Neonazismus und Partyrausch
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Die Künstlerin Henrike Naumann zeigt in ihrer Videoinstallation "Triangular Stories" zwei Dreiecksgeschichten. Neonazis hier, ein Trio in extremer Feierlaune dort: Extremismus trifft auf geballte Verantwortungslosigkeit.
Die in Zwickau geborene Künstlerin Henrike Naumann will zurück in das Jahr 1992. Mit ihrer Videoarbeit und Installation "Triangular Stories" begibt sie sich auf eine Zeitreise an den Kipppunkt der deutschen Gesellschaft. Zwei Dreiecksgeschichten – vorgeblich 1992 gedreht – werden ab heute bis Ende des Jahres im Dresdner Albertinum gezeigt.
Das eine Trio erinnert stark an drei Hauptakteure des NSU: eine Frau, zwei Männer mit dem Namen Uwe. Die anderen drei sind ähnlich jung und geben sich einem ungehemmten Drogenrausch hin, saufen und feiern. Aufgenommen wurde auf VHS, gespielt werden die Szenen von Schauspielern.
Die Wahrnehmung verändern
Alles scheint einfach. Doch Henrike Naumann widerspricht dieser Wahrnehmung im Gespräch mit Deutschlandfunk Kultur. "Wenn man dann nochmal genauer hinguckt, merkt man, es ist gar nicht so klar. Viel von der Interpretation entsteht daraus, wie der Zuschauer das sieht und was die Person selbst als Erfahrung mitbringt."
An diese Erfahrungen soll angeknüpft werden. Deswegen seien die Videos auch in Möbelinstallationen eingebettet worden, um den Betrachter in eine andere Zeit zu katapultieren. Vor allem Schrankwände haben eine besondere kulturelle Bedeutung, nicht nur in Ostdeutschland, wo sich viele Haushalte nach 1989 ihre Wohnzimmer neu einrichteten.
Wendejahr 2011
Das Jahr 2011, als die NSU-Morde aufgedeckt wurden, sei für sie einschneidend gewesen, so Naumann – sowohl persönlich als auch künstlerisch. Denn genau an dem Tag, an dem Beate Zschäpe das Haus in Zwickau anzündete, sei sie selbst ebenfalls in Zwickau gewesen - es ist ihre Geburtsstadt. "Das war für mich ein Erlebnis, bei dem ich gemerkt habe, das kann ich nicht ignorieren. Daran muss ich mich selbst abarbeiten."
Daraus sei bei ihr die Entscheidung gewachsen, nicht Szenenbilderin zu werden, sondern ihr Wissen für eine künstlerische Intervention zu nutzen, erklärt Henrike Naumann.
1992: Dieses Jahr betrachteten viele, die in der rechten Szene aktiv seien, wegen der bundesweiten Pogrome und der Verschärfung des Asylrechts als ein Erweckungserlebnis: Sie hätten damals die Erfahrung gemacht, dass man mit Gewalt Politik machen kann, sagt die Künstlerin.
Selbst in der Verantwortung
Naumann sieht sich selbst in der Verantwortung. Zwar sei sie damals noch ein Kind gewesen, das die Ereignisse mit ihren Eltern am Fernseher verfolgte. Doch nun sei sie erwachsen und könne agieren, unterstreicht sie.
Mit den Aufnahmen des feiernden Trios in ihrer Installation wolle sie zeigen, dass es nicht nur politische Radikalisierung gebe. Vielmehr gebe es auch diejenigen, die keine Verantwortung übernähmen. Das bedeute aber, sich selbst nicht als politische Kraft wahrzunehmen.
Ostdeutsche Realitäten
ihre Installationen will Henrike Naumann nicht als eine Ost-West-Gegenüberstellung verstanden wissen. Sie arbeite vielmehr mit Ambivalenzen und damit, "dass ich keine Antworten anbiete, sondern die Fragen, die uns beschäftigen, auf eine neue Weise stelle und anders erfahrbar mache. Meine Rolle ist es nicht, einfache Antworten zu geben, sondern schwierige Fragen zu stellen."
Sie sehe es nicht als ihre Aufgabe an, die ostdeutsche Seele zu erklären, betont Naumann. Das sei absurd, denn das könne sie gar nicht, und ebenso wenig gehe es ihr um eine ostdeutsche Identitätspolitik. "Mir geht es darum zu sagen, es gibt unterschiedliche Realitäten in Deutschland." Dabei sei eine ostdeutsche Prägung, wie sie sie auch habe, eine von vielen Realitäten.
(rzr)