Die Landesbanken und die Finanzkrise

05.08.2009
Die Landesbanken sind von der Finanzkrise schwer getroffen worden. Fast alle Institute mussten von ihren Eigentümern gestützt werden. Der Länderreport berichtet aus Kiel, Berlin, München und Düsseldorf.
Nordbank

Beginnen wir bei unserer Stippvisite bei den Landesbanken im Norden, bei der HSH Nordbank, die machte 2008 einen Verlust von 2,7 Milliarden Euro. Aus Kiel berichtet Matthias Günther.

Wenn die anderen Fraktionen des Schleswig-Holsteinischen Landtags auf die FDP gehört hätten, dann müssten sich die Landespolitiker um die HSH Nordbank heute keine Sorgen machen, und das Land wäre um einige Milliarden reicher. Im Jahre 2005 hatten die Liberalen gefordert, die Anteile an der damals erfolgreichen HSH Nordbank zu verkaufen. In der Begründung heißt es wörtlich: "Was heute noch glänzt, kann morgen bereits verblasst sein". Aber alle anderen Fraktionen lehnten den Verkauf ab. Das Land bekam keinen Verkaufserlös und musste schließlich Milliarden nachschießen. Auch heute fordert FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki - nach einer Sanierung der Bank - den Ausstieg des Landes:

"Das Land Schleswig-Holstein ist nicht dazu da, Banker zu spielen, Anteile an einer Aktiengesellschaft einer privaten Bank zu halten. Die Steuermittel sind nicht dazu da, Risiken abzuschirmen von Bankgeschäften, die im Ausland getätigt werden auf Schiffsmärkten oder Immobilienmärkten. Wir haben eine Verantwortung gegenüber den Menschen dieses Landes, und deshalb dürfen wir uns an Bankoperationen als Land nicht weiter beteiligen."

Inzwischen hat sich auch die CDU von der Idee verabschiedet, der Staat müsse Banken betreiben. Der finanzpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Frank Sauter, nennt aber einen anderen Grund dafür: er hält die öffentliche Kontrolle einer Bank durch Parlamente für unpraktikabel:

"So viel Öffentlichkeit verträgt das Bankgeschäft oder überhaupt ein Unternehmen nicht. Das ist aber eine Form von Öffentlichkeit, die wir als Parlament sicherstellen müssen. Man kann aus den Debatten um die HSH-Nordbank nur die Konsequenz ziehen, so schnell wie möglich den Staat als Eigentümer dort zurückzuziehen. Das sind natürlich Dinge, die man jetzt nicht aus dem Stand völlig verändern kann, aber das müssen die Ziele sein: die Banken jetzt aus der Krise herauszuführen und dann den Staat dazu zu bewegen, sich aus den Bankengeschäft insgesamt zurückzuziehen."

Im Falle einer schwarz-gelben Mehrheit nach der Landtagswahl in Schleswig-Holstein würde sich das Land also wohl von seinen Anteilen trennen - wenn die Sanierung gelingt. Eine rot-grüne Mehrheit in Schleswig-Holstein würde hingegen für das Fortbestehen einer Landesbank eintreten - möglicherweise einer Bank für alle Länder. SPD-Landeschef Ralf Stegner relativiert aber die Steinbrück-Äußerung, die Landesbanken seien in ihrer jetzigen Situation das größte Risiko für den gesamten deutschen Bankensektor:

"Herr Steinbrück spitzt ja gelegentlich zu, und er hat wahrscheinlich, als er das formuliert hat, gerade nicht an die Hypo Real Estate Bank gedacht, an der sich der Bund, glaube ich, mit 86 Milliarden Euro beteiligt hat - also eine unvorstellbar große Summe. Insofern ist es richtig: Im Landesbankensektor muss was geschehen, aber die Hypo Real Estate Bank und die Commerzbank sind nicht wirklich Landesbanken mit richtig großen Problemen, um die der Bund sich hat kümmern müssen."

Dagegen teilt Stegner die Kritik an Ministerpräsidenten, die sich gegen Fusionen von Landesbanken sträuben:

"Bei diesen Landesfürsten handelt es sich ausnahmslos um Christdemokraten, insofern muss ich sagen: mein Parteifreund Steinbrück hat Recht."

