Die Liebe und der Tod

Von Martin Stümper und Matthias Wurms |
Am 05. Juni 1981 berichtet die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC in ihrer wöchentlichen Fachzeitschrift über eine neue rätselhafte Krankheit, die homosexuelle Männer befällt. Ein Jahr später wird sie Aids heißen: Acquired Immune Deficiency Syndrome, zu Deutsch: erworbener Immundefekt - und seitdem ist die Welt nicht mehr, wie sie war.
Schnell infizieren sich auch Menschen mit dem noch unbekannten Virus, die keine homosexuellen Kontakte hatten. Manche sprechen bereits von der größten Geißel, die die Menschheit je bedroht hat. In Nordamerika und Westeuropa schnellen die Infektionszahlen nach oben. Wer AIDS hat, wird ausgegrenzt. Heilung ist nicht in Sicht, nicht einmal Linderung. Wer das Virus hat, stirbt meist elendig innerhalb weniger Monate. 1983 gründet sich in Berlin die Deutsche AIDS-Hilfe, in Fernsehspots und auf Plakatwänden wird dafür geworben, Kondome zu benutzen. Erst Mitte der 90er finden die Forscher das erste wirksame Medikament: die hochaktive retrovirale Therapie. Sie hat extreme Nebenwirkungen, verlängert jedoch die durchschnittliche Lebenserwartung der Infizierten um Jahre. Heute sprechen Mediziner von der AIDS-Behandlung als der größten wissenschaftlichen Leistung des 20. Jahrhunderts. Dennoch weitet sich die Krankheit aus, sie wird zur weltweiten Epidemie - und zunehmend zu einer Krankheit der Entwicklungsländer. Heute ist in Südafrika jeder fünfte Einwohner HIV-positiv, weltweit sterben mehr als 4 Millionen Menschen pro Jahr an AIDS. Im vergangenen Jahr schrecken auch in Deutschland neue Zahlen auf. 2005 stieg die Zahl der Neuinfektionen hierzulande um 20 Prozent. Eine neue Sorglosigkeit greift um sich - vor allem in der immer noch meistgefährdeten Gruppe der Männer, die Sex mit Männern haben. Die Lange Nacht verfolgt den Weg der Krankheit aus den eng umgrenzten Risikogruppen schwuler Männer und Drogensüchtiger in das Bewusstsein und das Leben aller. Wie haben wir ihn erlebt, den AIDS-Schock? Wie gelang es nach Jahren, endlich Behandlungsmöglichkeiten zu finden? Wieso ist AIDS aus den Köpfen so vieler in Deutschland wieder verschwunden?

Auszug aus dem Manuskript:

Am 5. Juni 1981 beginnt die amerikanische Gesundheitsbehörde CDC in Atlanta einen ihrer wöchentlichen Gesundheitsberichte mit den Sätzen:
"In der Zeit von Oktober 1980 bis Mai 1981 wurden fünf junge Männer, alle aktive Homosexuelle, in Los Angeles wegen einer Lungenentzündung behandelt. Zwei der Patienten starben."
Es sind die ersten amtlichen Fälle einer rätselhaften Krankheit, die später Aids genannt wird, und der 5. Juni 1981 gilt als offizieller Beginn einer neuen Epoche, in der Sex zu einem lebensgefährlichen Abenteuer wird. Neben den Homosexuellen registrieren die Ärzte schnell weitere "Risikogruppen". Sie finden die gleichen Symptome bei Drogenabhängigen, wenig später bei Blutkranken, bei Empfängern von Bluttransfusionen und sogar Babys. Nach Genitalflüssigkeit wird nun auch Blut als Übertragungsflüssigkeit erkannt.
Im Juli 1982 gibt die amerikanische Gesundheitsbehörde der gefährlichen Krankheit den Namen AIDS - Acquired Immune Deficiency Syndrome - auf deutsch: erworbene Immunschwäche.

