dieses Gebaren schon seit langem kritisiert. Doch der SPD-Oberbürgermeister fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Denn für ihn steht fest: Wenn seine gebeutelte Stadt eine Zukunft haben soll, dann geht das nur mit großen Investitionen, die - auch wenn sie einigen zu protzig sind - Besucher anlocken sollen.
Jörg Schulz: "Es gibt vielfältige Gründe, weshalb es nicht hingehauen hat, das war eine Kostenannahme, es gab keine Kostenschätzung, geschweige denn eine Kostenberechnung. Ich habe mich immer für das Projekt eingesetzt und ich stehe dazu und das zu verantworten, was wir jetzt dargestellt haben, in der Verantwortung."
Die Grünen in Bremerhaven fordern einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Der Steuerzahler habe ein Recht, zu erfahren, wer für die hohen Kosten verantwortlich sei, sagt der Fraktionschef Ulf Eversberg. Die Fakten müssten auf den Tisch. Seine Partei habe schon immer vor den Gefahren für den Haushalt gewarnt:
"Der Prozess ist schon einige Jahre im Gange, damals gab es eine andere Regierung in Bremen, und ich hab das Gefühl, dass das damals immer ein bisschen hin und her ging, wenn man hier ein bisschen zu viel ausgegeben hat: Ja gut, die Bremer werden es schon richten. Da kommt wieder was. Die Stadtverordneten haben zu allen Teilprojekten immer die Hand gehoben. Da war schon absehbar, dass das eigentlich nicht hinhauen kann. Man weiß, dass im öffentlichen Bau die Projekte 30 Prozent teurer werden in der Regel. Und wenn man das weiß, muss man Reserven haben, sonst weiß man, dass es am Ende nicht hinhaut."
Eine unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft aus Frankfurt soll jetzt die Auftragsvergabe und Finanzierung untersuchen und herausfinden, wer für die Fehler verantwortlich ist. Die Bremer Finanzsenatorin hat schon deutlich gemacht, dass sie nicht einzuspringen gedenkt. Letzten Endes sitzen aber alle, Bremer und Bremerhavener in einem Boot und haben ein gemeinsames Problem: Denn das Land steht vor einem riesigen Schuldenberg und hat aufgrund der neuen Steuerschätzung eine Haushaltsperre verhängt. Allein in diesem Jahr fehlen 250 Millionen Euro in Bremens Haushaltskasse. Und bis zum Jahr 2011 fehlen mehr als 900 Millionen Euro. Bremen muss deshalb erneut Kredite aufnehmen - in den kommenden zwei Jahren knapp eine Milliarde Euro. Offen ist derzeit, wie groß das Loch in der Endabrechnung der "Havenwelten" insgesamt sein wird und: wer es stopfen soll.
Wir fangen mit Niedersachsen an. Dort sieht sich Ministerpräsident Wulff selbst gern als Prototyp des vernünftigen Finanzpolitikers. "Spare in der Zeit, dann hast Du in der Not" - das ist einer der Sprüche, die Wulff gerne in den Mund nahm, wenn es in der Vergangenheit um die Verschuldung des Landes ging. Doch seinen ehrgeizigen Plänen, die Neuverschuldung Niedersachsens im nächsten Jahr erstmals seit Jahrzehnten auf Null zu fahren, hat die Wirtschaftskrise einen Strich durch die Rechnung gemacht. Statt dessen werden seit diesem Jahr kräftig neue Milliarden-Schulden gemacht. Auch wenn das dem auf Sparsamkeit bedachten Finanzminister in Niedersachsen gar nicht gefällt. Susanne Schrammar weiß mehr.
Sie sollen bis zu 400.000 Jahre alt sein, die hölzernen Wurfspeere, die 1995 im niedersächsischen Schöningen bei Braunschweig gefunden wurden. Damit gehören die etwa zwei Meter langen Speere zu den ältesten vollständig erhalten Jagdwaffen der Welt. Bisher wurden sie in den niedersächsischen Landesmuseen gezeigt. Doch in seinem Konjunkturprogramm hat das niedersächsische Regierungskabinett kürzlich beschlossen, ein eigenes Erlebniszentrum für die acht Schöninger Speere zu bauen. Und dafür 15 Millionen Euro Anschubfinanzierung bereitgestellt.