Grünen-Fraktionschef Martin Hentschel ergänzt, dass es ja richtig sei, wenn der Staat auch Verantwortung tragen wolle:

"Was aber schlecht ist: Wenn Ministerpräsidenten sozusagen ihre Institute versuchen zu retten nur aus Regional-Egoismus oder Regional-Patriotismus. Das darf nicht sein. Aber ich sage schon klar: die Politik hat auch gegenüber der regionalen Wirtschaft eine Verantwortung, und Länder wie die USA oder England, die solche Sparkasseninstitute und regionale Banken nicht haben, haben deswegen zum Teil große Probleme und mussten Sondergesetze machen, um die Kreditversorgung der mittelständischen Wirtschaft zu sichern - also darf man dieses Problem nicht unterschätzen."

Verzichten wollen SPD und Grüne auf eine Landesbank deshalb nicht. Grünen-Fraktionschef Hentschel:

"Die Finanzierung über die Landesbanken, über regionale Landesbanken, hat eine ganz enorme Bedeutung für die mittelständische Wirtschaft. Und von daher sollte dieser Teil der Landesbanken nicht zerschlagen werden, sondern sollte in ein Sparkassen-Zentralinstitut überführt werden, das dann regionale Dependancen hat, wo Leute sitzen, die auch die regionalen Probleme kennen. Und das ist bei großen, international tätigen Geschäften nicht immer gegeben."
Und wenn SPD-Landeschef Ralf Stegner selbst Landesfürst wäre, würde er sich nicht gegen Fusionsgespräche sträuben. Er verspricht für die schleswig-holsteinische SPD:

"Sie wäre bereit, eine partnerschaftliche, faire Lösung mit dem Bund zu suchen, die die Bankdienstleistung sichert, die wir hier brauchen. Wir wollen eine ordentliche Schiffsfinanzierung haben, natürlich wollen wir möglichst viele Arbeitsplätze am Bankenstandort Kiel auch erhalten, das ist ja klar. Aber ob das nachher eine Außenstelle von einer gesamtdeutschen öffentlichen Bank ist, oder wie das heißt, da sind wir sehr gesprächsbereit und deutlich offener, als das für die konservativen Kollegen gilt."

Die konservativen Kollegen in den anderen Bundesländern, wohlgemerkt. Denn für die schleswig-holsteinische CDU - wie für die FDP - stellt sich die Frage ja gar nicht: Sie wollen raus aus dem Bankengeschäft.


Landesbank Berlin

Auch in Berlin gibt es eine Landesbank. Doch der Name täuscht. Denn heute gehört das Institut zu über 98 Prozent dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband. Der Vorläufer jedoch - die Bankgesellschaft Berlin - war eine herkömmliche Landesbank, mehrheitlich im Besitz des Bundeslandes. Das dies nun nicht mehr so ist, geht auf einen Skandal vor 8 Jahren zurück, in dessen Folge nicht nur das Bankhaus ins Trudeln geriet, sondern auch die damalige Regierung unter Eberhard Diepgen (CDU) stürzte. Heute jedoch - mitten in der Krise - steht die Landesbank vergleichsweise gut da. Dieter Nürnberger berichtet aus Berlin.


"Wissen Sie, ich habe Albträume jede Nacht. Habe mein ganzes Leben lang gearbeitet und habe seinerzeit gedacht, mit Aktien kannst du machen. Leider, leider. Wir wurden ja über den Tisch gezogen, Wir haben gedacht, wir kriegen jedes Jahr die Dividende, die können wir verjubeln. Und was ist? Nichts kriegen wir. Wir sehen doch hier die nächsten Jahre nichts."

Als im Laufe des Jahres 2001 die Probleme der Bankgesellschaft Berlin immer deutlicher wurden, waren zuerst die Aktionäre die Gelackmeierten. Aber auch das Land Berlin als Mehrheitseigentümer musste plötzlich auf eine fest eingeplante Rendite verzichten. Ein finanziell schmerzlicher Vorgang, der allerdings nur die Ouvertüre für einen Skandal war, der letztendlich ein finanzielles und politisches Beben in der Hauptstadt auslöste. Die damaligen Stichworte gleichen durchaus denen der aktuellen Finanzkrise: Risikogeschäfte im Immobilienbereich, Belastungen durch faule Papiere. Hinzu kamen in Berlin noch zweifelhafte politische Verflechtungen.