Dr. Hjalmar Balthesen:
" Man muss ja sagen, Aids wird es erst im Endstadium genannt, vorher ist es die HIV-Infektion, die sich in verschiedenen Stadien aufteilt. Es kann beginnen, das sind aber die wenigsten Fälle, im ersten Stadium ein paar Wochen oder Monate nach der Infektion mit einem ganz uncharakteristischen Krankheitsbild, das sieht dann so ein bisschen so aus wie eine Grippe oder eine Angina oder ein pfeiffersches Drüsenfieber so mit Lymphknotenschwellungen, Fieber und so weiter. Das wird meistens nicht erkannt, weil es völlig unspezifisch ist. Geht auch wieder vorbei und dann kommt eine lange Jahre dauernde Latenzphase wo eigentlich gar nichts passiert, man hat vielleicht ein bisschen erhöhte Infektanfälligkeit, mehr Müdigkeit, aber ansonsten merkt man nichts. Der weitere Verlauf, irgendwann kommt es dann zum sog. Aids related complex, nämlich dann, wenn die weißen Blutkörperchen, die für Infektionen zuständig sind, plötzlich einbrechen, die Viruslast hoch geht, dann kommt es zu den wirklichen schweren Krankheiten, im Sinne von Infektionen, was man dann auch wirklich als Aids versteht. Oh, da gibt es eine ganze Serie, man kann im Grunde von allem befallen werden, wovor man normalerweise einen Immunschutz hat, das bezieht sich also auf Bakterien, auf Viren, auf Parasiten, auf Pilzinfektionen, also da ist dann alles möglich an Infektionen, was es so gibt, auch Infektionen, die man sonst so gut wie nicht sieht. "


Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärungen
Aids-Prävention
Deutsche Aids-Stiftung
Deutsche Aids-Hilfe
Deutsche Aids-Gesellschaft
Diskussion: Ist HIV wirklich die Ursache von Aids?
Aids-Prävention
Selbsthilfe und Netzwerke
Medizinischer Service


Wir verstehen uns als Ansprechpartner für alle Menschen, die Fragen zu HIV und AIDS haben und Hilfe bei der Bewältigung ihrer Schwierigkeiten suchen. Hierbei sehen wir uns vor allem als Vertreter der Interessen von Menschen mit HIV und Aids. Unser Anliegen ist es, die Interessen dieser Menschen zu unterstützen und der gesellschaftlichen Ausgrenzung entgegen zu wirken.

Projekt Wilde Herzen der Aids-Hilfe Bochum
Michael Bochow
Verein "Light of Africa" in Krefeld
Auszug aus dem Manuskript:

Elizabeth Horlemann weiß wovon sie spricht. Sie ist selbst Afrikanerin. Vor 16 Jahren kam sie aus Kenia nach Deutschland. Sie ist mit einem Deutschen verheiratet und lebt in Krefeld. Vor gut einem Jahr hat sie dort den Verein "Light of Africa" gegründet, eine Anlaufstelle für Afrikaner. Dass sich Elizabeth Horlemann vor allem um HIV-Positive und Aids-Kranke kümmert, steht allerdings nirgendwo dran, sonst würde sich vermutlich niemand herein trauen. Und auf der Straße grüßt Horlemann ihre Klienten nie zuerst, um sie nicht peinlichen Fragen auszusetzen.

Elizabeth Horlemann:
" Die Leute, die zu uns kommen haben einen Leiden-Weg hinter sich, ist stark isoliert, und auch psychisch richtig am Ende, die müssen reden und deswegen kommen die zu uns und die sind froh, dass wir hier sind, weil die finden Leute, die die Kultur kenne, die ihr Problem kennen, die müssen nicht von vorne anfangen. Da haben die Zeit entweder mit mir oder auch alleine einfach sich zu erholen, bis sie irgendwann mal so weit ist zu reden.
Die Zukunft ist sehr wichtig, was die Kinder, die Familien betrifft: Wie soll es weitergehen? Und dann kommt noch der ganz großes Druck von zuhause: Man ist hier schwer erkrankt, kann vielleicht auch noch nicht mal arbeiten, aber die Druck von zuhause, Geld rüber zu schicken, ist immer noch da. Und kommt noch dazu, dass man auch nicht die Leute zuhause sagen, dass man hier erkrankt ist. Ob das Aids ist oder eine andere Krankheit, wir machen einfach so, dass wir nicht unsere Familien damit belasten, weil die Entfernung ist halt zu groß und man würde auf jeden Fall viel Sorge haben, wenn ich meine Eltern jetzt zum Beispiel sage: Ich bin jetzt hier schwer erkrankt. Und demzufolge warten die Leute aus Afrika, dass diese Geld immer noch rüber transferiert. In dem Moment ist man sehr allein, man wünscht sich, dass die nächste Familienmitglied da ist, damit man darüber reden, aber auf die andere Seite hat man auch Angst abgestoßen zu werden. "

Obwohl in Afrika Millionen Menschen von Aids betroffen sind, gilt es dort immer noch als die Krankheit der Armen und Schwachen, und wer es bekommt, ist selber schuld. So dachte auch Elizabeth Horlemann, bis ihr eigener Bruder an Aids starb.