Zentgraf:"Wir sehen die große Gefahr, dass es da nicht bei einer Anschubfinanzierung bleibt, sondern dass das ein dauerhafter Kostgänger sein wird und damit die Steuerzahler wieder in die Haftung genommen werden. Wir freuen uns über diesen Fund, ohne Frage, aber dennoch muss man aus übergeordneter Sicht einfach sagen: Überlegt wirklich noch mal, ob Ihr Euch das in diesen Zeiten wirklich leisten könnt, ein solches Projekt da in Gang zu setzen."
Ausgaben aus dem Konjunkturpaket sollten dazu dienen, damit langfristig Einsparungen vornehmen zu können, sagt Bernhard Zentgraf vom Bund der Steuerzahler Niedersachsen, wie zum Beispiel bei der energetischen Sanierung von Schulen. Beim Erlebniszentrum für die Schöninger Speere vermutet er jedoch das Gegenteil. Weil die Kosten derzeit nicht einzuschätzen seien, könne das Museum den niedersächsischen Steuerzahler noch teuer zu stehen kommen, fürchtet er. Doch die Landesregierung hält fest an dem so genannten Leuchtturmprojekt. Finanzminister Hartmut Möllring:
Möllring:"Die Schöninger Speere sind eine Weltsensation. Sie sind in Niedersachsen gefunden und derartiges muss natürlich auch angemessen präsentiert werden."
Noch vor einem Jahr hätte sich der Finanzminister, der als gewiefter Sparfuchs gilt, die 15 Millionen nicht so einfach aus dem Kreuz leiern lassen. Und so richtig leicht dürfte Möllring die angeblich konjunkturfördernde Ausgabe auch jetzt nicht fallen, denn mal so über hat das Land das Geld dafür nicht, im Gegenteil.
Niedersachsen steht vor einer Schuldenexplosion. In den nächsten zwei Jahren wird die Landesregierung insgesamt 4,6 Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen müssen, um über die Runden zu kommen. Dabei war die niedersächsische CDU-FDP-Regierung vor sechs Jahren mit einem äußerst ehrgeizigem Ziel gestartet: 2010 sollte die Nettoneuverschuldung im Land von drei Milliarden auf Null gesenkt werden. Sogar an den bis heute 52 Milliarden Euro hohen allgemeinen Schuldenberg wollte sich Ministerpräsident Christian Wulff herantrauen.
Wulff:"Wir werden erstmals in Niedersachsen seit Bestehen des Landes 1946 spätestens 2010 Schulden tilgen."
Und bis zur Wirtschaftskrise sah es gar nicht mal schlecht aus für Wulff und seinen Finanzminister. Bereits auf 250 Millionen Euro hatten sie die Neuverschuldung heruntergedrückt, im nächsten Jahr war die Null aufgrund hoher Steuereinnahmen in greifbarer Nähe. Doch seit der Krise reißen enorme Steuerausfälle riesige Löcher in die niedersächsische Haushaltskasse. Für die nächsten zwei Jahre werden 3,7 Milliarden Euro weniger Einnahmen durch Steuern erwartet. So kurz vorm Ziel eine tiefe Enttäuschung für den sonst so besonnen Finanzminister.
Möllring:"Man fühlt sich ganz schlecht. Ich hätte fast gesagt, beschissen. Nein, es macht keinen Spaß! Und man ist machtlos, steht davor wie bei so 'nem Tsunami. Da kann man sich auch vor die Welle stellen, sie kommt trotzdem."
