Georg Diez: Die letzte Freiheit
Vom Recht, sein Ende selbst zu bestimmen
Berlin Verlag 2015
128 Seiten, 10 Euro
Plädoyer für die aktive Sterbehilfe
Menschen sollten die Art ihres Todes frei wählen können, fordert der "Spiegel"-Journalist Georg Diez. Kurz vor der Bundestagsabstimmung zur Sterbehilfe schaltet er sich mit einem Essay in die Debatte ein.
Das Leben müsse jeder auch vor den anderen rechtfertigen, schrieb der römische Philosoph Seneca. Den Tod allerdings nur vor sich selbst – und darum gelte: "Der beste Tod ist, der gefällt." In seinem existenzialistischen Essay "Die letzte Freiheit" lässt der Journalist Georg Diez neben Seneca eine beeindruckende Reihe an Schriftstellern und Philosophen auftreten, die den Freitod als Akt der Freiheit und Selbstbestimmung ausdrücklich bejahten: Albert Camus und Cesare Pavese, Montesquieu und David Hume, Jean Améry und Wolfgang Herrndorf.
Mit ihnen zusammen spricht sich der Autor gegen jede entmündigende Einmischung in die Autonomie des Einzelnen aus. Menschen sollten die Art ihres Todes frei wählen können und sich – das ist der springende Punkte, denn der Selbstmord ist in Deutschland ja nicht verboten – auch die Hilfe Dritter holen oder in der Apotheke unkompliziert Medikamente erstehen dürfen, die einen qualfreien Übergang garantieren. Denn es sei nicht einzusehen, argumentiert Georg Diez humanistisch, dass Menschen sich auf brutale, unsichere, angstauslösende Weise das Leben nehmen müssten, nur weil Bedenkenträger in Kirchen und Politik meinen, es besser zu wissen als der Sterbewillige selbst.
Manches lässt sich nicht mit Nebensätzen erledigen
Nicht von ungefähr erscheint dieser Essay wenige Wochen, bevor der Bundestag über eine gesetzliche Neuregelung zur aktiven Sterbehilfe entscheiden wird. Eine umfassende Analyse des vielschichtigen Themas ist von dem schmalen Buch allerdings nicht zu erwarten und der Autor verspricht sie auch nicht, dennoch greift sein Text zu kurz. Die Kritik an einer möglichen Abkehr vom absoluten Tötungsverbot, wie es im deutschen Recht auch für Ärztinnen und Ärzte verankert ist, meldet sich teilweise außerordentlich gründlich und substanziell zu Wort und lässt sich nicht zurückweisen, indem man sie pauschal als überängstlich einstuft, wie Diez es tut.
Auch die Lage in den Niederlanden und Belgien, wo die aktive Sterbehilfe bis hin zur Euthanasie bei Kindern legal ist, lässt sich nicht in Nebensätzen erledigen. Wer die Entwicklung in diesen Ländern beurteilen möchte, muss sich ausführlich mit Recherche und Fakten auseinandersetzen, sonst gerät die Argumentation auf dünnen Boden.
Georg Diez lässt Raum für Unsicherheiten und Fragen
Das alles weiß Georg Diez und darum zieht er eine schwebende, literarisch vieldeutige und sehr persönliche Ebene in sein Buch ein. Da ist von seiner Mutter die Rede, die "in die Schweiz gehen" wollte, als sie schwer an Krebs erkrankte. Sie tat es dann doch nicht - aus all den verschlungenen und unergründlichen Erwägungen, die den Kern des Privaten in jedem Leben ausmachen. Vorsichtig und tastend erzählt der Autor auch von seinem Freund Max, der in eine Erschöpfungsdepression gerät – ein Erzählstrang, der die Komplexität des Lebens berühren und darüber hinaus nichts beweisen oder herbeiführen soll.
Das macht diesen Essay stark: Auch wenn Diez' Plädoyer für die Freigabe der aktiven Sterbehilfe stellenweise zu einfach gerät, lässt er doch Raum für die Unsicherheiten und Fragen, in denen das Thema angemessener platziert ist als in vorschneller Gewissheit.