Die Mini-Erde im Orbit

Von Thomas Gith |
Das Erdinnere ist noch weitgehend unerforscht. Ein geophysikalisches Grundlagenexperiment soll jetzt Licht ins Dunkel bringen: Mit ihm wird auf der internationalen Raumstation untersucht, wie sich das Magma in unserem Planeten verhält.
Hoch über unseren Köpfen, in den Weiten des Universums, schwebt die Internationale Raumstation. Rund 350 Kilometer ist sie von unserem Planeten entfernt – treibt durch die Dunkelheit des Kosmos.

Zumindest elektronisch jedoch sind uns die Astronauten ganz nah: Per Internetverbindung und Funk halten die Wissenschaftler in den Bodenstationen ständig Kontakt zur ISS, koordinieren von der Erde aus Forschung und Einsätze der Astronauten.

"Der Tag eines Astronauten ist massiv geplant, also minutiös, bis hin zu Sekunden. Wo genau entschieden wird, der Astronaut muss jetzt Sport machen."

Birgit Futterer, wissenschaftliche Mitarbeitern beim geophysikalischen Grundlagenexperiment Geoflow II.

"Dann muss er essen und dann macht er das Experiment 1. Und dann hat er noch Zeit, zum Beispiel bei unserem Experiment den Container reinzusetzen, als er oben angekommen ist."

Ende März war es soweit: Ein Astronaut baute das schuhkartongroße Erdmodell Geoflow II in einen elektronischen Experimentierschrank: In ihm rotiert das Modell – ähnlich wie auch die Erde rotiert. Zwischen innerer und äußerer Kugel besteht außerdem ein Temperaturgefälle – wie zwischen Erdkern und Erdmantel. Projektleiter Christoph Egbers erklärt die Funktionsweise von Geoflow II an einem anschaulichen Beispiel.

"Wenn Sie sich jetzt vorstellen, Sie heizen ein Honigglas an irgendeiner Stelle auf, dann wird der Honig an der Stelle flüssig. Und ähnlich ist das in unserem Experiment: Wir heizen ganz homogen die innere Kugel, und die Frage ist, an welcher Stelle wird jetzt die Flüssigkeit quasi aufbrechen und einen Stichkanal oder eine pilzartige Strömungsstruktur zeigen."

Durch Temperaturunterschied und Rotation des Modells ist die Flüssigkeit zwischen den Kugeln ständig in Bewegung. Von der Kugelmitte schießen sehr flüssige Stellen nach oben und fächern sich dann kurz vor der äußeren Kugel wie bei einem Pilzkopf auf – Forscher sprechen von einem plumartigen Aufstrom.

Ähnlich verhält sich auch das Magma in unserer Erde. Die Forscher hoffen nun, das genaue Strömungsmuster durch das Experiment auf der ISS besser zu verstehen. Der Kontrollraum an der Universität Cottbus: Hier tauchen die Wissenschaftler in die Analyse der Ergebnisse ein. Ein Projektor wirft die ersten Bilder auf eine Wand.

"Wir sehen jetzt hier, wenn ich es einmal durchzähle, drei, vier, fünf, sechs sogenannte Ringaugenpaare. Wir wissen aus vorhergehenden Untersuchungen, dass jedem Ringpaar ein sogenannter plumartiger Aufstrom von der Innenkugel zuzuordnen ist."

Birgit Futter zeigt auf das Bild – eine Laserkamera hat es aufgenommen und damit sichtbar gemacht, wie sich die Flüssigkeit in der Minierde bewegt: Der plumartige Aufstieg, also das pilzförmige Aufströmen der Flüssigkeit, ist gut zu erkennen.

"Also, man weiß ja vom Erdmantel, dass es da verschiedene Plumströmungen gibt, die von der Kernmantelgrenze teilweise bis oben an die Erdkruste stoßen. Und dieses Aufströmen sieht in einem solchen Messbild so aus, wie man das hier sieht. Und das ist ein erstes, sehr wichtiges Ergebnis für uns."

Die aktuellen Bilder von der ISS werden immer freitags auf die Computer im irdischen Kontrollzentrum heruntergeladen. Die Wissenschaftler müssen dann Anzahl und Qualität der Bilder prüfen.

Christoph Egbers: "Man muss wissen, dass beim Datentransfer aus der Raumstation ja immer wieder auch Datenunterbrechnungen stattfinden können. Und wenn das so ist, dann müssen wir manche Daten nachträglich wieder herunterladen, und das müssen wir immer am Wochenende machen, das heißt, da sitzen bei uns am Wochenende dann Leute, die dann die Bilddaten kontrollieren und die bis Montagmorgen das Okay geben, oben einen Speicher zu löschen."

Auf der ISS stehen für Geoflow II nur 40 Gigabyte Datenspeicher zur Verfügung – Platz, auch Speicherplatz, ist knapp auf der Raumstation. Ist die Festplatte gelöscht, kann ein neues Experiment in der Schwerelosigkeit beginnen: Über die Monitore im Cottbusser Kontrollzentrum flimmern dabei ständig die aktuellen Messdaten. An diesem Montagmorgen blinken aber plötzlich Fehlermeldungen über die Bildschirme. Kurze Zeit später bekommt Birigit Futterer eine Nachricht.

"Wir haben gerade eine E-Mail bekommen von dem spanischen Team, die haben uns geschrieben, dass wir derzeit keine kontinuierliche Datenverbindung zur ISS haben, das ist so wie ein Funkloch letztendlich."

Rund eine halbe Stunde lang bleiben die Bildschirme an diesem Morgen leer - auf der ISS läuft das Experiment dennoch vollautomatisch weiter. Dann plötzlich steht die Datenverbindung wieder – und der Bildschirm verrät: Alles läuft planmäßig.

""Ja, here is Birgit from the Science-Team at the BTU Cottbus. Yeah, we've seen so far the Data ..."

Ist das nicht der Fall, dann können die Wissenschaftler von der Erde aus jederzeit eingreifen. Ein kurzer Anruf bei der Bodenstation in Madrid genügt – denn die Kollegen dort haben direkten Zugriff zur ISS. Die Astronauten werden übrigens erst im Juni wieder aktiv – dann müssen sie Geoflow II ausbauen. Bis dahin wird die Minierde hoch über unseren Köpfen schweben.