Die Liebe als Fundament dieser Welt
Wie lässt sich der christliche Glaube im 21. Jahrhundert zeitgemäß weitergeben? In seinem schwergewichtigen Buch "Der Glaube" sucht der Religionspädagoge Hubertus Halbfas nach Antworten.
"Ich meine, es ist Zeit, den gesamten christlichen Glauben neu zu reflektieren, auf das Wissen unserer Tage hin zu bedenken und gleichzeitig zu fragen, ob er so, wie er überkommen ist, auch die nächsten Generationen überhaupt noch erreichen kann."
Hubertus Halbfas. Christliche Traditionen verschwinden und immer mehr Menschen verlassen die Kirchen. Da liegt die Frage nahe: Wie lässt sich der christliche Glaube im 21. Jahrhundert zeitgemäß weitergeben?
"Ich bin der Ansicht, dass wir das Christentum gewissermaßen, wenn Sie es recht verstehen wollen, noch einmal neu bedenken, begründen, gewissermaßen erfinden müssen."
Folglich begnügt sich Halbfas nicht mit Einzelkorrekturen, sondern versucht in seinem 600-seitigen Werk "Der Glaube" eine umfassende Darstellung und Neubesinnung des christlichen Glaubens.
Zu Beginn skizziert der Religionspädagoge einen geschichtlichen Überblick. Glauben verändert sich mit der Entwicklung des menschlichen Bewusstseins über die Jahrtausende. Dem trägt Halbfas in einem eigenen Kapitel ebenso Rechnung wie etwa den Zusammenhängen zwischen Glauben und Wissen, Vernunft, Toleranz und Zweifel. So schreibt er mit Blick auf das gängige Bild eines allmächtigen persönlichen Gottes:
"Das traditionell theistische Gottesverständnis produziert mehr Zweifel und Widerspruch, als dass der kritische denkende Zeitgenosse darin sich selbst und die Welt tiefer verstehen würde."
Dem will Halbfas Abhilfe leisten. Daher bearbeitet er im umfangreichen Hauptteil seines Buches vor der Folie aktueller naturwissenschaftlicher, historischer und theologischer Erkenntnisse klassische Themen der Dogmatik: Schöpfungs- und Gotteslehre, ferner die Lehre von der Kirche und vom Jenseits.
Einen Schwerpunkt legt Halbfas auf die Christologie, auf die Lehre von Jesus, dem Christus. Denn im Glaubensbekenntnis der Kirchen entdeckt der emeritierte Professor eine große Lücke.
"Wir sagen: geboren aus Maria, der Jungfrau – und setzen fort: gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben, begraben. Das gesamte Leben Jesu, das Programm Jesu wird von unseren Glaubensbekenntnissen, weder den kleinen noch den ausführlichen, nicht aufgenommen. Gewissermaßen hat Jesus in diesem Glaubensbekenntnis keinen Inhalt, kein Programm, kein eigenes Engagement gehabt."
Maßgeblich für die gängige Christologie ist die Theologie des Apostels Paulus. Sie ist in Halbfas Augen nur eine mögliche Interpretation der Person und des Wirkens Jesu Christi. Denn Paulus konzentriert sich, so Halbfas, auf die Hinrichtung Jesu, auf die Auferstehung Christi und den daraus folgenden Glauben.
Im Ersten Korintherbrief schreibt der Apostel:
"Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos. ... Wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen."
1 Kor 15,14.19
"Man hört das in jeder Osterpredigt. Aber dann wäre das Christentum nur noch auf Zukunftshoffnung und Zukunftstrost hingesetzt. Da ist kein historischer Jesus, da ist das Programm Jesu, da ist die Reich Gottes Verkündigung nicht mehr drin in diesem Satz. Und von daher möchte ich sagen: Das ist verkürzt, was Paulus da sagt."