Und Möllrings geliebter Rotstift muss in Krisenzeiten im Schrank bleiben, hat der Ministerpräsident beschlossen, denn er würde mehr schaden als nutzen. Das kann sogar der Bund der Steuerzahler nachvollziehen. Angesichts der konjunkturellen Lage sei eine Neuverschuldung nicht nur in Niedersachsen unvermeidbar, sagt Landesgeschäftsführer Zentgraf. Doch die Frage sei, wie hoch und wie lange die Neuschuldung angesetzt werde. Zum einen sei die Summe höher angelegt als die zu erwartenden Steuerausfälle. Und zum zweiten wolle die niedersächsische Landeregierung erst im Jahr 2017 wieder bei Null Euro angelangt sein, kritisiert Zentgraf. Bis dahin werde die Krise nicht dauern.
Zentgraf:"Die Planungen jetzt 2009 bis 2016: 10,8 Milliarden neue Schulden. 10,8 Milliarden. Und wenn ich die erste Zeit der Wulff-Regierung dazurechne, kommt diese Regierung auf über 21 Milliarden Schulden. Deshalb kann man sagen: Die Regierung Wulff wird zu der größten Schuldenmacherregierung in der Geschichte Niedersachsens."
Das will Finanzminister Möllring dann doch nicht auf sich sitzen lassen. Der Wille zum Sparen sei ungebrochen, versichert er. 1,3 Milliarden Euro sollen bis zum Jahr 2013 dauerhaft aus dem Landeshaushalt gestrichen werden. Doch eine Entscheidung, an welchen Stellen gespart werden soll, wird erst im Januar nächsten Jahres gefällt. Nach der Bundestagswahl. Dann darf der Minister den Rotstift wieder aus dem Schrank holen.
Kostenexplosion Hamburg
Schnell machte die Werbung "vom neuen Wahrzeichen" in Hamburg die Runde. Gemeint war und ist damit der Bau der neuen Elbphilharmonie in der Speicherstadt. Zum Wahrzeichen anderer Art ist dieses Prestigeprojekt wider Willen geworden - zum Wahrzeichen von Kostenexplosion, Streitereien und Ungewissheiten. Irgendwie hatten frühere Hamburger Wahrzeichen einen anderen Ruf. Verena Herb über einige wahre Zeichen beim neuen Hamburger Wahrzeichen, das noch von der HSH-Nordbank überstrahlt wird. Verena Herb verschafft uns eine Übersicht.
Beethovens 1. Sinfonie - dirigiert von Stardirigent Gustavo Dudamel - das erste Elbphiharmonie-Konzert am 22. September 2009. Doch wird der "heißeste Dirigent des Planeten", wie die "Times" Dudamel betitelt, nicht im großen Konzertsaal des neuen Wahrzeichens der Stadt, eben jener Elbphilharmonie, seinen Taktstock heben - sondern in der Laiszhalle. Einem kleinen aber feinen Saal in der Innenstadt.
Elbphilharmonie-Konzerte - die sonstwo, nur nicht in der Philharmonie stattfinden: Man versucht, die Zeit zu überbrücken, bis der "neue Leuchtturm der Stadt" im November 2011 endlich fertig gestellt ist. So zumindest der Plan.
Denn noch wird gehämmert, gebohrt und geschweißt. Die Elbphilharmonie ist Großbaustelle. Gelbbehelmte Bauarbeiter wuseln über die Baustelle.
Eine Besuchergruppe mit Gummistiefeln und Helmen stapft durch die große Halle. Ab und zu tritt jemand auf rostige Nägel oder stößt an ein Stahlgitter, das auf dem Boden liegt. Therese Wilms von der städtischen Realisierungsgesellschaft ReGe führt die 20 Interessierten über die Baustelle. Zeigt mit der Hand nach oben, dort, wo ein wenig Licht in die Halle dringt:
Wilms:"Wenn Sie sich mal umdrehen, dann sehen Sie oben den Stahlträger, dort wo diese kleinen Öffnungen sind. So hoch wird der Eingangsbereich sein. Er wirkt nicht sehr hoch, er wird aber sehr breit sein - 50 Meter breit."
