Die Landkarte unseres Schicksals

Von Eva Raisig |
Vor 20 Jahren verließ der serbische Schriftsteller Bora Cosic aus Protest gegen das herrschende Regime seine Heimat. Aus der räumlichen und zeitlichen Distanz nahm er zuletzt mit "Frühstück im Majestic" seine Kindheit in Belgrad unter die Lupe.
Ob der Mensch hier oder dort geboren wird, ist eine Sache des Zufalls.
Damit verliert der Begriff "Heimat" oder "Vaterland" seinen besonderen
Stellenwert. Alles lässt sich auf geografische Koordinaten zurückführen –
profane Punkte auf der Landkarte unseres Schicksals.


Diese Feststellung trifft der serbische Schriftsteller Bora Cosic zu Beginn seines 2007 erschienenen Buchs "Die Reise nach Alaska", in dem er seine Rückkehr in das ehemalige Jugoslawien schildert, eine Reise in "das Land Null", wie er es nannte, und das er Jahre zuvor verlassen hat.

Bora Cosic, 1932 in Zagreb geboren, zog als Fünfjähriger mit seiner Familie nach Belgrad, wo er später Philosophie studierte und als Übersetzer und Redakteur arbeitete. 1992 kehrte er der Stadt aus Protest gegen das serbische Regime den Rücken – seither wohnt er im kroatischen Istrien und in Berlin.

Bekannt wurde Cosic vor allem durch seinen satirischen Roman "Die Rolle meiner Familie in der Weltrevolution" aus dem Jahr 1969, in dem ein jugendlicher Icherzähler über den skurrilen Alltag seiner nicht weniger skurrilen Familie in den Wirren des 2. Weltkriegs in Belgrad berichtet. Die Bühnenfassung zog für Cosic ein jahrelanges Veröffentlichungsverbot in Jugoslawien nach sich.

Seither hat er über 30 Romane, Essay- und Erzählbände verfasst. Zuletzt erschienen "Eine kurze Kindheit in Agram" über seine ersten Jahre in Zagreb und die Belgrader Erinnerungen "Frühstück im Majestic", in denen er sich aus der Sicht des Kindes mit jenen geografischen Koordinaten auseinandersetzt, die wir Heimat nennen.



Links auf dradio.de:

Wunderkammer der Vergangenheit - Bora Cosic: "Frühstück im Majestic. Belgrader Erinnerungen"

Der Blick eines Kindes auf eine zerbrechende Welt - Bora Cosic: "Eine kurze Kindheit in Agram"

Fantasie und Trübsal - Bora Cosic: "Eine kurze Kindheit in Agram"

Lust an der Groteske - Bora Cosic: "Im Ministerium für Mamas Angelegenheiten"