Die maßlose Gesellschaft
Ein Professor in Colorado, Ward Churchill, der die Opfer des elften September "kleine Eichmanns” nannte, weil viele von ihnen für Wall Street-Firmen arbeiteten, wird von der angesehenen New School in New York als Gastredner eingeladen. Er nennt den Präsidenten der Universität - einen verwundeten Veteranen des Vietnamkrieges - einen Massenmörder und erhält daraufhin von den Studenten im Saal begeisterten Applaus.
Don Imus, ein für seine zynischen und oft beleidigenden Worte berüchtigter Radio-Kommentator macht rassistische und sexistische Bemerkungen über ein vornehmlich aus schwarzen Studentinnen bestehendes Basketballteam. Ein Sturm der Entrüstung bricht los, und Imus' Sendung wird zuerst von seiner Radiostation für zwei Wochen eingestellt und dann, als der Protest stets lauter wird und mehr und mehr Sponsoren davonlaufen, wird Imus entlassen. Er entschuldigte sich wiederholt und reumütig, aber es nützte ihm nichts.
An der Duke University im Südstaat North Carolina klagt eine schwarze Nackttänzerin drei weiße Studenten an, sie vergewaltigt zu haben. Der Staatsanwalt, der vor einer Wahl steht und sich um die Stimmen der schwarzen Wähler bemüht, glaubt der sich verschiedentlich widersprechenden Klägerin. Nach einem Jahr kommt heraus, dass der Staatsanwalt die Lügen der Anklägerin und DNA-Resultate wissentlich außer Acht gelassen hatte. Die Studenten wurden schließlich als unschuldig befunden. Sie und ihre Familien mussten ein schlimmes Jahr erleben, aber die 88 Professoren in Duke, die anfänglich an einer Hetzkampagne gegen die Studenten teilgenommen hatten, denken nicht daran, sich zu entschuldigen.
Man könnte diese Beispiele lange fortsetzen. Wie im Fall des Colorado-Professors geht es nicht nur um Probleme zwischen Weißen und Schwarzen. Es geht um eine Gesellschaft, die kaum mehr Grenzen kennt. Man wird im Fernsehen und Radio nicht angesprochen - stets angeschrieen, und alles muss gleich, jetzt, sofort kommen, sodass der Zuschauer um Himmels willen nicht anderswo hinzappt!
Das bringt uns zum "Rap”, der ja auch in Europa populär ist. Die erfolgreichsten Rap-"Künstler” sind meistens Afro-Amerikaner. Eines ihrer Hauptthemen ist die Verachtung der Frauen und der Geschlechtsverkehr zwischen Mutter und Sohn. Sie verkaufen Millionen von CDs und DVDs, und niemand denkt daran, den Strom ihres Hasses einzudämmen. Sollte man fordern, dass sie sich entschuldigen, wird man ausgelacht. Im Kunstteil der New York Times kann man die Besprechung ihres Raps neben einer Kolumne über Daniel Barenboims Konzert mit den Wiener Philharmonikern in der Carnegie Hall lesen.
Oft wird Kritik als Versuch der Einschränkung der Redefreiheit getadelt. Aber darum geht es nicht. Es geht um den Missbrauch der Freiheit, um ein Plädoyer für ein Minimum guten Geschmacks und der Zurückhaltung, die ein integraler Bestandteil wahrer Kunst ist.
Es geht auch um einen doppelten Standard in der Beziehung von Weißen und Schwarzen oder - in Europa - von Einheimischen und Einwanderern. Wenn man zuschaut oder gar applaudiert, wenn Weiße von Schwarzen falsch angeklagt werden, handelt es sich eben nicht um "positive Diskriminierung”, sondern um eine Herabsetzung der Afro-Amerikaner, indem man von ihnen nicht verlangt, was man von seinesgleichen ohne weiteres fordern würde.
Ward Churchill gehört weder an die Colorado-Universität, noch an die New School. Vielleicht würde er auch nicht geduldet, wenn er nicht einem Stamm der indianischen Urbevölkerung angehörte. Die gegenseitige Heuchelei kommt zum Ausdruck, indem man ihn einlädt, weil er Ur-Amerikaner ist, und er sich die ungeheuerlichsten Beleidigungen erlaubt, weil er sich - leider mit politisch korrektem Recht - gegen Kritik immun hält.
Doppelte Standards schaden besonders dem Bildungswesen. Studenten, die einem Demagogen und Hassprediger zujubeln, und Akademiker, die sich an einer Hetzjagd gegen ihre eigenen Studenten beteiligen, sind falsch am Platz, und die Gesellschaft, die sie kritiklos duldet, hat vergessen, dass Freiheit und Demokratie mit Verantwortungsbewusstsein und Anstand einhergehen.
