Die Küche der Astronauten

Anfangs entschieden noch technologische Zwänge über den Speiseplan der Astronauten im All.
Anfangs entschieden noch technologische Zwänge über den Speiseplan der Astronauten im All. © NASA
Von Udo Pollmer |
Ja, es gibt sie noch – die blinden Flecken auf der Landkarte der Kochbücher. Und wenn Sie jetzt Ihren Blick flehend nach oben richten – dann liegen Sie genau richtig: Jetzt gibt es eine Rezeptsammlung für den Himmel oder besser gesagt für die Astronauten. Auch im Weltall gilt: Ohne Mampf kein Kampf!
Eigentlich ist das Kochbuch der NASA eine derbe Niederlage für die Experten der Raumfahrt. Die hatten in ihrem Technikfieber eine einfache Lösung parat: Sie wollten das Flugpersonal in der Raumkapsel mit Nährstoff-Tabletten und mit Eiweißbrei aus Tuben abspeisen. Der erste Kosmonaut German Titov musste sein Essen in der Tat noch aus so 'ner Art Zahnpastatube rausquetschten.

Anfangs entschieden noch technologische Zwänge über den Speiseplan im All. Das Trinkwasser kam noch aus den Brennstoffzellen für die Stromversorgung. In den Zellen reagierte Sauerstoff mit Wasserstoff. Da entsteht Wasser und darin durften die Astronauten ihr Trockenfutter einweichen. Erst mit der Nutzung der Solarsegel wurde es möglich, appetitliche Mehrgänge-Menüs mit auf Reisen zu nehmen. Denn ob das Wasser im Tank oder gleich in Form einer Dosensuppe mitgeführt wird, spielt dann keine Rolle mehr. Anständiges Essen erwies sich schließlich als Voraussetzung für Raumflüge, die länger als ein paar Tage dauern. Astronauten leisten schließlich eine anspruchsvolle Arbeit. Und wenn ihnen das Essen nicht schmeckt, sind die Mitarbeiter auch nicht ausgeglichen. Bei dem engen Raum, wo sie alle aufeinanderhocken, ist ein gedeihliches Miteinander extrem wichtig.

Aber es gibt noch einen Grund für schmackhafte Speisen: Was nicht schmeckt, bleibt auf dem Teller liegen – aber wohin mit den Essensresten? Etwa in die Biotonne? Im All schimmelt das ganz schnell. Die schlechten Erfahrungen mit dem gesunden Essen führten in der Raumfahrt zu einer stillen Revolution. Heute entscheiden nicht mehr Ernährungswissenschaftler über den Speiseplan, sondern die Arbeiter im All. Es kommt nix mehr an Bord, was die Astronauten nicht wirklich mögen. Mit dem Inhalt der Speisekammer der Internationalen Raumstation ISS, mit den Süsskram und Limos könnte man wochenlang Kindergeburtstag feiern.

Für längere Raumflüge muss die Nahrung im Raumschiff selbst produziert werden. Man hat dafür einen schnellwüchsigen Weltraum-Weizen gezüchtet; der neben Korn auch noch Sauerstoff liefert. Er braucht kaum Platz, weil er ein ganzes kurzes Stroh hat. Aber da wir Erdenbürger auch im All das frische Korn nicht vertragen, muss man es verarbeiten. Blähungen stellen in einer geschlossenen Raumkapsel ein Sicherheitsrisiko dar. Gase wie Methan und Wasserstoff sind leicht entflammbar.

Die Technologen der NASA machten sich also daran eine Mühle und einen Backofen zu basteln. Am Backofen scheiterte das Projekt schließlich: Die Stromversorgung der ISS reicht dafür nicht mehr aus. Das Problem wurde vorerst gelöst. Der mexikanische Astronaut Rodolfo Vela bestand auf Tortillas. Also begann die NASA weltraumtaugliche Maisfladen zu entwickeln. Auch das ging schief; das Zeug wurde bitter. Heute kauft die NASA ihre Tortillas im Supermarkt, die sind ewig haltbar und schmecken immer frisch. Dies war ein technischer Durchbruch in der Raumfahrt: Tortillas krümeln nämlich nicht wie Toastbrot und verstopfen folglich auch keine Luftfilter.

Und da der Mensch auch im Weltall das essen will, was sein Körper kennt und weil auf der anderen Seite unsere Lebensmittelindustrie der NASA in technologischer Hinsicht um Lichtjahre voraus ist, beinhalten die Rezepte der Astronauten regelmäßig Produkte aus dem Supermarkt. Für die Zubereitung braucht es meist kein Kochbuch: Denn die Anleitung wie man ein Sandwich bestreicht, mag für vielleicht für die amerikanische Küche von hohem Informationswert sein - aber die meisten Europäer wissen das auch ohne Weltraumkochbuch. Mahlzeit!

Literatur:
Bourland CT, Vogt GL: The Astronaut's Cookbook. Springer, New York 2010