Die Lebensbeichte der Knef

Rezensiert von Adelheid Wedel · 23.12.2005
Am 28. Dezember würde die 2002 verstorbene Schauspielerin und Sängerin Hildegard Knef ihren 80. Geburtstag feiern. Aus diesem Anlass erscheint ihre Autobiografie "Der geschenkte Gaul" als Hörbuch. Das Besondere: Sie liest die Texte selbst. Die Aufnahme entstand 1998 in ihrer Berliner Wohnung.
" Wieso wollen Sie Schauspielerin werden?
Weil ich begabt bin.
Woher wissen Sie das?
Ich weiß es."

" Ich fühle mich, als ginge ich meiner Hinrichtung entgegen. Unentwegt murmele ich Lieder, Texte, Stichworte, Auftrittssätze. Von den 3 Stunden und 45 Minuten bin ich fast ununterbrochen auf der Bühne. Ich weiß nicht, wie ich das durchstehen soll."

Zwischen diesen beiden Polen – zwischen enormem ungebrochenem Selbstbewusstsein und der Dünnhäutigkeit einer Künstlerin, die an sich hohe Forderungen stellt – bewegt sich das Leben der Hildegard Knef, einer Künstlerin die stolz genannt wird, wenn von den wenigen deutschen internationalen Stars die Rede ist.

Wer hat nicht ihren wohl berühmtesten Song im Ohr "Für mich soll`s rote Rosen regnen, mir sollen tausende Wunder begegnen". Den Text hat sie selbst geschrieben, er drückt ihre Sehnsucht nach Liebe, nach Wärme aus. Und doch war sie nicht abhängig davon, sie führte ein selbstbestimmtes Leben, drei Ehen sind in ihrer Biografie vermerkt, fünf Karrieren. Sie startete als Schauspielerin, wurde Sängerin, Literatin, Malerin und einige Biografien schreiben von ihrem Versuch in den letzen Lebensjahren, eine Modelinie zu entwerfen. So viele Talente, so viele Leben oder: e i n intensives Leben.

Was sie auch anpackte, sie führte es zum Erfolg: Millionenauflage für ihre Bücher, hohe Auszeichnungen als Schauspielerin. Wie wurde die Knef zu dem, was sie war?

"Der geschenkte Gaul", Geschichten aus ihrem Leben, berichten davon, und was diese Hörbuchausgabe zu etwas ganz Besonderem macht: die Knef liest die Texte selbst in einer von ihr gekürzten Fassung des Buches. 1998 wurde das Hörbuch in ihrer Berliner Wohnung aufgenommen, vielleicht liegt darin der Schlüssel für die Intimität der Lesung.

Man staunt über den berlinischen Ton dieser gestandenen Schauspielerin, die ja lange Zeit nicht in Berlin lebte, ihre Heimatstadt aber in der Aussprache bis zum Ende bei sich trug. Schon bei ihrer Schauspielausbildung spielte das eine Rolle, an die sie sich ansonsten mit Begeisterung erinnert, vor allem an ihren Lehrer Karl Meichsner:

" Er forderte Mut, Mut zum Fehler, Mut zum laut sein. Mut zum Großen. Zurücknehmen kannst du immer noch, sagte er spöttisch. Verhalten braucht Kontrolle, und von der hast du keinen Schimmer. Wir müssen an diesem Lispler arbeiten und Ihre Endsilben, die sind grauenvoll. Ich gab mir große Mühe, aber das S stand mir im Wege und steht noch heute."

Die Knefsprache, ungekünstelt, selbstironisch, sympathisch. Ansonsten ist es wohl eine Frage des Geschmacks, ob man den unterkühlt wirkenden Ton mag, nörgelnd klingt er manchmal, lakonisch abgeklärt, oft atemlos, als wolle sie ihre Beobachtungen schnell weitergeben.

Besonders anregend, weil genau beobachtet und genau erinnert, fallen dabei die Geschichten aus der unmittelbaren Nachkriegszeit in Berlin und die Schilderung ihrer beruflichen Anfänge in den USA aus.

Als Zuhörer fühlt man sich bei dieser Lebensbeichte manchmal wie eine Freundin oder ein Freund, der mit der Knef bei einer Tasse Kaffee sitzt. Manchmal ist auch ein wenig Klatsch dabei, wenn sie von ihren Begegnungen erzählt mit Marilyn Monroe, dem Starfotografen Richard Avedon, Cole Porter oder mit Marlene, die sie niemals bei ihrem Familiennamen nennt und damit voraussetzt, dass es sich nur um die Dietrich handeln kann. Sie ist bei den Proben zu "Silk Stockings" dabei:

" Marlene fand die russische Uniform undiskutabel und das Abendkleid lachhaft. Kötschenbroda, sagte sie."

Und nach der umjubelten Premiere:

" Marlene umarmt mich, flüstert: lächle. "

Einmal sagt die Knef in allem Arbeitsstress:

" Eine Familie möchte ich haben, ein Zuhause, Kinder. "

Da weiß man, dass sie nicht zur sterilen Filmgöttin erstarrt ist, die ausschließlich nach Ruhm trachtet. Tochter Christina wird 1968 geboren. Hildegard Knef nimmt staunend ihre Entwicklung wahr, sie vergleicht ihre Kindertage mit denen Tintas. Und sie registriert die tief greifenden Veränderungen in unserer Zeit an ganz alltäglichen Dingen:

" Der Presslufthammer neben der Brücke stört sie nicht, erschreckt sie so wenig, wie das Kreischen der Jets, der Helikopter und Baukräne. Es gehört in ihr lautes Leben hinein (wie das Gurgeln der Geschirrspüler, das Rumpeln der Waschmaschine, Bullern der Trockenschleuder, geläufig) wie Stereo, Beat, Flugplätze, Fahrstühle, Autos. Ihre Geräusche. Wie meine S-Bahn, Teppichklopfen, Fahrradklingeln, Fräsmaschine es waren."

Neues erfährt man, aus dem immer auch sehr öffentlich geführten Leben, nicht, aber die Fans von Hildegard Knef mag es trösten, dass bei dieser Lesung alles Angestrengte von ihr abfällt. Mit der Gelassenheit des Alters blickt sie zurück. Nicht dass die Texte abgeklärt wären, aber die Art der Darbietung strahlt so viel Ruhe, so viel Wissen um Höhen und Tiefen des Lebens aus, dass man sich knapp 5 Stunden diesem Lebensstrom gern überlässt.

Service:

Das Filmmuseum Berlin zeigt bis zum 17. April 2006 mit "Hildegard Knef. Eine Künstlerin aus Deutschland" eine Sonderausstellung zum 80. Geburtstag der Künstlerin.