Robert B. Goldmann wurde 1921 als einziger Sohn eines jüdischen Landarztes in einem Odenwalddörfchen geboren. Er machte in Frankfurt am Main Abitur. Kurz darauf verließ die Familie Deutschland und kam 1940 über Großbritannien nach New York. Goldmann schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch, um sein Studium zu finanzieren. Er war viele Jahre lang Journalist, bevor er sich sozial- und entwicklungspolitischen Aufgaben in der Dritten Welt widmete und schließlich ein Wegbereiter für die deutsch-jüdische Verständigung wurde. 1996 veröffentlichte er sein vielbeachtetes Buch "Flucht in die Welt", eine Lebens- und Familiengeschichte. Goldmann arbeitete lange für die Anti-Defamation League in New York und publiziert noch immer in amerikanischen und deutschen Medien.
An der Duke University im Südstaat North Carolina klagt eine schwarze Nackttänzerin drei weiße Studenten an, sie vergewaltigt zu haben. Der Staatsanwalt, der vor einer Wahl steht und sich um die Stimmen der schwarzen Wähler bemüht, glaubt der sich verschiedentlich widersprechenden Klägerin. Nach einem Jahr kommt heraus, dass der Staatsanwalt die Lügen der Anklägerin und DNA-Resultate wissentlich außer Acht gelassen hatte. Die Studenten wurden schließlich als unschuldig befunden. Sie und ihre Familien mussten ein schlimmes Jahr erleben, aber die 88 Professoren in Duke, die anfänglich an einer Hetzkampagne gegen die Studenten teilgenommen hatten, denken nicht daran, sich zu entschuldigen.
Man könnte diese Beispiele lange fortsetzen. Wie im Fall des Colorado-Professors geht es nicht nur um Probleme zwischen Weißen und Schwarzen. Es geht um eine Gesellschaft, die kaum mehr Grenzen kennt. Man wird im Fernsehen und Radio nicht angesprochen - stets angeschrieen, und alles muss gleich, jetzt, sofort kommen, sodass der Zuschauer um Himmels willen nicht anderswo hinzappt!
Das bringt uns zum "Rap”, der ja auch in Europa populär ist. Die erfolgreichsten Rap-"Künstler” sind meistens Afro-Amerikaner. Eines ihrer Hauptthemen ist die Verachtung der Frauen und der Geschlechtsverkehr zwischen Mutter und Sohn. Sie verkaufen Millionen von CDs und DVDs, und niemand denkt daran, den Strom ihres Hasses einzudämmen. Sollte man fordern, dass sie sich entschuldigen, wird man ausgelacht. Im Kunstteil der New York Times kann man die Besprechung ihres Raps neben einer Kolumne über Daniel Barenboims Konzert mit den Wiener Philharmonikern in der Carnegie Hall lesen.
Oft wird Kritik als Versuch der Einschränkung der Redefreiheit getadelt. Aber darum geht es nicht. Es geht um den Missbrauch der Freiheit, um ein Plädoyer für ein Minimum guten Geschmacks und der Zurückhaltung, die ein integraler Bestandteil wahrer Kunst ist.
Es geht auch um einen doppelten Standard in der Beziehung von Weißen und Schwarzen oder - in Europa - von Einheimischen und Einwanderern. Wenn man zuschaut oder gar applaudiert, wenn Weiße von Schwarzen falsch angeklagt werden, handelt es sich eben nicht um "positive Diskriminierung”, sondern um eine Herabsetzung der Afro-Amerikaner, indem man von ihnen nicht verlangt, was man von seinesgleichen ohne weiteres fordern würde.
Ward Churchill gehört weder an die Colorado-Universität, noch an die New School. Vielleicht würde er auch nicht geduldet, wenn er nicht einem Stamm der indianischen Urbevölkerung angehörte. Die gegenseitige Heuchelei kommt zum Ausdruck, indem man ihn einlädt, weil er Ur-Amerikaner ist, und er sich die ungeheuerlichsten Beleidigungen erlaubt, weil er sich - leider mit politisch korrektem Recht - gegen Kritik immun hält.
Doppelte Standards schaden besonders dem Bildungswesen. Studenten, die einem Demagogen und Hassprediger zujubeln, und Akademiker, die sich an einer Hetzjagd gegen ihre eigenen Studenten beteiligen, sind falsch am Platz, und die Gesellschaft, die sie kritiklos duldet, hat vergessen, dass Freiheit und Demokratie mit Verantwortungsbewusstsein und Anstand einhergehen.
Robert B. Goldmann wurde 1921 als einziger Sohn eines jüdischen Landarztes in einem Odenwalddörfchen geboren. Er machte in Frankfurt am Main Abitur. Kurz darauf verließ die Familie Deutschland und kam 1940 über Großbritannien nach New York. Goldmann schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch, um sein Studium zu finanzieren. Er war viele Jahre lang Journalist, bevor er sich sozial- und entwicklungspolitischen Aufgaben in der Dritten Welt widmete und schließlich ein Wegbereiter für die deutsch-jüdische Verständigung wurde. 1996 veröffentlichte er sein vielbeachtetes Buch "Flucht in die Welt", eine Lebens- und Familiengeschichte. Goldmann arbeitete lange für die Anti-Defamation League in New York und publiziert noch immer in amerikanischen und deutschen Medien.