Als die landeseigene Bankgesellschaft Berlin 1994 gegründet wurde, war die Stadt in Aufbruchstimmung. Berlin wollte nach der Wiedervereinigung auch eine eigene Großbank haben. So weit, so gut. Doch rund sechs Jahre später endete die Goldgräberstimmung in einer Art Milliardengrab für das Land. Die Bankgesellschaft rutschte durch Risikogeschäfte mit Immobilienfonds in eine existenzgefährdende Schieflage. Der Markt entwickelte sich aber nicht wie prognostiziert. Das Land Berlin als Mehrheitseigentümer stand plötzlich in der Pflicht. Letztendlich musste mit einer Risikoabschirmung in Höhe von 21,6 Milliarden Euro gebürgt werden. Turbulente Debatten im Parlament bestimmten diese Zeit. Beispielsweise Harald Wolf, der damalige Fraktionschef der PDS.

"Es ist pervers, dass das Land Berlin für derartige Geschäfte in die Haftung treten muss. Aber die Alternative wäre noch um ein vielfaches schlimmer."

Und heute? Rückblickend habe das Land mit dem 2007 erfolgten Verkauf der Bankgesellschaft ein ordentliches Minus gemacht, rechnet Franziska Eichstädt-Bohlig, die Fraktionschefin der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus vor, denn die Altlasten aus dem Skandal wirkten bis heute und darüber hinaus.

"Berlin hat bisher knapp 7 Milliarden Euro finanziert. Im Gegenzug betrug der Erlös aus dem Verkauf der Landesbank rund 5 Milliarden Euro. Das heißt, schon da hat Berlin - und somit der Steuerzahler - mehr bezahlt, als die Erlöse sind. Nach wie vor hat Berlin ja noch die Verpflichtungen aus der Risikoabschirmung, die ursprünglich mit knapp 22 Milliarden Euro kalkuliert worden ist. Zur Zeit gehen die Schätzungen dahin, dass es im günstigsten Fall 4, im schlechtesten Fall rund 7 Milliarden Euro sein können. Keiner weiß das so genau."

Heute gehört die Landesbank Berlin zu über 98 Prozent dem Deutschen Sparkassen- und Giroverband. Durch die gegenwärtige Krise ist das Bankhaus bislang vergleichsweise gut gekommen. Zwar gab es 2008 Belastungen durch faule Wertpapiere und das Engagement bei sogenannten Problembanken in Höhe von rund 600 Millionen Euro, doch unterm Strich konnte das Institut einen leichten Vorsteuergewinn von 9 Millionen Euro ausweisen. Vor allem im Privatkundengeschäft werden, laut Auskauft der Landesbank, noch recht "ordentliche" Ergebnisse erzielt. Im ersten Quartal 2009 wurden sogar stolze 90 Millionen Euro als Konzernüberschuss erwirtschaftet. Ob diese positive Entwicklung anhält, werden allerdings erst die neuesten Zahlen zeigen, die die Landesbank Mitte August veröffentlichen will.

Die Fraktionschefin der Grünen im Berliner Parlament sieht deutliche Parallelen zwischen dem Skandal um die Bankgesellschaft vor acht Jahren und der heutigen Situation der Landesbanken. Damals wie heute habe ein falsches Spekulieren auf nicht realisierbare Werte und Renditen gerade im Immobilienbereich dramatische Folgen gehabt.

Geht es nach Franziska Eichstädt-Bohlig dann sollte nun ein radikaler Schritt folgen. Die grüne Politikerin fordert einen Zusammenlegungs- und vor allem Schrumpfungsprozess bei den Landesbanken.

"Von daher wäre es heute enorm notwendig, dass alle Landesbanken zusammen zu einer Bank verschmolzen werden. Gleichzeitig sollten sie auch geschrumpft werden auf das, was wirklich bei der Bankenkreditvergabe nötig ist. Weil die Banken ja überwiegend landesspezifische Projekte refinanzieren sollen. So groß müssen sie sein, aber sie müssen nicht weltweit spekulieren, nicht in Irland, Island oder sonst wo auf der Welt."

Übrigens: Die Landesbank Berlin steht derzeit ohne Chef da. Der bisherige Vorstandsvorsitzende Hans-Jörg Vetter, der das Institut nach dem Bankenskandal wieder in ein ruhigeres Fahrwasser manövrierte, wechselte Anfang Juni zur angeschlagenen Landesbank in Baden-Württemberg.