Halbfas leugnet weder Kreuzestod noch Auferstehung Jesu Christi. Im Zentrum des christlichen Glaubens ist in seinen Augen jedoch die Lebenspraxis Jesu. Denn durch sie wird Jesu Reich-Gottes-Botschaft konkret. Hervorragendes Beispiel sind Jesu Offene Tischgemeinschaften mit Ausgegrenzten. Sie stellen Jesu Anspruch und Programm provokativ heraus – quer zu den Anschauungen und Sitten der damaligen Zeit.
"Die entscheidende Position des Christentums ist die, ... miteinander zu leben und in diesem Leben miteinander einen Glauben zu bekunden, ... der die Liebe als das eigentliche Fundament dieser Welt erkennt."
Welche konkreten Folgen das heute mit sich bringt, verdeutlicht Halbfas mit neun biografischen Skizzen. Dabei kommen Menschen in den Blick, die sich ganz dem christlichen Glauben verschrieben haben - von unterschiedlichen Positionen aus: der Kriegsdienstverweigerer Franz Jägerstätter und die Philosophin Simone Weil etwa ebenso wie der Theologieprofessor Otto Kuss und Bischof Hélder Câmara.
Damit fordert Halbfas zugleich:
"Argumentiert nicht nur auf der begrifflichen Ebene, sondern seht euch doch einmal an, wie im Leben von Menschen dieser christliche Glaube Hilfe und Hindernis, Ermutigung und Verzweiflung zustande bringen kann."
In seinem neuen Werk "Der Glaube" entwickelt Hubertus Halbfas ein vielschichtiges Bild des christlichen Glaubens dank eines breiten Spektrums an Zitaten in Rede und Gegenrede. Zahlreiche Abbildungen verdeutlichen entweder das bislang verbreitete Glaubensverständnis oder bringen die zeitgenössische Gebrochenheit des Glaubens zum Ausdruck.
Ein Buch zum Stöbern und Studieren, zum Betrachten und Bedenken, das nicht immer im Einklang steht mit offiziellen Kirchenlehren und gängiger Theologie. Es wendet sich dennoch an Kirchgänger ebenso wie an Kirchendistanzierte.
"Ich wünsche mir eigentlich einen aufgeschlossenen, lebendigen, neugierigen, wachen Geist, der das, was er vielleicht meint, schon hinter sich gelassen zu haben, noch einmal reflektiert, um zu sehen, was denn in unserer christlichen Tradition bisher wichtig war, was weiterhin wichtig sein könnte, was möglicherweise aber auch zurückgelassen werden kann."
Hubertus Halbfas. Christliche Traditionen verschwinden und immer mehr Menschen verlassen die Kirchen. Da liegt die Frage nahe: Wie lässt sich der christliche Glaube im 21. Jahrhundert zeitgemäß weitergeben?
"Ich bin der Ansicht, dass wir das Christentum gewissermaßen, wenn Sie es recht verstehen wollen, noch einmal neu bedenken, begründen, gewissermaßen erfinden müssen."
Folglich begnügt sich Halbfas nicht mit Einzelkorrekturen, sondern versucht in seinem 600-seitigen Werk "Der Glaube" eine umfassende Darstellung und Neubesinnung des christlichen Glaubens.
Zu Beginn skizziert der Religionspädagoge einen geschichtlichen Überblick. Glauben verändert sich mit der Entwicklung des menschlichen Bewusstseins über die Jahrtausende. Dem trägt Halbfas in einem eigenen Kapitel ebenso Rechnung wie etwa den Zusammenhängen zwischen Glauben und Wissen, Vernunft, Toleranz und Zweifel. So schreibt er mit Blick auf das gängige Bild eines allmächtigen persönlichen Gottes:
"Das traditionell theistische Gottesverständnis produziert mehr Zweifel und Widerspruch, als dass der kritische denkende Zeitgenosse darin sich selbst und die Welt tiefer verstehen würde."
Dem will Halbfas Abhilfe leisten. Daher bearbeitet er im umfangreichen Hauptteil seines Buches vor der Folie aktueller naturwissenschaftlicher, historischer und theologischer Erkenntnisse klassische Themen der Dogmatik: Schöpfungs- und Gotteslehre, ferner die Lehre von der Kirche und vom Jenseits.
