Die Kraft aus dem Wald
Das Tiefland des Amazonas weckt Begehrlichkeiten bei Energiekonzernen, denn es ist reich an Erdöl. Doch die dort lebenden Indios wehren sich gegen Landnahmen. Der Regenwald ist ihr angestammter Lebensraum. Indigenen-Präsident José Gualinga wirbt zurzeit in Deutschland um Unterstützung.
Mehr als drei Stunden hat José Gualinga im Bundesentwicklungsministerium die Lage seines Kichwa-Volkes geschildert. Zu dem Termin im Bonner Dienstsitz trug er seine Tracht: eine grün-violette Weste und darüber eine über einen Meter lange Kette, die ihn als Präsident von Sarayaku auszeichnet.
Gualinga: "Die Kette besteht aus Knochen von einer Boa-Schlange. Es sind Rückenwirbel und Teile der Seitenknochen, an die bunte Vogelfedern geknüpft sind. Ich habe die Kette immer an auf wichtigen Versammlungen oder Treffen mit Ministern. Die Kette ist Symbol meiner Autorität."
Die Boa-Knochen zeigen, wo der 49-Jährige herkommt. Aus dem weitgehend noch unberührten Regenwald am Bobonaza-Fluss im ecuadorianischen Amazonastiefland. Spanisch ist für José Gualinga nur Zweitsprache. Er achtet darauf, dass an den sieben Schulen seiner Gemeinschaft auch auf Kichwa, der Muttersprache der Indigenen, unterrichtet wird. Zwischen den Terminen in Bonn checkt José Gualinga seine E-Mails. Mehrmals am Tag bekommt er Post. Betreff: ein Protestmarsch der indigenen Frauen in die Hauptstadt.
Gualinga: "Es sind am Sonntag 150 Frauen losgegangen in Puyo. Dann haben sich 150 Frauen aus Sarayaku angeschlossen, und es werden sich noch mehr auf den Weg nach Quito machen. Sie werden dort Menschen treffen, die schon seit Tagen gegen die Erdölförderung im Yasuni-Nationalpark protestieren - und auch für die Rechte der indigenen Völker, die noch in Freiheit im Amazonasgebiet leben."
José Gualinga erzählt, dass das indigene Volk der Waorani tief gespalten ist: Die Männer befürworten das geplante Ölprojekt im Yasuni, schließlich seien ihnen ja Entschädigungszahlungen und Gesundheitsprogramme versprochen worden. Doch die Frauen sind nach wie vor dagegen.
"Also die Frauen haben das letzte Wort. Sie haben eine wichtige Rolle in den Versammlungen, bei den Entschlüssen der Gemeinschaft. Es wird immer viel diskutiert. Am Ende hat aber das Wort der Frauen das größte Gewicht."
Am Abend zeigt der Sarayaku-Präsident in Bonn einen Film. 80 Besucher drängen sich in einem Saal der Caritas. Thema des Films ist die Bedrohung seines Volkes durch das plötzliche Auftauchen eines argentinischen Ölkonzerns - und der juristische Kampf gegen die Landnahme.
Vor etwa zehn Jahren kamen die neuen Eroberer mit Hubschraubern. Sie brachten Militär und für ihre Proben Dynamit mit. Ecuador hatte dem Erdölunternehmen Konzessionsrechte auf dem Land der Indigenen eingeräumt, ohne diese vorher zu konsultieren. Es begann ein Gerichtsmarathon durch die Instanzen. Schließlich fällte im vergangenen Jahr der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte in Costa Rica sein Urteil. Es ist wegweisend für die Rechte indigener Völker. Im Fall Sarayaku gegen Ecuador stellte das Gericht fest: Der Staat habe das Recht der Indigenen auf freie, vorherige und informierte Zustimmung verletzt. In Europa, speziell in Deutschland, findet die Position der Indigenen Unterstützung.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sammelt zurzeit Unterschriften für Sarayaku. Die Petitionslisten werden Ende des Jahres an Ecuadors Präsidenten Rafael Correa geschickt. Auch die Bonner Mitarbeiter der Tropenwaldstiftung OroVerde haben mit José Gualinga jedes Detail des Urteils im Prozess Sarayaku gegen Ecuador besprochen. Die OroVerde-Projektkoordinatorin Elke Mannigel ist sich sicher, dass es wenigstens auf dem Boden von Sarayaku keine Bohrtürme geben wird. Zudem verlaufe die aktuelle Ausschreibungsrunde für neue Bohrungen für Ecuador unglücklich.