Man braucht viel Phantasie um sich vorzustellen, dass sich in knapp drei Jahren die "gläserne Welle" über dem ehemaligen Kaispeicher 1 in den Himmel schwingen wird - vom Bug des in die Elbe ragenden neuen Stadtviertels Hafencity. Im Januar 2008 stellte der 1. Bürgermeister der Hansestadt, Ole von Beust, euphorisch das Projekt "Elbphilharmonie" in Berlin vor:
Ole von Beust:"Dass ein solches Bauwerk mit einer faszinierenden Architektur - mit einer Verbindung von Tradition, von Backstein, von Hafen, von Wasser etwas ist, was Strahlkraft hat, weit über Hamburg hinaus - nach Berlin, aber auch über Berlin und Hamburg hinaus nach Europa..."
Die Euphorie der Beteiligten ist - in der Theorie zumindest - geblieben. In der Praxis gab und gibt es viele Probleme: Der Chefplaner des Projekts wird mittendrin entlassen, die Kosten explodieren und immer wieder wird der Eröffnungstermin nach hinten verschoben. Zeitweilig stand das Projekt ganz auf der Kippe, weil sich die Verantwortlichen, Stadt und Bauträger Hochtief, in die Haare bekamen.
Karin von Welck:"Am Anfang des Projektes haben sowohl Hochtief als auch die Architekten als auch die ReGe als auch die Stadt unterschätzt die Probleme, die mit diesem Bau zusammenhängen."
...gibt die verantwortliche Kultursenatorin Karin von Welck zu. Und in der Tat: Die Fronten waren verhärtet - die Parteien standen sich unversöhnlich gegenüber.
Karin von Welck:"Wir haben sicherlich einen Kardinalfehler gemacht, in dem wir zu früh die Erwartungshaltung geweckt haben auf eine bestimmte Summe. Ohne dass bis zum Schluss alles schon durchgeplant und kalkuliert war. Das ist sicherlich ein bisschen der öffentlichen Erwartungshaltung geschuldet. Und das ist ein Fehler, unter dem wir jetzt leiden."
Es geht ums Geld. Die jüngsten Zahlen, was das monumentale Konzerthaus kosten soll, sind von der Ausgangsannahme so weit entfernt, wie eine Galaxie von der nächsten. 114 Millionen Euro waren für das Prestigeprojekt veranschlagt. Jetzt liegen die avisierten Kosten bei 323 Millionen Euro - fast drei mal so hoch.
Karin von Welck:"Der Preis dafür ist sehr hoch. Es fällt mir schwer, das zu sagen. Aber er ist einfach hoch."
Gerade, wenn man die Gesamtfinanzlage des Stadtstaates betrachtet: Bürgermeister Ole von Beust kündigte just an, dass Hamburg in den nächsten vier Jahren fünf Milliarden Euro fehlen werden. Es gebe bereits Sparpläne der Koalition, sagt CDU-Finanzsenator Michael Freytag:
"Dass wir uns Behörde für Behörde Projekte angucken, Investitionen angucken, und überlegen: Welche davon wollen wir in welchem Zeitraum machen. Wo gibt es Möglichkeiten, etwas zu verschieben..."
Sicherlich nicht bei der HSH Nordbank. 1,5 Milliarden Euro hat die Stadt Hamburg der Landesbank bis jetzt als Kapitalspritze zukommen lassen. Geld, was aus der Steuerkasse bezahlt werden muss. Weitere Zahlungen nicht ausgeschlossen. Auch ist die Stadt in der Pflicht, wenn es um Hapag Lloyd geht: Sie ist an der Reederei beteiligt, die ebenfalls Finanzspritzen zum Überleben haben muss.
Die ersten Entscheidungen, wo die Stadt mehrere hundert Millionen Euro einsparen wird, sollen im Herbst fallen. Fest steht aber, so sagte von Beust der Zeitung "Die Welt", dass an der Elbphilharmonie "nicht gerüttelt" werde.