Bayern LB

München: Einige der Spitzeninstitute wie die BayernLB haben im Zuge der Finanzkrise mit Milliardenbelastungen zu kämpfen. Ein Kollaps konnte vielerorts nur mit kräftigen Kapitalspritzen der Eigner - Sparkassen und Länder - verhindert werden. Aus München Barbara Roth:

Lieber heute als morgen würde sich die bayerische Staatsregierung von der BayernLB trennen. Warum er es nicht einfach tut? Ministerpräsident Horst Seehofer lacht:

"Weil im Moment die Marktlage so ist, dass sie eine Landesbank nicht mal verschenken könnten."

Und damit ist es mit seiner guten Laune schlagartig vorbei. Denn die bayerische Landesbank hat ihn schon so manche schlaflose Nacht gekostet. Rückblende: Spätherbst 2008. Die bayerische Landtagswahl ist für seine CSU ein Desaster. Seehofer wird Regierungschef. Kaum im Amt - der Schock: die BayernLB meldet Horrorzahlen. Die Banker haben sich unter anderem auf dem amerikanischen Immobilienmarkt um Milliarden verzockt.

Horst Seehofer: "Dieser Blitzeinschlag, wie ich ihn bezeichne. Nach wenigen Tagen im Amt die Mitteilung, wir brauchen zehn Milliarden für die Landesbank, um eine Katastrophe abzuwenden. Nämlich den Bankrott der Bank."

Der Freistaat muss zur Rettung seiner Bank zehn Milliarden Euro neue Schulden aufnehmen. Dafür entschuldigt sich Seehofer sogar öffentlich bei der bayerischen Bevölkerung. Ohne diese Kapitalspritze gäbe es die BayernLB gar nicht mehr, räumt Vorstandschef Michael Kemmer ein.

Michael Kemmer: "Es ist zu bedauern, dass vor allem die bayerischen Steuerzahler in Anspruch genommen werden mussten, um die Existenz bedrohende Lage bei der BayernLB zu beseitigen."

Ein Sanierungspaket wird geschnürt. Hausintern wird es Projekt Herkules genannt, denn die Aufräumarbeiten sind schmerzhaft. Die Bank muss kleiner und schlanker werden. Auslandsniederlassungen werden geschlossen. Das Investmentbanking wird aufgegeben. 5.600 von derzeit rund 19.000 Mitarbeitern kostet es den Job. Der bayerische Finanzminister Georg Fahrenschon sieht die Bank, deren Aufsichtsratsvorsitzender er ist, auf gutem Weg.

"Aber über dem Berg sind wir noch lange nicht. Die Bank konzentriert sich künftig auf Bayern, Deutschland und das benachbarte europäische Ausland."

Fusionen mit anderen Landesbanken hat die Staatsregierung erst mal eine Absage erteilt. An eine SüdLB, eine Verschmelzung mit der ebenfalls ums Überleben kämpfenden Landesbank Baden-Württemberg, ist derzeit nicht zu denken. Darin ist sich Seehofer mit seinem Stuttgarter Kollegen Günther Oettinger einig.

Günther Oettinger: "Ich glaube aber, dass die Neuordnung der Landesbanken nach der strukturellen Stärkung der Banken einzeln und nach deren Genehmigung in Brüssel - bei uns mit Sicherheit wieder in vertrauliche Gespräche münden wird."

Doch: München oder Stuttgart - die Sitzfrage spielt längst keine Rolle mehr. In Wahrheit will kein Eigentümer für die Risiken des anderen mitverantwortlich sein. Und Risiken schlummern bei der BayernLB noch in Massen: Auf rund 20 Milliarden Euro summiert sich laut Bank der Wert der toxischen Papiere und faulen Kredite; die der Freistaat mit weiteren 4,8 Milliarden Euro abgesichert hat - eine Garantie, die durchaus noch fällig werden kann. (Ferner gibt es kränkelnde Auslandstöchter. Allen voran die Hypo Group Alpe Adria in Klagenfurt. Deren Osteuropageschäft könnte sich noch als schwere Hypothek erweisen.) Bankchef Kemmer.

