"Die Lage ist wirklich verzweifelt"
Der Leiter des Hilfswerkes Malteser International, Ingo Radtke, hat ein dramatisches Bild der Lage in Birma gezeichnet. Radtke sagte, die Situation nach dem verheerenden Wirbelsturm "Nargis" sei mit der Lage nach dem Tsunami 2004 vergleichbar. Die Möglichkeiten für ausländische Helfer seien derzeit deutlich eingeschränkt, beklagte Radtke.
Birgit Kolkmann: Nach dem verheerenden Wirbelsturm in Birma rechnen die Behörden mit mehr als 80.000 Toten allein im Bezirk Labutta. Jetzt beginnt ein Wettlauf mit der Zeit. Zehntausende Menschen werden vermisst, mehr als eine Million Obdachlose und die Angst vor Seuchen wächst. Eine ganze Reihe namhafter Hilfsorganisationen haben sich im Bündnis "Aktion Deutschland hilft" zusammengeschlossen. Dort soll die Hilfe koordiniert und durch die Zusammenarbeit auch effektiver werden. Mit dabei sind die Malteser, die seit einigen Jahren mit drei Stützpunkten in Birma präsent sind, unter anderem in der Hafenstadt Rangun. - Ingo Radtke ist der Leiter von Malteser International. Bei ihm laufen viele Fäden zusammen. Guten Morgen!
Ingo Radtke: Guten Morgen!
Kolkmann: Herr Radtke, was berichten Ihre Mitarbeiter über die aktuelle Situation in Birma?
Radtke: Unsere Mitarbeiter sind, wie Sie schon sagten, seit einigen Jahren im Lande. Wir haben jetzt mittlerweile die ersten Rückmeldungen von den Teams, die rausgegangen sind, bekommen. Die Lage ist wirklich verzweifelt. Es gibt unheimlich große Schäden. Es gibt sehr, sehr, sehr viel Not, weil keinerlei Hilfe bisher zu den Menschen durchdringt. Es ist eine Situation, die absolut vergleichbar ist mit dem Tsunami, nur mit dem Unterschied, dass sie flächendeckend ist, während damals beim Tsunami ja wirklich nur ganz schmale Küstenstreifen betroffen waren.
Kolkmann: Wo ist denn die Not am größten und was wird am dringendsten gebraucht?
Radtke: Am größten ist die Not ganz augenscheinlich im Delta des Irawadi, also südlich von Rangun, ein Gebiet, in das leider unsere Leute und die meisten der Helfer, die dort hinein möchten, im Moment nicht hinein kommen können. Wir wissen, dass am meisten Hilfe benötigt wird in Bezug auf sauberes Trinkwasser und Medikamente, also auf medizinische Hilfe, sowie auf Nahrungsmitteln. Wir wissen aber auch, dass andere Bedarfslagen sich ergeben, die in den nächsten Tagen dann auch entsprechend ihre Wirkung zeigen werden, wie zum Beispiel der Bedarf, erstmal einen trockenen Platz zu finden, wo man schlafen kann. Alles das baut sich jetzt auf und wird die Not in den nächsten Tagen noch anwachsen lassen.
Kolkmann: Sie als Malteser beginnen ja nicht bei null in Birma. Was haben sie bereits aufgebaut, was sie jetzt noch nutzen können?
Radtke: Wir haben eine unserer drei Projektregionen eigentlich genau in dem betroffenen Gebiet, nämlich in der Stadt Rangun und südlich davon. Das können wir insofern nutzen, als wir zwei Büros in diesem Bereich haben, vor allen Dingen aber, dass wir Mitarbeiter haben, die diese Gegend sehr, sehr gut kennen, insbesondere unsere burmesischen Mitarbeiter, die in dieser Region zu Hause sind, die die Gegend kennen, die wissen wie es vorher war, die wissen wo die Menschen gewohnt haben, die natürlich aus dem Land sind, deswegen die Sprache sprechen, die Kultur kennen. Das ist im Moment ein ganz, ganz wesentlicher Punkt, weil man damit den Bedürfnissen der Menschen sehr viel besser entsprechen kann, als wenn man erst mal frisch von außen herein kommt.
Kolkmann: Es gab ja Meldungen, dass gerade in Rangun die Lebensmittelversorgung ganz, ganz schlecht ist. Sie soll inzwischen wieder angelaufen sein. Befürchten Ihre Mitarbeiter trotzdem mögliche Ausschreitungen, Rebellionen der Menschen?
Radtke: Darüber haben wir uns bisher überhaupt keine Gedanken gemacht, muss ich ganz ehrlich sagen. Für uns steht wirklich im Moment einfach die Deckung des riesigen Bedarfs im Vordergrund. Alle anderen Fragen sind im Moment sekundär. Was wir brauchen ist einfach Raum, die Gelegenheit, helfen zu können, auch die Freiheit, uns bewegen zu können. Die ist für die nichtburmesischen Kolleginnen und Kollegen im Moment doch deutlich eingeschränkt. Das bewegt unsere Leute im Moment mehr als alles andere.