Es geht schließlich um das Wahrzeichen der Hansestadt - so wie die Oper in Sydney oder den Eiffelturm in Paris. Das soll die Elbphilharmonie für Hamburg werden. Dass das so sein wird, erklärte jüngst Christoph von Dohnanyi, der Chefdirigent des NDR-Sinfonieorchesters, das Residenzorchester der Elbphilharmonie sein wird.
"Die Elbphilharmonie als solche wird wahrgenommen als Plan und als ein ganz beneidenswertes Bauwerk. Ob wir in China waren, ich in New York bin... Wo auch immer ich war in letzter Zeit: London ... Die warten darauf, dass sie hierher können. Also das ist was absolut Einmaliges."
Wann das Wahrzeichen von Hamburg fertig gestellt wird, der geplante Termin im November 2011 tatsächlich gehalten werden kann, man muss abwarten. Ebenfalls, ob die Kosten noch weiter steigen werden. Im Juni berichtete die Kulturbehörde im Kulturausschuss, dass die gegenwärtige Kostenplanung für den großen Konzertsaal wohl nicht gehalten werden könne. Kommt Zeit, kommen Kosten.
Kostenexplosion Bremerhaven
Die "Havenwelten" sind das Vorzeigeprojekt in Bremerhaven. Mit der teuren Glitzerattraktion mit Luxushotel, Einkaufszentrum und Klimahaus am Hafen will die Stadt Touristen anlocken. Kritiker haben sich schon lange gefragt, wovon die bettelarme Stadt das alles bezahlen will. Viele ahnten es schon, jetzt liegen die Zahlen auf dem Tisch: Das Projekt wird wesentlich teurer als geplant. Insgesamt 50 Millionen Euro müssen draufgelegt werden. Wo das Geld her kommen soll, weiß niemand. Politiker aller Bremerhavener Fraktionen sind ratlos. Dicke Luft zwischen Bremen und Bremerhaven. Christina Selzer berichtet.
In der Innenstadt Bremerhavens, direkt am alten Hafenbecken, wölbt sich eine futuristisch geschwungene Hülle aus Glas über einer Stahlkonstruktion - das Klimahaus. Der Besucher kann entlang des achten östlichen Längengrads einmal um die Welt reisen. Eine Mischung aus Wissenschaftsmuseum und Aquarium ist das Klimahaus: 12.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche, verteilt auf 15 Ebenen. Geschäftsführer Arne Dunker ist überzeugt, dass das Konzept funktionieren wird:
"Es ist mehr als die Klimadebatte, die wir führen. Jeder hat ein lebhaftes Interesse, sich mit der Klimaveränderung zu beschäftigen. Aber wer ins Klimahaus kommt, erlebt viel mehr, was das alles ist, haben wir, als wir auf das Thema kamen, gar nicht erahnen können."
Durch die trockene Hitze in der afrikanischen Sahelzone, den schwülen Regenwald von Kamerun nach Samoa in der Südsee.
Schon mehrmals wurde der Termin für die Eröffnung des Klimahauses verschoben. Ende Juni war es endlich soweit. Der Zeitdruck war groß, und nicht zuletzt deshalb liefen die Kosten für das ehrgeizige Großprojekt aus dem Ruder. Zum Beispiel durch spezielle und teure Techniken am Bau und Zuschläge für die Sonderschichten der Bauarbeiter.
Nun ist Bremerhaven nicht der Regenwald - und doch hat so mancher im Bremer Rathaus den Eindruck, dass der Bremerhavener Oberbürgermeister Jörg Schulz sich beim Geldausgeben verhält, als wäre er der König eines fernen Inselreiches. Denn viele haben vor den Kosten gewarnt.
Das Klimahaus gehört zu den "Havenwelten", das ist ein Großprojekt, das das trostlose Bremerhaven aufhübschen und Touristen anlocken soll. Auch das Mediterranem, ein italienisch anmutendes Einkaufszentrum, gehört dazu, das Hochglanzhotel Sail-City, das Auswandererhaus und der Zoo am Meer.
