Schulessen geht auch lecker
Essen in der Schulmensa - ein häufiges Streitthema. Selten wird frisch gekocht, das Essen vom Caterer ist abgestanden und die Lieferanten klagen über zu knappe Kalkulationen. Ein Gegenbeispiel bietet die Kantine der freien Waldorfschule in Berlin-Mitte.
Mit dem riesigen Edelstahlschieber arbeitet sich Bettina Zehner am späten Vormittag durch 60 Kilo gewürfelte Kartoffeln, 6 Kilogramm Grünkohl, Blumenkohl, Karotten, Erbsen und mehrere Liter Béchamelsauce . Aus der Masse in dem badewannengroßen Bottich soll bis zum Mittag ein Gemüsegratin werden.
"Also, ja, Grünkohl ist nicht sexy. Ist gerade überhaupt nicht in. Aber bei diesem Gericht verschwindet er ja unter der Käsekruste, da kann man schon mal ein bisschen was untermogeln, letztlich ist es halt immer die Frage, ob es schmeckt. Wenn es schmeckt, dann geht das auch. Ja und jetzt schmecken wir es noch ab."
Sie nimmt einen kleinen Löffel, dann noch ein bisschen Salz und ist schließlich zufrieden. Seit sechs Jahren kocht sie in der Waldorfschule in Berlin-Mitte - und seitdem steigt die Zahl der Schüler, die bei ihr essen wollen jedes Jahr - weil es schmeckt. 350 Kinder kommen jeden Tag.
"Am Anfang habe ich das Gemüse genommen, Wirsing und solche Sachen, und habe es vorne hingestellt, so schaut es vorher aus und so schaut es jetzt aus, zubereitet."
Fast alles ist regional und saisonal angebaut
Den Grünkohl , den Salat fürs Buffet und fast alles andere bringt ein Naturkost-Großhändler frisch vom Bauern in die Schule. Gerade kommt eine Lieferung grüne Bohnen für morgen.
"Wir sind nicht nur Bio, sondern auch regional und saisonal organisiert", erklärt die Köchin, während sie Paprika für den Salat schnippelt. Sie lächelt. Die Paprika ist eine Ausnahme, die kommt aus Marokko, selbstverständlich auch Bio.
Die Masse für das Gratin kommt jetzt in acht viereckige Aufflaufformen und Bettina Zehner streut großzügig eine dicke Schicht geriebenen Käse darüber. Dann ab in den großen Profi-Ofen, 40 Minuten bei 180 Grad. Zeit, in der sie sich Gedanken über den Essensplan für die nächste Woche machen kann. Über die richtige Mischung - angereichert mit einigen Rennern:
"Also bei Kartoffelsalat und Bratwurst, auch wenn es die Veggi Bratwurst ist, kommen viele. Oder Chilli sin Carne, das ist der Wahnsinn, Reisbällchen nächste Woche, Käsespätzle, Red Thai Curry, aber auch das Erdnusscurry, ist auch ein Renner."
Der Auflauf ist fertig. Die gelernte Köchin mit der kleinkarierten schwarz-weißen Hose, Häubchen auf den kurzen Haaren und inzwischen nicht mehr ganz blütenweißer Schürze teilt die ersten Portionen für die Hortkinder auf. 3,50 Euro kostet eine Portion. Damit trägt die Mensa sich selbst, das macht sie stolz:
"Meine Kalkulation ist da ganz genau, ich habe mir zum Ziel gesetzt 1,50 Euro als Wareneinsatz anzupeilen. Und das schaffen wir im Schnitt, 1,50 Euro. Aber nur Wareneinsatz. Das schaffen wir eben deswegen, weil wir eben erste Klasse haben und dreizehnte Klasse."
Und jeder genau so viel zu Essen bekommt, wie er oder sie schafft. Die Größeren essen mehr, die Kleineren weniger. So muss Bettina Zehner wenig wegschmeißen und kann beim Einkauf ihr 1,50 Euro-Limit einhalten.
"Wir verkaufen keine Portionen, wir stillen den Hunger"
Pünktlich ab 12 stürmen die Größeren die Mensa. Jeder bekommt so wenig oder so viel wie er will: "Bei uns dürfen die ja nachholen bis sie satt sind. Bei uns gibt es kein Limit. Dann lade ich drauf. Weil wir verkaufen keine Portionen, sondern wir stillen den Hunger."
Und der ist manchmal groß - und manchmal auch nicht. Und manchmal ist das dann eben doch vom angebotenen Gemüse abhängig, besonders bei den Siebtklässlern. Ein Teller mit Auflauf steht nicht vor jedem Kind auf dem Tisch:
"Ist Bio und schmeckt superlecker meistens. Ich habe es jetzt auch nicht genommen, Kartoffeln liegt mir nicht so."
"Ist auch relativ viel Käse und Käse ist jetzt nicht so meins. Manchmal schmeckt es gut, aber manchmal auch nicht."
"Ist auch relativ viel Käse und Käse ist jetzt nicht so meins. Manchmal schmeckt es gut, aber manchmal auch nicht."
Bettina Zehner hört zu und muss grinsen: "Es ist jedes Jahr das gleiche. Siebte, Achte, Siebte, Achte. Darum ist es in dem Alter wichtig, dass wir eine Beziehung aufbauen, die kommen zu uns in die Küche und arbeiten mit. Das ist wichtig."
Sie weiß, dass die Kids Phasen haben, in denen sie etwas nicht mögen. Zeigt ihnen dann, wieviel Spaß es machen kann, es zuzubereiten. Wenn das nicht hilft, ist da ja immer noch das Salatbuffet oder eine besonders kleine Portion. Die nicht ausgegebenen Reste werden gut verpackt und gekühlt aufgehoben:
"Köche neigen ja dazu, immer mehr zu kochen, weil so sind wir. Das, was übrig bleibt, gibt es dann am Freitag zusätzlich. Das ist quasi unser Restetag. Und der ist so beliebt bei den Kindern. Weil da gibt's gebratene Nudeln, ah toll, manche haben die Lasagne verpasst, gibt es am Freitag nochmal, ach ich komm, ich komm. Die kommen dann einfach wegen dem Resteessen, das finden die toll."
Und Bettina Zehner freut sich mit. Für heute ist allerdings erstmal Feierabend. Um 7 Uhr hat der Arbeitstag begonnen, um kurz vor vier ist Schluss. Schnell schüttet sie noch den Reis in den Bräter. Vorbereitung für morgen. Dann gibt es gebratenen Eierreis mit grünen Bohnen und Hummus.