Rolf Schneider, geboren 1932 in Chemnitz, war Redakteur der kulturpolitischen Monatszeitschrift Aufbau in Berlin (Ost) und wurde dann freier Schriftsteller und Essayist. Wegen "groben Verstoßes gegen das Statut" wurde er im Juni 1979 aus dem DDR-Schriftstellerverband ausgeschlossen, nachdem er unter anderem in einer Resolution gegen die Zwangsausbürgerung Wolf Biermanns protestiert hatte.
Ein Kollektivbegriff, der abgeschafft gehört
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Der Begriff Kulturschaffende war ein Lieblingswort beider deutscher Diktaturen, meint Autor Rolf Schneider. Und auch aktuell wird er gerne als Ersatz für Künstler verwendet. Rolf Schneider hofft dennoch, dass wir auch diesen Begriff hinter uns lassen.
Das Tätigkeitswort "schaffen" hat eine lange Geschichte. Als "scafan" kannte es bereits, vor mehr als eintausend Jahren, das Althochdeutsche, die Bedeutung war und ist: etwas tun, etwas herstellen. Im Schwäbischen wird es üblicherweise statt "arbeiten" verwendet. Mit Vorsilben wie herbei- oder an- legte es sich einen kleinen Kreis aus anderen Bedeutungen zu, von denen das Anschaffen einen unterschiedlichen Inhalt haben kann, sofern man von einem Produkterwerb oder von der Prostitution erzählt.
Die Partizipialform "schaffend" wird gern an bestimmte Hauptwörter angehängt. Da gibt es etwa den Kulturschaffenden. Er war ein Lieblingswort beider deutscher Diktaturen, der braunen wie der roten, und hat sie nicht nur überlebt, sondern auch etliche Nachkommen gezeugt: den Kunst-, den Film-, den Theater-, den Musikschaffenden zum Beispiel.
Auffällig, dass sie sämtlich dem Kulturbereich zugehören, während andere Berufszweige sich dem verweigern, sodass es weder einen Maschinenschaffenden noch einen Ackerschaffenden gibt. Selbst im Kunstbetrieb setzte sich die Sache nicht vollständig durch, denn von einem Buch- oder Literaturschaffenden ist so wenig die Rede wie von einem Skulpturschaffenden.
Die Partizipialform "schaffend" wird gern an bestimmte Hauptwörter angehängt. Da gibt es etwa den Kulturschaffenden. Er war ein Lieblingswort beider deutscher Diktaturen, der braunen wie der roten, und hat sie nicht nur überlebt, sondern auch etliche Nachkommen gezeugt: den Kunst-, den Film-, den Theater-, den Musikschaffenden zum Beispiel.
Auffällig, dass sie sämtlich dem Kulturbereich zugehören, während andere Berufszweige sich dem verweigern, sodass es weder einen Maschinenschaffenden noch einen Ackerschaffenden gibt. Selbst im Kunstbetrieb setzte sich die Sache nicht vollständig durch, denn von einem Buch- oder Literaturschaffenden ist so wenig die Rede wie von einem Skulpturschaffenden.
Das Verwenden von knochentrockenen Kollektiv-Begriffen
Nun ist der Kulturschaffende nichts anderes als ein Künstler. So wie der Musikschaffende ein Musiker ist und der Filmschaffende ein Schauspieler, Regisseur oder Kameramann. Über die Vorliebe für jene etwas umständlichen und knochentrockenen Kollektiv-Begriffe lässt sich nachdenken.
Eine Erklärung wäre, dass sich mit ihnen vortrefflich gendern lässt, sie also sowohl den männlichen wie den weiblichen Artikel ertragen. Damit gesellen sie sich zu anderen Partizipialformen: den Studierenden, den Arbeitenden, den Leitenden, den Spielenden. Sie alle werden benutzt, da Student, Arbeiter, Leiter, Spieler und eben auch Künstler bloß ein grammtisches Geschlecht dulden, nämlich das männliche.
Eine Erklärung wäre, dass sich mit ihnen vortrefflich gendern lässt, sie also sowohl den männlichen wie den weiblichen Artikel ertragen. Damit gesellen sie sich zu anderen Partizipialformen: den Studierenden, den Arbeitenden, den Leitenden, den Spielenden. Sie alle werden benutzt, da Student, Arbeiter, Leiter, Spieler und eben auch Künstler bloß ein grammtisches Geschlecht dulden, nämlich das männliche.
Es hält sich die Auffassung, jene Sammelworte würden immer nur das männliche Personal bezeichnen, den zugehörigen Frauenanteil also unterschlagen. Wenn die herkömmliche Formulierung beibehalten würde, setzte sich dies immerzu fort. Behauptet wird dergleichen zumal von einer sprachwissenschaftlichen Disziplin, die auf den Namen feministische Linguistik hört, wobei zu fragen wäre, ob es da nicht außerdem einer feministischen Chemie und einer feministischen Mathematik bedürfte.
Deutsche Diktaturen und ihr eigentümliches Vokabular
Lassen wir das. Der Kulturschaffende jedenfalls ist keine feministische Erfindung und kein feministisches Privileg. Die beiden Diktaturen in Deutschland besaßen jede ihr eigenes und eigentümliches Vokabular, die Nazis zeigten zum Beispiel eine Vorliebe für das Verstärkungswort "total", während die SED bei ihrer Hinwendung zur Arbeiterklasse den inzwischen kaum noch gebräuchlichen Werktätigen erfand.
Diese zweite Diktatur habe ich von Anfang bis Ende miterlebt. Ihre sprachlichen Unsitten habe ich stets verabscheut. Als Literat zählte ich unter die Kulturschaffenden und musste es ertragen, so angesprochen und eingeordnet zu werden. Ich nahm es aufseufzend hin. Dass der Begriff, zusammen mit der Datsche und dem Verbum "erstellen", die DDR überleben konnte, sehe ich kopfschüttelnd.
Diese zweite Diktatur habe ich von Anfang bis Ende miterlebt. Ihre sprachlichen Unsitten habe ich stets verabscheut. Als Literat zählte ich unter die Kulturschaffenden und musste es ertragen, so angesprochen und eingeordnet zu werden. Ich nahm es aufseufzend hin. Dass der Begriff, zusammen mit der Datsche und dem Verbum "erstellen", die DDR überleben konnte, sehe ich kopfschüttelnd.
Sprache hat neben einer sozialen und kommunikativen auch eine ästhetische Dimension. Viele der genannten Beispiele haben gemeinsam, dass sie entschieden unschön sind. Lassen sie sich denn vermeiden und tilgen? Bewirken können das allein wir, die Sprecher. Ich bin hoffnungsvoll genug zu sagen: Wir schaffen das.