Die Kultur des Kochens
Wir müssen essen, um zu leben, und weil das so ist, kann man es genauso gut genießen. Mit diesem simplen Wahlspruch, der als (ungeschriebenes) Motto über ihrem Buch steht, folgt Susanne Kippenberger scheinbar einem Trend, der die einschlägigen Verlage seit Jahren mit Hochglanzkochbüchern den Markt überschwemmen lässt.
Doch bei der Journalistin, die in der Wochenendausgabe des Berliner "Tagesspiegel" über "Essen und Trinken" schreibt, geht es um die kulturelle Leistung des kulinarischen Treibens. Kochen und Essen versteht sie als das, was es immer auch ist: ein Mittel der Kommunikation. Rezepte findet man in diesem Buch daher kaum, dafür aber die Biographien von 20 "genialen" Kochamateuren, die bis auf zwei Ausnahmen - Vincent Klink und Jamie Oliver - allesamt als Seiteneinsteiger begannen.
Aus reiner Lust und mit dilettierender Neugier tummelten sie sich - wie etwa der Graphikdesigner Otl Aicher oder der Verleger Klaus Wagenbach - in ihrem zweiten Lebensabschnitt auf dem Terrain des Kulinarischen und fanden dort zu ganz besonderen Fertigkeiten. Die höhere Tochter M.F.K. Fisher etwa propagierte schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts hochmodern die saisonale, regionale Küche oder Julia Child, die im fortgeschrittenen Alter die französische Küche für sich entdeckte und die Amerikaner für Boeuf Bourguignon und Seezunge Müllerin begeisterte oder die Künstler Ossi und Ingrid Wiener, die Anfang der 1970er-Jahre den Berlinern im "Exil" statt Buletten österreichische Schmankerln brieten. Gemeinsam ist den 20 von Kippenberger zur "kulinarischen Bohème" erklärten Kreativen, dass sie mit dazu beigetragen haben, die kulinarische Kultur des Westens voranzubringen. Einige von ihnen erlangten dabei sogar Popstar-Qualitäten.
Gerade weil sie als (Spät-)Berufene mit besonderem Elan ihrer Phantasie und ihrem Einfühlungsvermögen folgten, vermochten sie stets Neues zu kreieren, schreibt Kippenberger. Wie die aufgespürten Außenseiter, die neben der Erfindung von Rezepten auch zu denken und zu schreiben vermochten, hat die Autorin ebenso noch anderes im Sinn. Während sie ihre Porträts mit elegant eingewobenen Exkursen versieht, etwa über die durchrationalisierte Einbauküche als Feind jedweder Geselligkeit oder über den Gewinn, den das Restaurantwesen aus der französischen Revolution zog, als die Köche der Aristokratie arbeitslos geworden waren, liefert sie ganz nebenbei Einblicke in Sozial-, Wirtschafts- und Geschmacksgeschichte.
So ist dieser kulinarische Führer mehr als ein anekdotenreicher, sinnenfroher Streifzug durch das Jahrhundert, führt er doch in immer neuen Variationen vor Augen, dass zu einem guten Essen mehr gehört als ein perfekt ausgeübtes Handwerk und dass ein Tisch nicht nur ein Tisch ist. Wie gut, dass wir heutzutage, wo alle Welt im Stehen und im Gehen isst, höchstvergnüglich daran erinnert werden, dass er der Ort ist, der uns zu sozialen Wesen macht.
Zur Autorin: Die 1957 geborene S.K. leitet seit sieben Jahren als Redakteurin die im Tagesspiegel am Wochenende erscheinende Beilage "Essen und Trinken". Über ihren Bruder, den Künstler Martin Kippenberger, schrieb sie 2007 eine Biographie unter dem Titel " Der Künstler und seine Familien".
Besprochen von Edelgard Abenstein
Susanne Kippenberger: Am Tisch. Die kulinarische Bohème oder die Entdeckung der Lebenslust
Berlin-Verlag, 2009
254 Seiten, 22 Euro
Aus reiner Lust und mit dilettierender Neugier tummelten sie sich - wie etwa der Graphikdesigner Otl Aicher oder der Verleger Klaus Wagenbach - in ihrem zweiten Lebensabschnitt auf dem Terrain des Kulinarischen und fanden dort zu ganz besonderen Fertigkeiten. Die höhere Tochter M.F.K. Fisher etwa propagierte schon zu Beginn des letzten Jahrhunderts hochmodern die saisonale, regionale Küche oder Julia Child, die im fortgeschrittenen Alter die französische Küche für sich entdeckte und die Amerikaner für Boeuf Bourguignon und Seezunge Müllerin begeisterte oder die Künstler Ossi und Ingrid Wiener, die Anfang der 1970er-Jahre den Berlinern im "Exil" statt Buletten österreichische Schmankerln brieten. Gemeinsam ist den 20 von Kippenberger zur "kulinarischen Bohème" erklärten Kreativen, dass sie mit dazu beigetragen haben, die kulinarische Kultur des Westens voranzubringen. Einige von ihnen erlangten dabei sogar Popstar-Qualitäten.
Gerade weil sie als (Spät-)Berufene mit besonderem Elan ihrer Phantasie und ihrem Einfühlungsvermögen folgten, vermochten sie stets Neues zu kreieren, schreibt Kippenberger. Wie die aufgespürten Außenseiter, die neben der Erfindung von Rezepten auch zu denken und zu schreiben vermochten, hat die Autorin ebenso noch anderes im Sinn. Während sie ihre Porträts mit elegant eingewobenen Exkursen versieht, etwa über die durchrationalisierte Einbauküche als Feind jedweder Geselligkeit oder über den Gewinn, den das Restaurantwesen aus der französischen Revolution zog, als die Köche der Aristokratie arbeitslos geworden waren, liefert sie ganz nebenbei Einblicke in Sozial-, Wirtschafts- und Geschmacksgeschichte.
So ist dieser kulinarische Führer mehr als ein anekdotenreicher, sinnenfroher Streifzug durch das Jahrhundert, führt er doch in immer neuen Variationen vor Augen, dass zu einem guten Essen mehr gehört als ein perfekt ausgeübtes Handwerk und dass ein Tisch nicht nur ein Tisch ist. Wie gut, dass wir heutzutage, wo alle Welt im Stehen und im Gehen isst, höchstvergnüglich daran erinnert werden, dass er der Ort ist, der uns zu sozialen Wesen macht.
Zur Autorin: Die 1957 geborene S.K. leitet seit sieben Jahren als Redakteurin die im Tagesspiegel am Wochenende erscheinende Beilage "Essen und Trinken". Über ihren Bruder, den Künstler Martin Kippenberger, schrieb sie 2007 eine Biographie unter dem Titel " Der Künstler und seine Familien".
Besprochen von Edelgard Abenstein
Susanne Kippenberger: Am Tisch. Die kulinarische Bohème oder die Entdeckung der Lebenslust
Berlin-Verlag, 2009
254 Seiten, 22 Euro