Insgesamt ist das Projekt jetzt 50 Millionen Euro teurer als geplant. Die bettelarme Stadt nimmt deshalb sogar zusätzliche Kredite in Höhe von mindestens 22 Millionen Euro auf. Für Mark Ella von der FDP-Opposition im Bremerhavener Stadtparlament ein Skandal:
"Ich halte die gesamte Projektsteuerung für ein Feierwerk des Dilettantismus. Erst die Verzögerungen, wir hatten ja 2005 angesteuert, jetzt haben wir 2009. Dann die Mehrkosten im zweistelligen Millionenbereich. In der freien Wirtschaft wären da schon längst Köpfe gerollt."
Die Kritik richtet sich sowohl gegen den SPD-Bürgermeister Jörg Schulz als auch seinen CDU-Stadtkämmerer Michael Teiser. In der Stadt herrscht schon seit Jahren eine große Koalition, die nach Ansicht von Mark Ella selbstherrlich ihre Entscheidungen trifft.
"Wir sind trotz Nachfragen nicht informiert worden. Im Wirtschaftsausschuss ernteten wir nur ein müdes Lächeln. Aber Zahlen sind nicht auf den Tisch gelegt worden."
Jörg Schulz wird für dieses Gebaren schon seit langem kritisiert. Doch der SPD-Oberbürgermeister fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Denn für ihn steht fest: Wenn seine gebeutelte Stadt eine Zukunft haben soll, dann geht das nur mit großen Investitionen, die - auch wenn sie einigen zu protzig sind - Besucher anlocken sollen.
Jörg Schulz: "Es gibt vielfältige Gründe, weshalb es nicht hingehauen hat, das war eine Kostenannahme, es gab keine Kostenschätzung, geschweige denn eine Kostenberechnung. Ich habe mich immer für das Projekt eingesetzt und ich stehe dazu und das zu verantworten, was wir jetzt dargestellt haben, in der Verantwortung."
Die Grünen in Bremerhaven fordern einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Der Steuerzahler habe ein Recht, zu erfahren, wer für die hohen Kosten verantwortlich sei, sagt der Fraktionschef Ulf Eversberg. Die Fakten müssten auf den Tisch. Seine Partei habe schon immer vor den Gefahren für den Haushalt gewarnt:
"Der Prozess ist schon einige Jahre im Gange, damals gab es eine andere Regierung in Bremen, und ich hab das Gefühl, dass das damals immer ein bisschen hin und her ging, wenn man hier ein bisschen zu viel ausgegeben hat: Ja gut, die Bremer werden es schon richten. Da kommt wieder was. Die Stadtverordneten haben zu allen Teilprojekten immer die Hand gehoben. Da war schon absehbar, dass das eigentlich nicht hinhauen kann. Man weiß, dass im öffentlichen Bau die Projekte 30 Prozent teurer werden in der Regel. Und wenn man das weiß, muss man Reserven haben, sonst weiß man, dass es am Ende nicht hinhaut."
Eine unabhängige Wirtschaftsprüfungsgesellschaft aus Frankfurt soll jetzt die Auftragsvergabe und Finanzierung untersuchen und herausfinden, wer für die Fehler verantwortlich ist. Die Bremer Finanzsenatorin hat schon deutlich gemacht, dass sie nicht einzuspringen gedenkt. Letzten Endes sitzen aber alle, Bremer und Bremerhavener in einem Boot und haben ein gemeinsames Problem: Denn das Land steht vor einem riesigen Schuldenberg und hat aufgrund der neuen Steuerschätzung eine Haushaltsperre verhängt. Allein in diesem Jahr fehlen 250 Millionen Euro in Bremens Haushaltskasse. Und bis zum Jahr 2011 fehlen mehr als 900 Millionen Euro. Bremen muss deshalb erneut Kredite aufnehmen - in den kommenden zwei Jahren knapp eine Milliarde Euro. Offen ist derzeit, wie groß das Loch in der Endabrechnung der "Havenwelten" insgesamt sein wird und: wer es stopfen soll.