Die Liebe hört nicht auf
Mit dem neuen Theatertext des Fließbandschreibers René Pollesch startet das Hamburger Schauspielhaus in die Saison. Das prominent besetzte Stück bietet Grund zum Jubel. Und auch das zuletzt viel - und meist zu Recht - gescholtene Schauspielhaus zeigt sich ein bisschen wie neu.
So viel Glück hat ein Theater ja selten – am Tag der Premiere zur Eröffnung der neuen Spielzeit wird eine der zentralen Protagonistinnen dieser Uraufführung, Sophie Rois in diesem Fall, gerade zur "Schauspielerin des Jahres" gekürt im alljährlichen Theater-Ranking der Fachzeitschrift "Theater heute". Und so bot "Neues vom Dauerzustand", der neue Theatertext des Fließbandschreibers René Pollesch in der Regie des Autors, also auf jeden Fall Grund zum Jubel. Aber auch das zuletzt viel (und meist zu Recht) gescholtene Schauspielhaus war immerhin ein bisschen "wie neu".
Stolz war es zunächst auf "seine" Sophie Rois – ganz so, als hätte sich der Qualitätsstandard dieser eigensinnigen Schauspielerin in Hamburg und nicht etwa im Umfeld von Frank Castorfs Ostberliner Volksbühne entwickeln können in nunmehr zwei Jahrzehnten, seit sie für Castorfs Eröffnungsspielzeit dort engagiert wurde. Dort ist Sophie Rois auch zur Dauer-Partnerin des Text-Fabrikanten Pollesch geworden; von dort aus hat sie als Protagonistin seiner Texte auch andere Bühnen erobert. Routiniert hat sie in "Neues vom Dauerzustand" den Fokus genossen, den Pollesch auf sie lenkt – sozusagen als Joan Crawford, wie die Film-Ikone eine auf Zukunft und Fortschritt versessene Saloon-Besitzerin spielt in "Johnny Guitar", Nicholas Rays modernem Western von 1954.
Die Musik von Victor Young durchzieht den Abend, und Pollesch nutzt den kompletten Plot als Entree: Die Saloon-Lady kämpft gegen Grundbesitzer und Viehzüchter, vertreten durch eine weibliche Rivalin; und zwischen beiden weiß eben Johnny, einst Auftragskiller, jetzt geläuterter Gitarrero, nicht recht wohin mit sich und der Liebe. Überhaupt: die Liebe – um die geht's vor allem, nach kurzen Ausflügen hin zu den Katastrophenszenarien weltweiter Dumping-Wirtschafterei mit wachsender Armut nicht nur in der Dritten und Vierten, sondern nun auch in der Neuen und Alten Welt. In die Western-Szenerie von Bert Neumann, mit Bruchbude hinten vor lodernd rotem Horizont und von einer grasigen Viehkoppel, tappt plötzlich ein Wesen aus ganz anderen Zeiten herein – und spricht von Liebe, vom Tod und vom festen Glauben daran, dass beides miteinander zusammen hängt.
Margit Carstensen, die Fassbinder-Veteranin, erst zum dritten Mal in Polleschs Diensten, trägt außen wie innen Teile der Rüstung, der Zu-Rüstung, mit der die Heilige Johanna von Orleans für die Liebe zu sterben bereit war; das ist komisch, weil die Figur ständig vom Nicht-Gelingen erzählt und sich (weil ein Chor von Schauspielstudentinnen ihr antwortet immerzu) in der Tragödie wähnt.
Die melodramatische Ironie im Ton von Sophie Rois ist ja der Normalfall eines Pollesch-Abends, ist Routine und Pflicht; Christine Groß als Rivalin aus dem Western und in einer kleinen Psychologen-Farce als Einschub folgt ihr im immer gleichen Pollesch-Ton. Polleschs Diskurs-Theater ist ja auch eine immerwährende Gardinenpredigt und als solche oft eher ermüdend. Aber Margit Carstensen, die kämpft um jeden Auftritt, jeden Satz, jedes Wort, ist (noch!) eine Schauspielerin, mit der und durch die diese Texte (noch!) etwas bewirken. Margit Carstensen erfindet Pollesch "wie neu" – in dem Theater, wo sie vor fast 50 Jahren schon mal spielte und das jetzt – umbaubedingt - auch "wie neu" aussieht; das Parkett ist überbaut, der Theaterraum beginnt erst im 1. Stock und vor dem Eisernen Vorhang. "Spielfeld" nennen die Schauspielhäusler ihre Bühne jetzt, und sie könnten viel Freude haben mit diesem prächtigen kleinen Kammertheater in der letzten Spielzeit, bevor der Umbau endet und Karin Beier kommt.