Kolkmann: Das heißt, sie werden von der Militärjunta in ihrer Arbeit behindert?
Radtke: Sagen wir es mal so: sie macht es uns nicht leichter.
Kolkmann: Nun sind außerdem noch die Transportwege zerstört, viele Gebiete völlig unzugänglich. Die Regierung in Birma kann das offenbar nicht alleine bewältigen oder?
Radtke: Im Prinzip ist natürlich so eine Katastrophe so unvorstellbar, dass man sich darauf nur in einem extremen Maße eingeschränkt vorbereiten kann. Hier würde, vermute ich, jedes Land der Welt Hilfe benötigen. Es ist eine Frage der Einsicht, ob man diese Hilfe dann auch zulässt. Hier sieht es im Moment so aus, dass Hilfe von außen insbesondere in diesem Land, das technologisch 40 Jahre hinter den normalen Standards hinterherhinkt, absolut notwendig geworden ist.
Kolkmann: Wie groß ist denn nun die Unterstützung der hiesigen Regierung und der Menschen hier? Welche Finanzmittel haben Sie im Augenblick zur Verfügung und worauf hoffen Sie?
Radtke: Die Finanzmittel, die wir im Moment brauchen, um vernünftige Hilfe einleiten zu können, sind vorhanden. Wir haben eigene Mittel, die wir aus bestimmten Notfallhilfe-Fonds bereitstellen. Die sind da. Wir haben Mittel, die von der Bundesregierung kommen, die es uns erlauben zu arbeiten. Wir haben Mittel, wie Sie schon sagten, von der "Aktion Deutschland Hilft", die uns erlauben zu arbeiten. Wir haben aber auch Mittel von Schwesterorganisationen wie zum Beispiel der deutschen und der Schweizer Caritas, die sich hier mit eingereiht haben in die große Schaar der Helfenden, sodass wir die momentan entstehenden Bedarfe auch sicher abdecken können.
Wo wir sicherlich wie auch viele andere Organisationen Unterstützung brauchen, wird sein im Bereich des Wiederaufbaus, der in einigen Wochen anfangen wird. Hier wird es richtig viel zu tun geben und dieser Wiederaufbau wird sich über Jahre hinziehen. Denn wenn man sich vorstellt: Die Bilder des Tsunamis sind allerorten noch präsent in den Köpfen der Menschen. Diese Schäden nach dem Tsunami hat man eben nur in Regionen zwei, drei Kilometer entlang der Küste gehabt. Hier in Myanmar sind diese Schäden weit, weit, weit ins Inland hineingetragen und entsprechend groß ist der Bedarf am Wiederaufbau. Das wird uns in den nächsten Jahren deutlich beschäftigen.
Kolkmann: Ingo Radtke, der Leiter von Malteser International, über das Engagement und die Hilfe in Birma. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Radtke.
Radtke: Ich danke Ihnen!
Kolkmann: Vielleicht hier noch ein Hinweis auf die "Aktion Deutschland Hilft". Im Internet können Sie sie finden und dort natürlich auch das gemeinsame Spendenkonto der Hilfsorganisationen, die dort engagiert sind.
Ingo Radtke: Guten Morgen!
Kolkmann: Herr Radtke, was berichten Ihre Mitarbeiter über die aktuelle Situation in Birma?
Radtke: Unsere Mitarbeiter sind, wie Sie schon sagten, seit einigen Jahren im Lande. Wir haben jetzt mittlerweile die ersten Rückmeldungen von den Teams, die rausgegangen sind, bekommen. Die Lage ist wirklich verzweifelt. Es gibt unheimlich große Schäden. Es gibt sehr, sehr, sehr viel Not, weil keinerlei Hilfe bisher zu den Menschen durchdringt. Es ist eine Situation, die absolut vergleichbar ist mit dem Tsunami, nur mit dem Unterschied, dass sie flächendeckend ist, während damals beim Tsunami ja wirklich nur ganz schmale Küstenstreifen betroffen waren.
Kolkmann: Wo ist denn die Not am größten und was wird am dringendsten gebraucht?
Radtke: Am größten ist die Not ganz augenscheinlich im Delta des Irawadi, also südlich von Rangun, ein Gebiet, in das leider unsere Leute und die meisten der Helfer, die dort hinein möchten, im Moment nicht hinein kommen können. Wir wissen, dass am meisten Hilfe benötigt wird in Bezug auf sauberes Trinkwasser und Medikamente, also auf medizinische Hilfe, sowie auf Nahrungsmitteln. Wir wissen aber auch, dass andere Bedarfslagen sich ergeben, die in den nächsten Tagen dann auch entsprechend ihre Wirkung zeigen werden, wie zum Beispiel der Bedarf, erstmal einen trockenen Platz zu finden, wo man schlafen kann. Alles das baut sich jetzt auf und wird die Not in den nächsten Tagen noch anwachsen lassen.