Elizabeth Horlemann:
" Wir haben erst nach dem Tod festgestellt, dass er sicherlich von der Erkrankung gestorben. Und ich muss sagen, dass in Kenia damals, als ich das Land verlassen habe, um nach Deutschland zu kommen, hieß es so, dass HIV und Aids war nur eine Erkrankung, die man die westliche Länder zugeordnet, und demzufolge hieß das, dass die Afrikaner können nicht von diese Erkrankung sterben. Und dann hat man dann kategorisiert, die Leute, die arm oder nicht zur Schule gegangen, die würde auf jeden Fall diese Erkrankung bekommen, aber nix Leute, die studiert haben, die Arbeit haben, die so weit geregeltes Leben haben. Bis dahin haben wir nie gewusst, dass diese Krankheit würde auch vor unsere Tür klopfen können. "

Spezielle Angebote für Migranten der Aids-Hilfe Essen
Connect Plus e.V.
Auszug aus dem Manuskript:
Frieder Alberth ist eigentlich Finanzbeamter. 1983 hat er seinen Job aufgegeben und zunächst in seiner Heimatstadt Nürtingen einen Verein für Suizidgefährdete gegründet. Drei Jahre später entschied er sich, die gerade gegründete Aids-Hilfe in Augsburg zu leiten. 14 Jahre machte er das, dann wollte er sein Wissen weiter tragen. Um "connect plus" zu gründen, investierte er sogar seine Altersvorsorge.

Frieder Alberth:
" Ich hatte gehofft, dass von anderer Seite auch mitkommt, und das war ein Trugschluss. Wenn ich das jetzt vor fünfeinhalb Jahren gewusst hätte, ich weiß nicht, ob ich es gemacht hätte. Und die Frage, ob ich es bereut habe: ich habe es nie bereut. Ich habe so viel in den fünfeinhalb Jahren erlebt und Begegnungen gehabt, die ich niemals missen möchte und die eine solche Bereicherung waren, die mit Geld überhaupt nicht aufzuwiegen sind.
Wir waren damals, das war im Jahr 2001, wirklich der Meinung, das ist so ein dringendes Problem, und man ist da ja auch immer ein bisschen naiv, wenn man solche Visionen hat, dass die Bundesregierung das aufgreifen muss. Das hat sie bis heute letztendlich nicht getan, und das ist auch das Problem unseres Vereines, von connect plus, dass wir getragen werden auf der einen Seite von sämtlichen Aids-Hilfen, die wir ansprechen, wir bekommen sofort Experten, die mitreisen, sämtliche Ärzteorganisationen, die mit Aids zu tun haben, stehen da hinter uns, gleichzeitig aber es bis heute keine staatlichen Programme gibt, um in diesen Bereichen, Gesundheitsbereich oder HIV/Aids-Bereich irgend etwas in Russland oder Ukraine zu tun. Die offizielle Sicht mag eine politisch korrekte sein, die bezeichnet nämlich dass Russland, das ja ein sehr reicher Staat ist und Ukraine keine Entwicklungsländer sind und somit keine Finanzierung möglich ist. Es gibt schlichtweg keinen Haushaltstitel dazu. "
Das ist umso trauriger, als schon kleine Maßnahmen oft eine große Wirkung haben. Um die Übertragung einer HIV-Infektion von der Mutter auf ihr Kind zu verhindern, genügt es in vielen Fällen, einen Kaiserschnitt zu machen, denn das Virus wird bei der Geburt übertragen. Aber Frieder Alberth hat in der Ukraine und in Russland immer wieder die Erfahrung gemacht, dass der gesunde Menschenverstand nicht immer reicht.
Frieder Alberth:
" Wenn ich in den Aids-Zentren frage in Ukraine und Russland, kommt sofort und spontan die Antwort: Das ist nicht angeordnet. Das heißt, weil der Staat es bisher nicht hingebracht hat, zu sagen, was sind die Indikationen für Kaiserschnitt, und HIV nicht auftaucht, machen die Ärzte das nicht. Aber wenn es gelungen ist in einer kleinen Stadt, was weiß ich, vier Autostunden von Kiew weg, Poltawa, und dort die in der Klinik sagen, wir machen jetzt viel, viel öfters den Kaiserschnitt, dann sind vielleicht 10 oder 15 oder 20 Übertragungen auf ein Kind verhindert worden, das ist doch ein schönes Erlebnis, das ist doch klasse.