Vielleicht wird's ja nach viel Ärger noch ein wirklich schöner Abschied.
Stolz war es zunächst auf "seine" Sophie Rois – ganz so, als hätte sich der Qualitätsstandard dieser eigensinnigen Schauspielerin in Hamburg und nicht etwa im Umfeld von Frank Castorfs Ostberliner Volksbühne entwickeln können in nunmehr zwei Jahrzehnten, seit sie für Castorfs Eröffnungsspielzeit dort engagiert wurde. Dort ist Sophie Rois auch zur Dauer-Partnerin des Text-Fabrikanten Pollesch geworden; von dort aus hat sie als Protagonistin seiner Texte auch andere Bühnen erobert. Routiniert hat sie in "Neues vom Dauerzustand" den Fokus genossen, den Pollesch auf sie lenkt – sozusagen als Joan Crawford, wie die Film-Ikone eine auf Zukunft und Fortschritt versessene Saloon-Besitzerin spielt in "Johnny Guitar", Nicholas Rays modernem Western von 1954.
Die Musik von Victor Young durchzieht den Abend, und Pollesch nutzt den kompletten Plot als Entree: Die Saloon-Lady kämpft gegen Grundbesitzer und Viehzüchter, vertreten durch eine weibliche Rivalin; und zwischen beiden weiß eben Johnny, einst Auftragskiller, jetzt geläuterter Gitarrero, nicht recht wohin mit sich und der Liebe. Überhaupt: die Liebe – um die geht's vor allem, nach kurzen Ausflügen hin zu den Katastrophenszenarien weltweiter Dumping-Wirtschafterei mit wachsender Armut nicht nur in der Dritten und Vierten, sondern nun auch in der Neuen und Alten Welt. In die Western-Szenerie von Bert Neumann, mit Bruchbude hinten vor lodernd rotem Horizont und von einer grasigen Viehkoppel, tappt plötzlich ein Wesen aus ganz anderen Zeiten herein – und spricht von Liebe, vom Tod und vom festen Glauben daran, dass beides miteinander zusammen hängt.
Margit Carstensen, die Fassbinder-Veteranin, erst zum dritten Mal in Polleschs Diensten, trägt außen wie innen Teile der Rüstung, der Zu-Rüstung, mit der die Heilige Johanna von Orleans für die Liebe zu sterben bereit war; das ist komisch, weil die Figur ständig vom Nicht-Gelingen erzählt und sich (weil ein Chor von Schauspielstudentinnen ihr antwortet immerzu) in der Tragödie wähnt.
Die melodramatische Ironie im Ton von Sophie Rois ist ja der Normalfall eines Pollesch-Abends, ist Routine und Pflicht; Christine Groß als Rivalin aus dem Western und in einer kleinen Psychologen-Farce als Einschub folgt ihr im immer gleichen Pollesch-Ton. Polleschs Diskurs-Theater ist ja auch eine immerwährende Gardinenpredigt und als solche oft eher ermüdend. Aber Margit Carstensen, die kämpft um jeden Auftritt, jeden Satz, jedes Wort, ist (noch!) eine Schauspielerin, mit der und durch die diese Texte (noch!) etwas bewirken. Margit Carstensen erfindet Pollesch "wie neu" – in dem Theater, wo sie vor fast 50 Jahren schon mal spielte und das jetzt – umbaubedingt - auch "wie neu" aussieht; das Parkett ist überbaut, der Theaterraum beginnt erst im 1. Stock und vor dem Eisernen Vorhang. "Spielfeld" nennen die Schauspielhäusler ihre Bühne jetzt, und sie könnten viel Freude haben mit diesem prächtigen kleinen Kammertheater in der letzten Spielzeit, bevor der Umbau endet und Karin Beier kommt.
Vielleicht wird's ja nach viel Ärger noch ein wirklich schöner Abschied.