"Die Ausschreibung ist zum dritten Mal verlängert worden. Die Ausschreibungsfrist läuft jetzt bis November. Bisher hat sich noch keine der großen Firmen bereit erklärt, in einem der Blocks zu bohren. Weil sie halt Angst haben vor den indigenen Protesten in der Region. Das ist sehr erfolgreich, wie wir finden. So ein bisschen die Angst, die jetzt alle haben, ist, dass die ecuadorianische Regierung gerade Gespräche mit chinesischen Firmen führt. Und dass es sein kann, dass dann da chinesische Firmen aktiv werden, die von hier aus wesentlich schwerer zu beeinflussen sind."
Die Landnahme ohne Zustimmung der indigenen Gemeinden ist das eine Problem. Die Tropenwaldstiftung befürchtet außerdem eine starke Verschmutzung des Trinkwassers, sollten die neuen Ölfördergebiete kommen.
Mannigel: "Ich glaube, dass das ecuadorianische Amazonasgebiet kein Gebiet ist, wo Erdölförderung möglich ist. Und dass wir im Augenblick noch keine Technologie haben, die es möglich macht, da wirklich sauber Erdöl zu fördern."
Die Furcht der Indios ist, dass ihr Dschungel zur Wüste wird. Dass ihr Wald seine Seele verliert. José Gualinga:
"Der Wald ist nach wie vor ein Mysterium. Ein lebendes Wesen, mit dem wir uns verbinden. Aus ihm ziehen wir unsere Kraft – emotional, psychisch. Jeder, der in diesem Wald geboren worden ist, lernt, aus ihm Lebenskraft zu ziehen. Nur wenige, die aus der Sarayaku-Gemeinschaft ausgezogen sind, haben diesen Kontakt zum Wald schon verloren."
José Gualinga ist müde von seiner Europareise. Nach der Rückkehr wird er sich erstmal ganz in eine abgelegene Waldhütte zurückziehen. Zehn Tage lang einfach nur fischen, jagen, eins sein mit der Natur.
Gualinga: "Die Kette besteht aus Knochen von einer Boa-Schlange. Es sind Rückenwirbel und Teile der Seitenknochen, an die bunte Vogelfedern geknüpft sind. Ich habe die Kette immer an auf wichtigen Versammlungen oder Treffen mit Ministern. Die Kette ist Symbol meiner Autorität."
Die Boa-Knochen zeigen, wo der 49-Jährige herkommt. Aus dem weitgehend noch unberührten Regenwald am Bobonaza-Fluss im ecuadorianischen Amazonastiefland. Spanisch ist für José Gualinga nur Zweitsprache. Er achtet darauf, dass an den sieben Schulen seiner Gemeinschaft auch auf Kichwa, der Muttersprache der Indigenen, unterrichtet wird. Zwischen den Terminen in Bonn checkt José Gualinga seine E-Mails. Mehrmals am Tag bekommt er Post. Betreff: ein Protestmarsch der indigenen Frauen in die Hauptstadt.
Gualinga: "Es sind am Sonntag 150 Frauen losgegangen in Puyo. Dann haben sich 150 Frauen aus Sarayaku angeschlossen, und es werden sich noch mehr auf den Weg nach Quito machen. Sie werden dort Menschen treffen, die schon seit Tagen gegen die Erdölförderung im Yasuni-Nationalpark protestieren - und auch für die Rechte der indigenen Völker, die noch in Freiheit im Amazonasgebiet leben."
José Gualinga erzählt, dass das indigene Volk der Waorani tief gespalten ist: Die Männer befürworten das geplante Ölprojekt im Yasuni, schließlich seien ihnen ja Entschädigungszahlungen und Gesundheitsprogramme versprochen worden. Doch die Frauen sind nach wie vor dagegen.