Es fehlt der politische Wille. Osteuropa und Aids sind nun mal zwei Themen mit denen man nicht unbedingt etwas groß machen kann. Das ist ja auch bei unserer Sponsorensuche so, wenn wir Firmen ansprechen. Aids ist nun mal vor allem dann, wenn, dann schon Afrika. "
Weltweit und auch in Deutschland wird Osteuropa nur langsam als Aids-Problemgebiet wahrgenommen. Das zeigen auch die Angebote der Deutschen Aids-Hilfen: Russisch sprechende Berater gibt es nur sehr wenige, solche, die Englisch oder Französisch beherrschen, sind zahlreicher. Insgesamt sind die Afrikaner besser in die Aids-Hilfe integriert. Sie haben allerdings neben ihrer Krankheit oft mit Problemen zu kämpfen, die deutsche Patienten und auch beispielsweise Russland-Deutsche nicht kennen: Viele Afrikaner sind Asylbewerber, häufig ist ihr Aufenthaltsstatus ungeklärt, wer nur geduldet wird, darf sich seinen Wohnort nicht aussuchen - auch nicht, wenn er anderswo eine bessere medizinische Betreuung bekäme. Und häufig droht Familienangehörigen die Abschiebung. Menschen wie Elizabeth Horlemann und die Mitarbeiter der Aids-Hilfen müssen also mehr leisten, als nur Gesundheitsberatung und psychologische Betreuung.
Elizabeth Horlemann:
" Die schlimmste Erlebnis ist, das ich konnte eine Frau nicht helfen. Sie ist gestorben, bevor ich überhaupt angefangen habe und sie starb in Dormagen, und was mich sehr traurig gemacht haben ist, sie hat sich komplett geweigert Medikamente zu nehmen oder sich auch zu helfen. Und ihre Eltern trotz Krieg in dem Kongo haben sich ihre letzte Geld irgendwie hergetrieben damit sie hier die Leiche von ihrer Tochter mit nach Hause nehmen. Konnten die aber nicht, weil: dann war die Sozialamt in Dormagen haben die gesagt, die soll erst mal die Krankenhausrechnung bezahlen. Und das war für mich sehr traurig, weil ich bin auch erst mal Afrikaner, und ich weiß, dass es ist ganz wichtig das wir die Tot erst mal beerdigen, damit man erst mal ein Ort hat, weil wir glauben auch ganz stark an Wiedergeburt, und ich weiß das, für diese Familie ist das so: Diese Seele hängt immer noch hier in Europa und wird nie Ruhe bekommen.
Ärzte befinden sich auch ganz viel in dem ehrenamtlichen Bereich, wo sie auch mit Aufenthaltsstatus den Patienten helfen müssen, damit sie wenigstens adäquat hier untergebracht sind, wo die in Ruhe ihre Medikamente einnehmen. Es gibt viele, die nehmen sehr viele Medikamente, brauchen sehr viel Ruhe oder dass die nicht verschoben werden aus Deutschland in ein Land, wo man kein Aspirin bekommt.
Meine Mann war abgeschoben die gleiche Tag, wenn ich war in die OP, die gleiche Tag meine Mann soll nach Afrika zurückschicken. Und er hat resistiert mit die Polizei und man hat ihn in Abschiebehaft für viereinhalb Monate gelassen. Ich war in OP, und ich wusste, dass meine Mann war am Flughafen, So peinlich. Und ich werde das niemals vergessen. Ich war an die Ausländerbehörde mit meine Pastor, hochschwanger, und ich hab mit die Mann, die hat die Unterschrift gelassen für seine Deportation, weil die Anwalt hat gesagt, versuchen Sie mal, vielleicht, wenn er sieht deine Situation, er kann deine Mann lassen. Er sagt: Mir egal! Das ist Deutschland. "