Einen Schwerpunkt legt Halbfas auf die Christologie, auf die Lehre von Jesus, dem Christus. Denn im Glaubensbekenntnis der Kirchen entdeckt der emeritierte Professor eine große Lücke.
"Wir sagen: geboren aus Maria, der Jungfrau – und setzen fort: gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben, begraben. Das gesamte Leben Jesu, das Programm Jesu wird von unseren Glaubensbekenntnissen, weder den kleinen noch den ausführlichen, nicht aufgenommen. Gewissermaßen hat Jesus in diesem Glaubensbekenntnis keinen Inhalt, kein Programm, kein eigenes Engagement gehabt."
Maßgeblich für die gängige Christologie ist die Theologie des Apostels Paulus. Sie ist in Halbfas Augen nur eine mögliche Interpretation der Person und des Wirkens Jesu Christi. Denn Paulus konzentriert sich, so Halbfas, auf die Hinrichtung Jesu, auf die Auferstehung Christi und den daraus folgenden Glauben.
Im Ersten Korintherbrief schreibt der Apostel:
"Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos. ... Wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen."
1 Kor 15,14.19
"Man hört das in jeder Osterpredigt. Aber dann wäre das Christentum nur noch auf Zukunftshoffnung und Zukunftstrost hingesetzt. Da ist kein historischer Jesus, da ist das Programm Jesu, da ist die Reich Gottes Verkündigung nicht mehr drin in diesem Satz. Und von daher möchte ich sagen: Das ist verkürzt, was Paulus da sagt."
Halbfas leugnet weder Kreuzestod noch Auferstehung Jesu Christi. Im Zentrum des christlichen Glaubens ist in seinen Augen jedoch die Lebenspraxis Jesu. Denn durch sie wird Jesu Reich-Gottes-Botschaft konkret. Hervorragendes Beispiel sind Jesu Offene Tischgemeinschaften mit Ausgegrenzten. Sie stellen Jesu Anspruch und Programm provokativ heraus – quer zu den Anschauungen und Sitten der damaligen Zeit.
"Die entscheidende Position des Christentums ist die, ... miteinander zu leben und in diesem Leben miteinander einen Glauben zu bekunden, ... der die Liebe als das eigentliche Fundament dieser Welt erkennt."
Welche konkreten Folgen das heute mit sich bringt, verdeutlicht Halbfas mit neun biografischen Skizzen. Dabei kommen Menschen in den Blick, die sich ganz dem christlichen Glauben verschrieben haben - von unterschiedlichen Positionen aus: der Kriegsdienstverweigerer Franz Jägerstätter und die Philosophin Simone Weil etwa ebenso wie der Theologieprofessor Otto Kuss und Bischof Hélder Câmara.
Damit fordert Halbfas zugleich:
"Argumentiert nicht nur auf der begrifflichen Ebene, sondern seht euch doch einmal an, wie im Leben von Menschen dieser christliche Glaube Hilfe und Hindernis, Ermutigung und Verzweiflung zustande bringen kann."
In seinem neuen Werk "Der Glaube" entwickelt Hubertus Halbfas ein vielschichtiges Bild des christlichen Glaubens dank eines breiten Spektrums an Zitaten in Rede und Gegenrede. Zahlreiche Abbildungen verdeutlichen entweder das bislang verbreitete Glaubensverständnis oder bringen die zeitgenössische Gebrochenheit des Glaubens zum Ausdruck.
Ein Buch zum Stöbern und Studieren, zum Betrachten und Bedenken, das nicht immer im Einklang steht mit offiziellen Kirchenlehren und gängiger Theologie. Es wendet sich dennoch an Kirchgänger ebenso wie an Kirchendistanzierte.
"Ich wünsche mir eigentlich einen aufgeschlossenen, lebendigen, neugierigen, wachen Geist, der das, was er vielleicht meint, schon hinter sich gelassen zu haben, noch einmal reflektiert, um zu sehen, was denn in unserer christlichen Tradition bisher wichtig war, was weiterhin wichtig sein könnte, was möglicherweise aber auch zurückgelassen werden kann."