Michael Kemmer: "Ich glaub, das Vernünftigste ist, dass man versucht die Bank zu restrukturieren und profitabel zu machen. Denn dann kann der Freistaat durch eine Privatisierung einen möglichst hohen Preis erzielen."

Vorausgesetzt, Brüssel stimmt dem Sanierungskonzept zu. Anfang Oktober wird die EU-Kommission mitteilen, welche Auflagen das Institut noch erfüllen muss - als Bedingung für die öffentlichen Finanzspritzen. Ministerpräsident Seehofer hofft vor allem auf mehr Zeit.

"Je besser die Marktlage ist, desto mehr können wir zurückbekommen, Deshalb haben wir die Forderung, wir brauchen mehr Zeit. Wir müssen bis Ende 2010 den Hauptteil der Sanierung der Landesbank vorantreiben. Und anschließend steht die Frage an, ob wir fusionieren mit anderen Landesbanken oder ob wir privatisieren. Letzteres favorisieren wir in Bayern."

Zehn Milliarden Euro hat Bayern in seine marode Landesbank gepumpt. Die will Seehofer zurück, wenn er das dann sanierte Institut privatisiert, sprich verkauft. Alles andere wird er seinen Bürgern nur sehr schwer erklären können. Falls es ihm nämlich nicht gelingt, die Bank gewinnbringend zu verhökern, muss der Steuerzahler bluten.

WestLB

Sparen, aber Wo? Bloß nicht hier? Aber Wie? Die Eigentümer der schwer angeschlagenen WestLB in Düsseldorf dringen auf zügige Zusammenschlüsse unter den Landesbanken - nicht ganz uneigennützig, wie man gleich hören kann.

Die Sparkassen in Nordrhein Westfalen setzen darauf, dass es in absehbarer Zeit nur noch eine oder zwei Landesbanken geben wird. Angeblich sei für keine Landesbank eine sorgenfreie Lösung in Sicht. Es gebe kein Geschäftsmodell für sieben selbstständige Landesbanken, hört man aus Düsseldorf. Von dort berichtet Christoph Gehring.


In Nordrhein-Westfalen hatten sie schon immer ein spezielles Verhältnis zu ihrer Landesbank. Also: Die Politiker, nicht die Bürger. Für die Politik in NRW - wir sprechen hier von der alten Schule sozialdemokratischer Landespolitik - war die Westdeutsche Landesbank, kurz: WestLB, eigentlich nicht mehr als ein verlängerter Arm der Regierung. Was auch immer gebraucht wurde, ob Investitionshilfen, Infrastrukturmaßnahmen oder eine Million für irgendwas - am Ende gab die WestLB das Geld dafür. Das musste natürlich wieder verdient werden, weswegen sie in Düsseldorf schon früh zu riskanten Geschäften neigten, die manchmal mit riesigen Verlusten endeten, zum Beispiel die Zockerei mit russischen Rubel-Anleihen 1998, bei der die Bank am Ende rund zwei Milliarden D-Mark verlor.

Michael Breuer: "Ich will festhalten, dass es bei der Westdeutschen Landesbank in den letzten Jahren, man muss sicherlich sagen: Jahrzehnten immer wieder große, relevante Geschäftsvorgänge gab, die zu schwachen Ertrags- und auch Verlustsituationen geführt haben."

... sagt in der Rückschau Michael Breuer, Präsident des Rheinischen Sparkassen- und Giroverbandes und außerdem seit Anfang 2008 Vorsitzender des Aufsichtsrats der WestLB. Doch gleich, welche waghalsigen Engagements sich die Bank ins Haus holte - am Ende stand immer die Gewährträgerhaftung, mit der das Land verpflichtet war, im Fall der Fälle für alle Verbindlichkeiten seiner Bank einzustehen. Die WestLB wiederum konnten sich mit dieser Garantie im Rücken viel billiger Geld auf dem Markt leihen als die privaten Geschäftsbanken - es bestand für die Geldgeber ja praktisch kein Risiko. Weil auf diese Weise aber die privaten Geschäftsbanken im Wettbewerb benachteiligt wurden, kippte die Europäische Kommission 2001 die Gewährträgerhaftung für die deutschen Landesbanken.