Kolkmann: Sie als Malteser beginnen ja nicht bei null in Birma. Was haben sie bereits aufgebaut, was sie jetzt noch nutzen können?
Radtke: Wir haben eine unserer drei Projektregionen eigentlich genau in dem betroffenen Gebiet, nämlich in der Stadt Rangun und südlich davon. Das können wir insofern nutzen, als wir zwei Büros in diesem Bereich haben, vor allen Dingen aber, dass wir Mitarbeiter haben, die diese Gegend sehr, sehr gut kennen, insbesondere unsere burmesischen Mitarbeiter, die in dieser Region zu Hause sind, die die Gegend kennen, die wissen wie es vorher war, die wissen wo die Menschen gewohnt haben, die natürlich aus dem Land sind, deswegen die Sprache sprechen, die Kultur kennen. Das ist im Moment ein ganz, ganz wesentlicher Punkt, weil man damit den Bedürfnissen der Menschen sehr viel besser entsprechen kann, als wenn man erst mal frisch von außen herein kommt.
Kolkmann: Es gab ja Meldungen, dass gerade in Rangun die Lebensmittelversorgung ganz, ganz schlecht ist. Sie soll inzwischen wieder angelaufen sein. Befürchten Ihre Mitarbeiter trotzdem mögliche Ausschreitungen, Rebellionen der Menschen?
Radtke: Darüber haben wir uns bisher überhaupt keine Gedanken gemacht, muss ich ganz ehrlich sagen. Für uns steht wirklich im Moment einfach die Deckung des riesigen Bedarfs im Vordergrund. Alle anderen Fragen sind im Moment sekundär. Was wir brauchen ist einfach Raum, die Gelegenheit, helfen zu können, auch die Freiheit, uns bewegen zu können. Die ist für die nichtburmesischen Kolleginnen und Kollegen im Moment doch deutlich eingeschränkt. Das bewegt unsere Leute im Moment mehr als alles andere.
Kolkmann: Das heißt, sie werden von der Militärjunta in ihrer Arbeit behindert?
Radtke: Sagen wir es mal so: sie macht es uns nicht leichter.
Kolkmann: Nun sind außerdem noch die Transportwege zerstört, viele Gebiete völlig unzugänglich. Die Regierung in Birma kann das offenbar nicht alleine bewältigen oder?
Radtke: Im Prinzip ist natürlich so eine Katastrophe so unvorstellbar, dass man sich darauf nur in einem extremen Maße eingeschränkt vorbereiten kann. Hier würde, vermute ich, jedes Land der Welt Hilfe benötigen. Es ist eine Frage der Einsicht, ob man diese Hilfe dann auch zulässt. Hier sieht es im Moment so aus, dass Hilfe von außen insbesondere in diesem Land, das technologisch 40 Jahre hinter den normalen Standards hinterherhinkt, absolut notwendig geworden ist.
Kolkmann: Wie groß ist denn nun die Unterstützung der hiesigen Regierung und der Menschen hier? Welche Finanzmittel haben Sie im Augenblick zur Verfügung und worauf hoffen Sie?
Radtke: Die Finanzmittel, die wir im Moment brauchen, um vernünftige Hilfe einleiten zu können, sind vorhanden. Wir haben eigene Mittel, die wir aus bestimmten Notfallhilfe-Fonds bereitstellen. Die sind da. Wir haben Mittel, die von der Bundesregierung kommen, die es uns erlauben zu arbeiten. Wir haben Mittel, wie Sie schon sagten, von der "Aktion Deutschland Hilft", die uns erlauben zu arbeiten. Wir haben aber auch Mittel von Schwesterorganisationen wie zum Beispiel der deutschen und der Schweizer Caritas, die sich hier mit eingereiht haben in die große Schaar der Helfenden, sodass wir die momentan entstehenden Bedarfe auch sicher abdecken können.
Wo wir sicherlich wie auch viele andere Organisationen Unterstützung brauchen, wird sein im Bereich des Wiederaufbaus, der in einigen Wochen anfangen wird. Hier wird es richtig viel zu tun geben und dieser Wiederaufbau wird sich über Jahre hinziehen. Denn wenn man sich vorstellt: Die Bilder des Tsunamis sind allerorten noch präsent in den Köpfen der Menschen. Diese Schäden nach dem Tsunami hat man eben nur in Regionen zwei, drei Kilometer entlang der Küste gehabt. Hier in Myanmar sind diese Schäden weit, weit, weit ins Inland hineingetragen und entsprechend groß ist der Bedarf am Wiederaufbau. Das wird uns in den nächsten Jahren deutlich beschäftigen.
Kolkmann: Ingo Radtke, der Leiter von Malteser International, über das Engagement und die Hilfe in Birma. Ich bedanke mich für das Gespräch, Herr Radtke.
Radtke: Ich danke Ihnen!
Kolkmann: Vielleicht hier noch ein Hinweis auf die "Aktion Deutschland Hilft". Im Internet können Sie sie finden und dort natürlich auch das gemeinsame Spendenkonto der Hilfsorganisationen, die dort engagiert sind.