Die Malerei ist tot, es lebe die Malerei!

Mit dem Aufkommen der Fotografie galt Malerei als anachronistisch, die Mehrheit der Künstler wechselte zur Konzeptkunst. Robert Fleck, der ehemalige Chef der Bundeskunsthalle, sieht nun die Renaissance der Malerei - und belegt seine These mit illustren Namen. Seine Aufsatzsammlung krankt allerdings an einer fixen Idee.
"Das Problem fängt schon an, wenn einer sich anschickt, Rahmen und Leinwand zu kaufen." Joseph Beuys' Sottise aus dem Jahr 1985 hat tiefe Spuren hinterlassen. Spätestens seit dem Aufkommen der Fotografie galt Malerei als anachronistisch, als letzter Hort eines überlebten Künstlerbildes. Die Mehrheit der Szene beherzigte Jörg Immendorffs Rat: "Hört auf zu malen!". Und setzte auf die Konzeptkunst.

Mit den alten ideologischen Vorbehalten gegen die Malerei hält sich Robert Fleck in seinem neuen Buch nicht lange auf. Für den österreichischen Kunsthistoriker hat die verrufene Gattung schon deshalb eine Zukunft, weil so viele Maler immer noch malen. Und er kann illustre Namen ins Feld führen, um seine These von ihrer Renaissance zu belegen. Peter Doig, Cecily Brown oder Georg Baselitz sind weder Randfiguren noch die "latecomer" irgendeines Neo-Neoexpressionismus.

Mit der puren Evidenz gibt sich Fleck, Jahrgang 1957, nicht zufrieden. Schließlich hat er bei Gilles Deleuze und Michel Foucault studiert. Und seine poststrukturalistisch angehauchte These von der "posthegemonialen Situation" der Malerei ist intellektuell fruchtbarer als die naive Emphase, mit der die Verteidiger der Malerei deren ungebrochene Attraktivität meist erklären.

Das nunmehr "minderheitliche Medium" genießt für Fleck seine neue "Narrenfreiheit". Und in dem "floatenden Bildraum" und der "Tiefe durch Farbintensität", mit dem viele Maler derzeit experimentieren, sieht der Kunstwissenschaftler den Vorschein des Neuen.

Man kann in diesen Versuchen, wie Fleck, ein Abrücken von den Dogmen sehen, die die "vier Väter" der Moderne – Cezanne, Seurat, Gauguin und van Gogh – begründeten: dem radikal zweidimensionalen Bildraum und dem Eigenwert der Farbe. Man könnte sie als Versuch sehen, den virtuellen Räumen des digitalen Zeitalters etwas Eigenes entgegen zu setzen. Es könnte aber auch alles anders sein.

Als Ausstellungsmacher agierte der ehemalige Chef der Bundeskunsthalle glücklos. Als Kritiker aber überzeugt Robert Fleck, der heute an der Kunstakademie Düsseldorf lehrt. Seine Aufsatzsammlung ist eine brauchbare Einführung in die Geschichte der Moderne und der Abstraktion. Die nur an einer fixen Idee krankt.

Seitdem der französische Philosoph Michel Onfray ihm den Floh ins Ohr gesetzt hat, in der Kunstwelt finde ein "Match" darum statt, wer der erste "Künstler des 21. Jahrhunderts" werde, will Fleck in seinem "neuen Bildraum" gleich das Signal zu einer Zeitenwende sehen. Doch ohne den Vergleich mit den anderen Künsten steht seine steile These von der "Ablösung des 20. Jahrhunderts" auf wackligen Füßen.

Fleck ist kein Nostalgiker. Längst sieht auch er die Fotografie als das Leitmedium. Umso verwirrender, dass er die Malerei dermaßen zur Königsmacherin der Kunst der Zukunft stilisiert. So liest sich sein Essay mitunter wie der Versuch, dem Kunstmarkt intellektuelle Schützenhilfe zu geben. "about painting" übertitelte die Berliner Art Week 2011 ihr alljährliches Herbstmanöver in Sachen Kunststandort Berlin. In diesem Jahr ist man auf "Painting forever" verfallen. Spötter übersetzen dieses Motto gern prosaisch: Flachware geht immer.

Besprochen von Ingo Arend

Robert Fleck: Die Ablösung vom 20. Jahrhundert - Malerei der Gegenwart
Passagen-Verlag, Wien 2013
110 Seiten, 13,90 Euro


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