"Also die Frauen haben das letzte Wort. Sie haben eine wichtige Rolle in den Versammlungen, bei den Entschlüssen der Gemeinschaft. Es wird immer viel diskutiert. Am Ende hat aber das Wort der Frauen das größte Gewicht."
Am Abend zeigt der Sarayaku-Präsident in Bonn einen Film. 80 Besucher drängen sich in einem Saal der Caritas. Thema des Films ist die Bedrohung seines Volkes durch das plötzliche Auftauchen eines argentinischen Ölkonzerns - und der juristische Kampf gegen die Landnahme.
Vor etwa zehn Jahren kamen die neuen Eroberer mit Hubschraubern. Sie brachten Militär und für ihre Proben Dynamit mit. Ecuador hatte dem Erdölunternehmen Konzessionsrechte auf dem Land der Indigenen eingeräumt, ohne diese vorher zu konsultieren. Es begann ein Gerichtsmarathon durch die Instanzen. Schließlich fällte im vergangenen Jahr der Interamerikanische Gerichtshof für Menschenrechte in Costa Rica sein Urteil. Es ist wegweisend für die Rechte indigener Völker. Im Fall Sarayaku gegen Ecuador stellte das Gericht fest: Der Staat habe das Recht der Indigenen auf freie, vorherige und informierte Zustimmung verletzt. In Europa, speziell in Deutschland, findet die Position der Indigenen Unterstützung.
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sammelt zurzeit Unterschriften für Sarayaku. Die Petitionslisten werden Ende des Jahres an Ecuadors Präsidenten Rafael Correa geschickt. Auch die Bonner Mitarbeiter der Tropenwaldstiftung OroVerde haben mit José Gualinga jedes Detail des Urteils im Prozess Sarayaku gegen Ecuador besprochen. Die OroVerde-Projektkoordinatorin Elke Mannigel ist sich sicher, dass es wenigstens auf dem Boden von Sarayaku keine Bohrtürme geben wird. Zudem verlaufe die aktuelle Ausschreibungsrunde für neue Bohrungen für Ecuador unglücklich.
"Die Ausschreibung ist zum dritten Mal verlängert worden. Die Ausschreibungsfrist läuft jetzt bis November. Bisher hat sich noch keine der großen Firmen bereit erklärt, in einem der Blocks zu bohren. Weil sie halt Angst haben vor den indigenen Protesten in der Region. Das ist sehr erfolgreich, wie wir finden. So ein bisschen die Angst, die jetzt alle haben, ist, dass die ecuadorianische Regierung gerade Gespräche mit chinesischen Firmen führt. Und dass es sein kann, dass dann da chinesische Firmen aktiv werden, die von hier aus wesentlich schwerer zu beeinflussen sind."
Die Landnahme ohne Zustimmung der indigenen Gemeinden ist das eine Problem. Die Tropenwaldstiftung befürchtet außerdem eine starke Verschmutzung des Trinkwassers, sollten die neuen Ölfördergebiete kommen.
Mannigel: "Ich glaube, dass das ecuadorianische Amazonasgebiet kein Gebiet ist, wo Erdölförderung möglich ist. Und dass wir im Augenblick noch keine Technologie haben, die es möglich macht, da wirklich sauber Erdöl zu fördern."
Die Furcht der Indios ist, dass ihr Dschungel zur Wüste wird. Dass ihr Wald seine Seele verliert. José Gualinga:
"Der Wald ist nach wie vor ein Mysterium. Ein lebendes Wesen, mit dem wir uns verbinden. Aus ihm ziehen wir unsere Kraft – emotional, psychisch. Jeder, der in diesem Wald geboren worden ist, lernt, aus ihm Lebenskraft zu ziehen. Nur wenige, die aus der Sarayaku-Gemeinschaft ausgezogen sind, haben diesen Kontakt zum Wald schon verloren."
José Gualinga ist müde von seiner Europareise. Nach der Rückkehr wird er sich erstmal ganz in eine abgelegene Waldhütte zurückziehen. Zehn Tage lang einfach nur fischen, jagen, eins sein mit der Natur.