Solange bekam ihre Tochter alleine. Das war vor einem Jahr. Seitdem lebt sie mit ihr in der Wohnung, die ihr Mann noch renoviert hatte. Die zierliche Frau aus Kamerun kam vor drei Jahren nach Westfalen. Hier in Deutschland hat sie erfahren, dass sie HIV-Positiv ist, und ihr einziger Trost ist ihr Glauben - und dass sie ihre Tochter nicht mit dem Virus infiziert hat.
" Zweimal am Tag ich bekomme ein Medikament, jeden Tag, Meine Arzt wir sind so wie gute Freund, alle da sind nett, weil bei mir, ich glaube immer an Gott, dass Gott hilft mir, ich denke nicht immer an Krankheit. Ich gucke nach meine Zukunft. Die Problem hier ist, die Leute hier machen die Sache schlimmer für uns, weißt du? Weil Jesus sagt, wir sollen mal glauben, ich glaub an Jesus und ich sag: Okay, ich will nicht sterben, weil ich bin noch so jung und Gott hilft mir. Und immer jeden Tag ich bete und alles ist okay für mich. Es gibt nichts Gott kann nicht tun, und ich glaube ein Tag werde ich heil auch. Wir haben niemals etwas Schlimmeres gemacht in unsere leben, Ich bin niemals in die Straße gewesen. Ich war eine Kind, ich hab so normal aufgewachsen in Mittelklasse in Afrika, ich bin zur Schule gegangen. Es ist so: Es ist passiert, es ist passiert. Ich weiß nicht, wie ist das gekommen, aber ich muss weitergucken. "
Aids-Präventionsprojekt "Jana"
UNAIDS
Auszug aus dem Manuskript:
Auch auf das Sexleben hat Aids eine gewaltigen Einfluss. Wer vorher keine Kondome kannte, lernt diese nun kennen. Im Aufklärungsunterricht in der Schule, durch besorgte Eltern, in Fernsehspots: Die neue allgegenwärtige Parole heißt "Kondome schützen". Und auch die älteren müssen Sex neu lernen.
Dieter Apfelbaum:
" Nach längerer Zeit hatte ich dann die Erkenntnis, Du kannst froh sein, dass Du den Virus so spät bekommen hast, denn Du hattest eine lange Phase, wo Du doch relativ sorgenlos Sexualität haben kann, das ist natürlich für Anfang 20-jährige, das ist ja heute nicht anders, wobei ich sage, dass sie dann meistens selbst schuld haben, aber damals, die jungen Männer, da haben wir ja auch häufig drüber gesprochen, denen ist das schon hart angekommen, die fingen mit ihrem sexuellen Leben gleich mit diesem Virus an. Häufig genug als positive oder in dem Wissen, dass sie aufpassen müssen. "
Wilhelm ist 1981 18 Jahre alt. Er ist einer dieser jungen, die mit Aids aufwachsen.
Wilhelm Meer:
" Ich bin froh, dass ich zu dieser Generation gehöre, dass ich mein Coming Out hatte, als das raus gekommen ist, dass ich wusste, wie ich mich schützen kann, und dass ich - ich sage das immer so -, die Leute, die älter waren als ich, so zehn Jahre älter, die hatten ja keine Ahnung, woher sollten die wissen, dass so was unterwegs ist. Viele, die gestorben sind, die sich infiziert hatten, weil sie gar nicht die Möglichkeit hatten, sich zu schützen, ich meine, sie hätten ein Kondom nehmen können, aber sie haben es ja nicht gewusst, dass es passieren kann. Die haben doch ein ganz anderes Sexualleben gehabt, die haben sich vorher infiziert, weil sie vorher ganz anders ... haben. Jetzt hätte ich fast das böse Wort gesagt, die waren sexuell ganz anders unterwegs, die waren wahrscheinlich freier unterwegs, als dann nach den Berichten. "