Rainer Kambeck: "Die Abschaffung der Gewährträgerhaftung hat dann eben dazu geführt, dass der Wettbewerb für die Landesbanken etwas heftiger wurde. Und einige Landesbanken haben darauf eben fatalerweise so reagiert, dass sie eben in sehr risikoreiche Geschäfte gegangen sind, zum Teil auch außerhalb der Bilanzen, was es eben gerade für die Prüfung sehr schwierig gemacht hat, noch zu schauen, ob das alle ordentliche Geschäfte sind. Und die Geschäfte der WestLB waren auch wenig erfolgreich."

... erklärt Rainer Kambeck vom RWI, dem Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung in Essen. Das Problem war die Übergangsfrist: Alle Verbindlichkeiten, die die Landesbanken - also auch die WestLB - bis Juli 2005 eingingen, unterlagen noch der Gewährträgerhaftung. Die WestLB hatte also noch vier Jahre, in denen sie dank der staatlichen Garantien weiterhin an billiges Geld kommen konnte. Und von diesem billigen Geld besorgte sie sich so viel wie möglich und viel mehr, als sie für ihr Kerngeschäft - die Versorgung der nordrhein-westfälischen Wirtschaft mit günstigen Krediten - brauchte. "Liquiditätsbevorratung" nannten sie das in Düsseldorf.

Und solange man das viele Geld nicht brauchte, um Unternehmenskredite auszureichen, sollte es arbeiten und noch mehr Geld werden. Deswegen legte die WestLB Milliarden in allem an, was schließlich das Finanzsystem der ganzen Welt ins Wanken brachte: CDS und CDO und ABS und CLO und so weiter und so fort. Das Risiko war nebensächlich und hinterher ist man immer klüger. Michael Breuer, der Aufsichtsratchef der WestLB:

Michael Breuer: "Wenn man sagen muss: Ja, es sind Fehler gemacht worden, dann sind die ganz sicherlich, die Fehlentscheidungen, getroffen worden in dem Zeitraum, wo die Anstaltslast und die Gewährträgerhaftung wegfiel. Da hätte man, das muss man selbstkritisch einräumen, als Aufsichtsorgan aber auch als Eigentümer die Weichen anders stellen müssen. Ich hab' nicht vor, mit dem Finger jetzt auf diejenigen zu zeigen, die damals was falsch eingeschätzt haben, aber eine Wiederholung einer solchen Fehlentwicklung müssen wir unterbinden."

Die Fehlentwicklung kann man inzwischen in Zahlen ausdrücken: Papiere im einstigen Wert von rund 80 Milliarden Euro hat die WestLB ausgelagert, um ihre Bilanz zu säubern. Mehr als 1.300 Mitarbeiter haben ihre Jobs verloren oder werden sie noch verlieren. Und das Land Nordrhein-Westfalen wird am Ende bezahlen. Deswegen ist jetzt Ausverkauf in Düsseldorf: Die Geschäftsbereiche, die Gewinn machen, werden verkauft. Und das, was von der WestLB danach noch übrig ist, soll entweder an Privatinvestoren verkauft oder mit einer anderen Landesbank verschmolzen werden.

Nur: Im Moment will niemand das marode Institut am Rhein haben. Die Opposition im Düsseldorfer Landtag sagt: Die Landesregierung hätte viel früher versuchen müssen, die WestLB loszuwerden. Und der Ministerpräsident Jürgen Rüttgers sagt:

"Es gibt ja Menschen, die rennen rum und sagen, man hätte direkt zu irgendeiner Form von Verkauf oder Fusion kommen können. Jeder weiß doch, dass das, was jetzt geregelt worden ist, Voraussetzung dafür ist, dass man überhaupt einen Partner findet und dann auch noch einen Partner auf gleicher Augenhöhe."
Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der BerlinHyp und CDU-Fraktionschef, Klaus-Rüdiger Landowsky, im Berliner Landgericht
Der ehemalige Vorstandsvorsitzende der BerlinHyp und CDU-Fraktionschef, Klaus-Rüdiger Landowsky, im Berliner Landgericht© AP
Der Schriftzug der bayerischen Landesbank BayernLB am Gebäude der Bankzentrale in München
Der Schriftzug der bayerischen Landesbank BayernLB am Gebäude der Bankzentrale in München© AP
Die Zentrale der WestLB in Düsseldorf.
Die Zentrale der WestLB in Düsseldorf.© AP