Und Menschen wie Dieter Apfelbaum, die in den 70er noch die sexuelle Freiheit genossen hatten, müssen umdenken.

Dieter Apfelbaum:
" Ja natürlich, das ist eine große Umstellung gewesen, denn in der ersten Phase war ja die Angst im Hinterkopf und das ist dann schon eine Schwierigkeit, dieses unverbindliche oder ungebundene wollen wir lieber sagen, waren ja für uns eine Befreiung, die wir die 50er und 60er mitgemacht haben, aber mit Aids und HIV hat sich das dann gewandelt, da fing man an nachdenklicher zu werden. "
Der Frankfurter Sexualwissenschaftler Martin Dannecker:
" Alle Träger der Prävention haben geglaubt, die Prävention findet über die Anwendung des Kondoms statt. Das war aber nicht wahr, und zwar hat dieser Schock und die Angst unendlich viele dazu gebracht, auf Sexualität zu verzichten, das heißt weniger Sexualität zu haben, auf sexuelle Praktiken, die als besonders riskant gelten, zu verzichten und ein Teil davon hat sozusagen bei solchen Praktiken oder bei der Sexualität ein Kondom genommen, das heißt es gab über weite Strecken eine Prävention des Verzichts, die Angst aber sich tödlich zu riskieren hat die Widerstände gegen das Kondom still gestellt. "

Literatur
Martin Dannecker
Homosexuelle Männer und AIDS,
Stuttgart: Kohlhammer, 1990
Michael Bochow, u.a.:
Schwule Männer und Aids, Risikomanagement in Zeiten der sozialen Normalisierung einer Infektionskrankheit
Eine Befragung im Auftrag der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung,
Köln, Deutsche Aids-Hilfe 2004
Sonja Weinreich, Christoph Benn
Aids, eine Krankheit verändert die Welt
Daten, Fakten, Hintergründe.
Hrsg. v. Brot f. d. Welt (BfdW),
Dtsch. Inst. f. Ärztl. Mission (Difäm), Evangel. Entwicklungsdienst (EED), Evangel. Missionswerk Deutschland (EMW).
2005 Lembeck
Wie keine andere Krankheit hat Aids in kurzer Zeit die Welt verändert. Sie fordert jedes Jahr Millionen von Menschenleben und bedroht die wirtschaftliche Entwicklung und politische Stabilität ganzer Regionen. Aids geht uns alle an. Es ist längst keine Erkrankung von Randgruppen mehr, sondern hat sich von Nordamerika und Westeuropa über Afrika nach Asien und Osteuropa ausgebreitet. Die Krankheit fordert uns heraus zum Nachdenken, Umdenken und Handeln. Sie erfordert globale Solidarität, denn das HI-Virus kennt keine Grenzen.

Viele Menschen engagieren sich im Kampf gegen diese weltweite Bedrohung. Ein Aktionsbündnis gegen Aids hat sich nicht nur in Deutschland zusammengefunden, um sich für den Schutz von Menschen vor einer Infektion und für eine menschenwürdige Behandlung der Erkrankten hier und in aller Welt einzusetzen. Dieses Engagement erfordert zuverlässige Informationen zu einem komplexen Thema. Das vorliegende Buch stellt umfassend und doch leicht verständlich die wichtigsten Fakten und Hintergründe dar. Es basiert auf der aktuellen wissenschaftlichen Diskussion und den langjährigen Erfahrungen der Autorin und des Autors in der Aids-Arbeit in vielen verschiedenen Ländern und Regionen. HIV/Aids wirft nicht nur medizinische Fragen auf, sondern berührt viele soziologische, psychologische und theologische Aspekte. In eigenen Kapiteln werden u.a. die Themen: Daten zur Ausbreitung in verschiedenen Weltregionen, die Krankheit Aids, Ansätze zur Prävention, Möglichkeiten der spezifischen Behandlung, sozioökonomische Ursachen und Konsequenzen, Kirche und Aids, Einfluss von Kultur und Tradition sowie Aids als besonderes Problem bei Kindern und Jugendlichen dargestellt.

Henning Mankell
Ich sterbe, aber die Erinnerung lebt
2 Audio-CDs.

Die Mangopflanze.
Vollständige Lesung. 137 Min.. Sprecher: Axel Milberg
2004 DHV Der HörVerlag

Im Frühjahr 2003 reiste Henning Mankell nach Uganda, um mit Aidskranken und deren Angehörigen zu sprechen. Im Mittelpunkt steht die Begegnung mit der aidskranken Christine und ihrer Tochter Aida. Ihr Einkommen als Lehrerin reichte aus, eine 16köpfige Familie zu ernähren, aber nicht, um die notwendigen Medikamente zu bezahlen.

Als Buch erschienen bei DTV